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Verknallt, so blind vor Liebe

geschrieben von Natascha Mester im April 2015

Liebe und Leid – eine zeitlose Angelegenheit: Der Schauspieler André Eisermann geht mit seinem „Goethe. Werther. Eisermann“-­ Abend letztmalig auf Tour. Am 23. April ist seine „Spoken Word Performance“ im Lüneburger Theater zu erleben

Der Zeitgeist ändert sich und auch – oder vielleicht vor allem — die Art und Weise, die eigenen Gefühlswelten in ein verbales Kostüm zu kleiden. Johann Wolfgang von Goethe schuf 1774 mit seinem Erstlingswerk „Die Leiden des jungen Werther“ ein eigenes, ein emotionsstrotzendes Vokabular, das einst wie heute mitten ins Zentrum der großen Gefühle trifft. Dass also Schüler wie Erwachsene selbst noch nach 240 Jahren die ­facettenreichen Seelentöne dieses Sturm-und-Drang-Meisterstücks nachempfinden können – selbst wenn die Sprache nicht mehr der heutigen entspricht – hat einen simplen Grund, den der Schauspieler André Eisermann nur zu gut kennt: Liebe, Verzweiflung und Leid bedienen sich einer universellen Sprache, die zeitlos ist. Wenn Eisermann die Texte des Dichterfürsten spricht — oder sollte man sagen: zelebriert? —, dann bringt er alle Facetten der Wertherschen Seelenqual zum Klingen. Als „Spoken Word Per­formance“ bezeichnet er diesen Abend, an dem er Werthers unerwiderte Gefühle gegenüber Lotte in eindringlicher und sehr persönlicher Weise interpretiert. Die gesprochenen Szenarien erhalten mit den Kompositionen des Pianisten Jakob Vinje eine zusätzliche Ebene, die es vermag, Stimmungen zu erzeugen und zum Teil auch zu überhöhen.
Weit mehr als 600 Mal begeisterten Eisermann und Vinje in den vergangenen Jahren mit ihrer Inszenierung ihre Zuschauer in Deutschland und den USA. So schien es an der Zeit, die Ursprungs­version zu überarbeiten. „Über die Jahre verschiebt sich der eigene Fokus, Themen treten plötzlich in das eigene Blickfeld, die zuvor unwichtig schienen“, resümiert André Eisermann und erklärt damit das Bedürfnis, den Inhalt des Abends zu modifizieren, gewissermaßen eine „Reloaded Version“ zu entwickeln, die nun ein weiteres, ein neues Thema in das Zentrum rückt. „Das Thema Freitod beispielsweise ist heute so aktuell wie nie zuvor.“ Ein dunkles Thema, sicher, und doch weiß Eisermann auch hier alle Facetten zu beleuchten – die tragischen wie die humoristischen. Neben aller Dramatik wird der Abend, so verspricht es der Film- und Theaterschauspieler, dann also durchaus auch ein amüsanter werden. Zudem eine Veranstaltung, die keinesfalls nur für eingefleischte Goethe-, Werther- oder Eisermann-Fans gedacht ist, sondern ebenso für alle, die sich in Schulzeiten durch die Werke des Literaten quälen mussten oder müssen und denen hier eine ganz neue Sicht auf Inhalte und Sprache geboten wird.
Mit der „Reloaded-Version“ werden Eisermann und sein Begleiter Jakob Vinje nun letztmalig die deutschen Theatersäle bespielen, so auch am 23. April, wo sie um 20.00 Uhr im Großen Haus des Lüneburger Theaters zu Gast sind.(nm)

Foto: Katrin Kutt

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