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Die Sache mit dem Wetter

geschrieben von Katerine Engstfeld im März 2016

Der Kolumnist Max Goldt fabulierte irgendwann Ende der 90er von einem Radiosender ohne Wetter­ansage, denn er könne es, schrieb er, nicht mehr hören: Was kümmere ihn denn das Wetter von morgen (ungefähr so viel wie Adenauer sein „Jeschwätz von jestern“), es müsse doch möglich sein, von den Vorgängen in der Welt zu erfahren, ohne von Picknickplanungen belästigt zu werden. Dass dem modernen Stadtmenschen in Zeiten von Multifunktionskleidung, Klimaanlagen und überfüllten Supermarktregalen das Wetter so wichtig ist, bleibt merkwürdig. Allerdings verkannte Goldt den großen sozialen Nutzen, schließlich dient die Vorhersage neben der Gefahrenabwehr auch der Stabilisierung nachbarschaftlicher Beziehungen. Ohne das Wetter – dem Feind, der vereint – endete ein Flurgespräch, bevor es begonnen hätte, und der Haussegen hinge so schief wie der Vergleich mit St. Johannis. Die „zügellose Wetter-Larmoyanz“ allerdings scheint exponentiell mit den Möglichkeiten der Vorhersage ­gewachsen zu sein. Die einen vermuten, das liege an den billigen Urlaubsflügen, die den Massen eine Idee von idealem Wetter vermitteln, die anderen wissen, dass die Digitalisierung schuld ist. Es gibt ja kein Informationsaustauschgerät mehr, auf dem nicht zuallererst irgendwo die Wettervor­hersage aufploppt. Mal abgesehen von den Wetterlagen mit Katastrophenwert – die man übers Internet im Liveticker genießen kann –, wozu braucht es auf dem Smartphone die Live-Verkündigung der Sonne? Damit ich mir einen Blick durchs noch nicht frühjahrsgeputzte Fenster spare? Dabei liegen die Prognosen von zehn exemplarisch ausgewählten kostenlosen Online-Wetterdiensten laut Stiftung Warentest fast durchgängig ziemlich daneben – selbst am selben Tag, wenn’s um Regen geht. Aber der Tag ist nicht fern, da werden wir der Ansage unserer größten Erfindung mehr trauen als unserer eigenen Haut und den Stresstest, dass der auf dem Gerät angezeigte Regen gar nicht da ist, meiden. Dabei kann so ein Frühjahrsschauer fast so erfrischend sein, wie Donald Trump das Toupé aus dem Gesicht zu pusten. Gehen Sie raus mit Schirm und ins Netz zu trumpdonald.org. Beide Maßnahmen versprechen: Frühjahrs­müdigkeit ade!(ke)

Foto: unsplash.com © David Marcu

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