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Das Patrizierhaus in der Rotehahnstraße 7

geschrieben von Irene Lange im September 2016

Im Herzen von Lüneburgs historischem Stadtzentrum befindet sich jenes Patrizierhaus, das zu Recht als Juwel der Baukunst des ausgehenden 15. bzw. beginnenden 16. Jahrhunderts bezeichnet werden darf

Der Erbauer war Hinrik Erpensen, Ratsherr seit 1474, der wohl zu den bedeutenden Persönlichkeiten der Stadt zählte. Zum Teil war er familiär, zum Teil freundschaftlich mit weiteren Vertretern der Patrizierfamilien – darunter Viscule, Hogeherte, van Winsen, van Lo oder van Dassel – verbunden. Einerseits ermöglichte die herausragende Position innerhalb des Stadtgefüges einen gehobenen Lebensstandard, andererseits fühlte man sich zu wohltätigen Stiftungen verpflichtet. Erpensen gründete den heute noch bestehenden „Rote-­Hahn-Stift“ und zählte zu den Förderern und Stiftern der St. Nicolai-Kapelle. Er selbst residierte mit seiner Familie in seinem geräumigen Anwesen in der Rotehahnstraße 7, während Arme und Kranke in den sogenannten „Gottesbuden“ der Stiftung in gleichen Straße umsonst lebten. Als Gegenleis­tung hatten sie täglich für das Seelenheil ihres Gönners zu beten.

Bis 1722 wurde das Anwesen auch als Braustätte geführt. 1682 ließ der damalige Besitzer Hartwig Islag ein neues Haupthaus errichten. Umfassende Bauarbeiten beauftragte Johann Koch ab 1769, wodurch er acht Jahre von den Abgaben an die Stadt befreit wurde.
Aus einer neben dem zweigeschossigen Wohnhaus angebrachten Sandsteintafel, datiert auf das Jahr 1800, geht hervor, dass der damalige Besitzer in den Jahren 1795 bis 1804 Nikolaus Jürgen Petersen war. Auch er nahm offensichtlich bauliche Veränderungen vor. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist im Zusammenhang mit der Brennerei eine Gaststättennutzung überliefert. Viele Jahre herrschte hier im Wirtshaus „Zum Roten Hahn“ reges Leben und Treiben, so lebte hier auch der spätere Gemahl der holländischen Königin Beatrix, Claus von Amsberg, nach dem 2. Weltkrieg ein Jahr an dieser Adresse. In jüngster Vergangenheit wurde die historische Kulisse zum beliebten Drehort für viele Filme.

Fotos: Eckhard Wentorf

Doch geriet das gesamte Anwesen im Lauf der Zeit allmählich in einen mehr als sanierungsbedürftigen Zustand, bevor es der inzwischen verstorbene Architekt Wilhelm Hoek für seine Familie sanierte. Die heutigen Eigentümer, Ortrud und Dieter Hertlein, erwarben es im Jahre 1990. Heute präsentiert sich der zweigeschossige Gesamtkomplex aus Backstein mit der zweiflügeligen Barocktür, dem Fachwerkgiebel und einer breiten Toreinfahrt wieder in seiner einstigen ganzen Pracht. Der gepflasterte Innenhof, von dem sich ein wunderbarer Blick auf den St. Nicolai-Kirchturm bietet, beeindruckt durch einen von Steinlöwen bewachten Wasserlauf aus einem Wandbrunnen. Im Inneren des Hauses haben es die heutigen Besitzer verstanden, vom Keller bis zum Dach Modernes und Historisches harmonisch mitein­ander zu verbinden. „Es ist eine Lebensaufgabe, solch ein historisches Gemäuer zu erhalten“, erklärt der ehemalige Mercedes-Benz-Manager Dieter Hertlein. Zwar beschäftigen ihn zurzeit moderne Bauvorhaben, darunter auch die sogenannten „Stadthöfe“, die er in der Friedenstraße an der Ilmenau errichtet; doch hat ihn die Faszination, Teil der Jahrhunderte währenden Geschichte des Gebäudes zu sein, niemals losgelassen.(ilg)

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