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Auf den Spuren der Familie von Bülow

geschrieben von Irene Lange im Juni 2014

Der wohl bekannteste Spross der Familie war Vicco von Bülow, genannt Loriot: Während unserer Recherche nach dem alten Adelsgeschlechts wurden wir auch in Lüneburg fündig – im Stadtteil Kaltenmoor

Von uraltem Adel ist die Familie von Bülow, die sich seit dem 13. Jahrhundert vorwiegend im Ostseeraum ansiedelte. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gingen deren Landgüter in Ost- und Mitteldeutschland allesamt verloren, viele Familienmitglieder fanden Aufnahme und Hilfe auf den Bülowschen Gütern in Schleswig-Holstein. So ist die Familie nicht nur in Deutschland weit verstreut zu finden, sondern ebenso in Südafrika oder in Süd- und Nordamerika. Eine große Anzahl bedeutender und heraus­ragender Persönlichkeiten zählen zu dem großen Familienverband, angefangen von berühmten Staatsmännern, Militärs bis hin zu Künstlern, Schriftstellern, Dichtern oder Schauspielern wie auch der wohl dem bekanntesten, Vicco von Bülow – genannt Loriot.
Die Spur einiger der Persönlichkeiten dieses Adelsgeschlechts führt auch nach Lüneburg. Straßennamen im Stadtteil Kaltenmoor wie „Bülows Kamp“ und die „Bülowstraße“ erinnern an ihr Leben in der Salzstadt. Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts war Kaltenmoor noch ein sogenannter „schoßpflichtiger“ (steuerpflichtiger) Garten der Stadt, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts schließlich über mehrere Genera­tionen hinweg in den von Bülowschen Besitz überging. Heute beherbergt das ehemalige repräsentative Gutshaus das Jugendzentrum Kaltenmoor, doch handelt es sich bei dem Ziegelbau nicht um das ursprüngliche Domizil, das bei einem Brand zerstört wurde, sondern um einen „Neubau“ aus dem Jahre 1902.
Aus der langen Liste der Familienmitglieder der von Bülows sind für die Stadt Lüne­burg zwei bedeutende Persönlichkeiten zu nennen: Friedrich Ernst von Bülow (1736–1802) und Helmuth von Bülow (geboren 1899 in Wandsbek, gestorben 1965 in Uelzen). Der erstgenannte war der Sohn des Gutsbesitzers Gotthard Heinrich August von Bülow auf Essenrode. Er erhielt zunächst eine Ausbildung als Page, schlug später, wie viele Adlige seiner Zeit, die militärische Laufbahn ein und war auf verschiedenen Kriegsschauplätzen in Westfalen, Hessen und Hannover eingesetzt. Dabei erwarb er sich mit Mut und Geschick einiges Ansehen, wurde zudem 1761 zum Major befördert. Nach dem Tod des Vaters 1769 übernahm er die Leitung des väterlichen Gutes. Auch bei der Ver­waltung und Vermehrung der Güter bewies er eine geschickte Hand. 1770 wurde Friedrich Ernst von Bülow von der lüneburgischen Ritter­schaft zum Schatzrat und schließlich zum Landrat gewählt. 1780 ernannte ihn Georg III. — Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg, ab 1814 König von Hannover — zum Landschaftsdirektor und Abt von St. Michaelis. Auch hier setzte er seine Erfahrungen mit Erfolg ein; unter seiner Leitung wurde unter Anderem die Wirtschaftsführung des Klosters rentabel. Zudem befreite er die Klosterforsten von fremden Nutzungs­rechten. Schon ein paar Jahre vorher hatte er seine eigenen Güter durch Arrondierung erweitert, indem er mit „seinen“ Bauern einen für ihn profitablen Vergleich schloss. Es kann wohl angenommen werden, dass Friedrich Ernst von Bülow ein sehr geschickter und gewinnorientierter „Manager“ der ihm anvertrauten Güter war. So wundert es nicht, dass auch die Lüneburger Saline, die unter seiner Leitung dank einer neuen Verfassung eine vorteilhafte Veränderung der Bewirtschaftungs­weise erhielt und somit eine Steigerung der Effi­zienz erfuhr. Nebenher bewies von Bülow, dass auch auf vermeintlich unfruchtbarem Heideboden nahe Lüneburg Landwirtschaft ertragreich sein konnte, indem er hier einen Musterhof aufbaute, den er aus „eigener Tasche“ bezahlte. Nach ihm wurde Rittmeister Otto von Bülow (verstorben 1872) „Ausreuter“ an St. Michaelis, über den allerdings nichts Weiteres bekannt ist.

Noch heute findet man viele Sprösslinge der von Bülows im Namensverzeichnis der Lüneburger Ritterakademie.

Neben beruflichem Erfolg kann das Privatleben des Friedrich Ernst von Bülow zumindest als ausgefüllt bezeichnet werden. Er heiratete zweimal, die erste Ehe mit Dorothea Sophia Juliane von der Hagen endete mit ihrem frühen Tod und brachte nur einen Sohn, Friedrich von Bülow, hervor. Mit seiner zweiten Frau Louise Margarethe von Behr aber hatte er 17 Kinder, von denen einige schon im Kindesalter verstarben. Auch diese Nachkommen verließen zu einem Großteil Lüneburg. Doch findet man noch heute die Nennung vieler von Bülow-Sprösslinge im Namensverzeichnis der Lüneburger Ritterakademie, in denen die Söhne der adligen Familien ab Mitte des 16. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert hinein neben der Lehre in den Fächern der Mathematik, des Reitens, Fechtens und Tanzens unterrichtet und den notwendigen gesellschaftlichen Schliff erhielten.

Ein Zuhause für die Jugend: Das ehemalige Gutshaus der von Bülows beherbergt das Jugendzentrum Kaltenmoor.

Die Entscheidung des Oberstleutnant Helmuth von Bülow gegen Kriegsende 1945, den unmissverständlichen Befehl nicht zu befolgen, die Stadt mit allen Mitteln gegen den anrückenden Feind – die Engländer – zu verteidigen, verschonte Lüneburg vor der Zerstörung. Der im ersten Weltkrieg verwundete Mann verweigerte die Ausführung dieses Auftrags, lediglich eine Anzahl von Sprengungen konnte er nicht verhindern. Er trug mit seiner Befehlsverweigerung das Risiko, wegen „Feigheit vor dem Feind und schwerer Dienstverletzung“ zum Tode verurteilt und erschossen zu werden. Doch seine Entscheidung, nicht zu veranlassen, was er militärisch sinnlos und menschlich als unverantwortlich betrachtet, erweist sich auch im Nachhinein als richtig. Weder Armee noch Gauleitung hätten ihm im Ernstfall zur Seite gestanden. Die Panzer der Briten konnten somit ohne deutschen Widerstand in die Stadt eindringen und sahen wohl keinen Grund mehr, diese zu zerstören – es wäre Lüneburgs Todesurteil gewesen. Dank Helmuth von Bülow, der als Soldat die richtige Entscheidung zwischen Gehorsam und Gewissen traf, wurde es nicht vollstreckt.
Seit 1867 existiert ein Bülowscher Familienverband mit derzeit etwa 400 verzeichneten Personen, die zumeist als Grafen, Freiherrn und Herren benannt sind. Alle zwei Jahre findet ein Familientag an wechselnden Orten statt, das erste nach dem 2. Weltkrieg aber wurde im Jahre 1951 im damaligen „Deutschen Haus“, der heutigen Commerzbank, in Lüneburg abgehalten, seinerzeit mit nur 67 Teilnehmern aus den westlichen Gebieten Deutschlands. Für die männliche Jugend wurde ein einfaches Nachtquartier auf dem Bülowschen Gut in Kaltenmoor bereitgestellt – und Jugend hat hier auch heute wieder im Jugendzentrum ein ­Zuhause gefunden. Der letzte Spross der Familie, der in Lüneburg 1941 das Licht der Welt erblickte, war laut Auskunft vom Schriftführer des Familienverbandes Otto von Bülow. Er verstarb 1990, nachdem er das Gut 1965 verkauft hatte.(ilg)

Fotos: Museum Lüneburg, Enno Friedrich

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