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Fotografie in Lüneburg

geschrieben von Irene Lange im Mai 2016

Der ehemalige Polizeifotograf Karl-Eckhard Gieseking verfasste eine ausführliche Dokumentation über die Fotogeschichte der Stadt Lüneburg

Reichlich hölzern schauen die abgelichteten Personen aus den frühen Fotografien heraus, den sogenannten Daguerreotypien, mussten sie doch bei diesem Verfahren, das eine lange Belichtungszeit erforderte, in absoluter Bewegungs­losigkeit erstarren. Die meist goldfarben oder silbrig-­schimmernden Abbilder wurden nach ihrem Erfinder, dem Franzosen Louis J.M. Daguerre (1787–1851), benannt, der gemeinsam mit J. N. Nièpce das neue Abbildungsverfahren entwickelt hatte: Eine mit Jod­silber beschichtete Kupferplatte wurde in einer „Camera obscura“ belichtet und mit Quecksilber dämpfen bearbeitet. Der Gesundheit war dieses Verfahren nicht gerade zuträglich und so segneten viele der Daguerreotypisten recht früh das Zeitliche.
1837 gelang die erste Daguerreotypie und zeigte ein detailreiches Stillleben. Als bahnbrechende Entdeckung eroberte sie bald nicht nur die Metropolen, sondern auch das damals noch recht beschauliche Lüneburg. Bald darauf entstand auch der Berufszweig des Daguerreotypisten, der als Reisefotograf landauf landab seine Dienste anbot. Unter ihnen befanden sich auch einige Frauen, und so quartierte sich ab 1843 die Französin Madame A. l’Hiver in der Neuen Sülze ein. Ihre Kunst präsentierte sie meist auf den öffentlichen Plätzen der Stadt, sozusagen im Freiluftatelier, vor staunendem Publikum. Und da ihre Kunden ausschließlich zur wohlhabenden Mittelschicht zählten, zeigen auch die Porträts meist feierlich herausgeputzte Bürgerinnen und Bürger, deren Mienen selten ein entspanntes Lächeln zeigen.
Der Beruf war gefragt, weitere Fotografen etablierten sich in Lüneburg – auch Heinrich Häberlin, der schließlich am Lüner Damm sesshaft wurde. 1846 bis 1850 betrieb er dort er das erste „Photographische Atelier“. Später folgten Jacob Böhning und Friedrich Wilhelm Georg Güttich; dessen Atelier ist auf einer Aufnahme aus dem Jahre 1866 des Fotografen Raphael Peter von der Bardowicker Straße aus zu sehen, die sich heute im Besitz des Museumsvereins für das Fürstentum Lüneburg befindet. Güttich, dessen Atelier von 1860 bis 1868 bestand, machte vor allem Aufnahmen für den Lüneburger Altertums­verein, so fotografierte er auch am 18. April 1861 die im Abbruch befindliche Lambertikirche — ein wichtiges Dokument für die Nachwelt.

Mit der Gründung weiterer Ateliers fand die Fotografie einen festen Platz in Lüneburg und brachte auch einige Fotokünstler und -künstlerinnen hervor, die sich bei zahlreichen Fotoausstellungen einen Namen machten. Eine von ihnen war Ursula Hutt, die nach ihrem Studienaufenthalt in Irland mit ihren außergewöhnlichen Fotoreportagen als freischaffende Fotografin im In- und Ausland einige Bekanntheit erlangte. Seit 2005 realisiert sie u. a. eigene Kunstprojekte in Berlin.
Zu jenen, die Beachtung erfuhren, zählt auch Jens Rufenach, der 1992 mit Michael Schindel die „FAN“-Agentur der Fotografen und später die „FINE PRINTS“ in Hamburg gründete. Für seine Arbeit erhielt er zahlreiche Preise.
Eine ausführliche Dokumentation über die Fotogeschichte der Stadt Lüneburg hat der ehemalige Polizeifotograf und freie Mitarbeiter bei der hiesigen Presse, Karl-Eckhard Gieseking, verfasst. In seinem Privatarchiv sind sämtliche Namen, Daten und Lebensläufe der Fotografen bis in die heutige Zeit alphabetisch aufgezeichnet, die seit dem ersten Erscheinen des Daguerreotypisten in Lüne­burg kurz- oder auch längerfristig wirkten. Daraus erwuchs auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Lüneburger Kameramann und Fotografen Joachim Boldt, der sämtliche Lüneburger Fotografen samt ihren Ateliers und Wohnungen bildlich zusammentrug.
Heute, im Zeitalter der Digitalfotografie und der Selfie-Manie, denkt kaum noch jemand über die Anfänge vor rund 180 Jahren nach. Als die reisenden Daguerreotypisten noch ihre zentnerschwere Ausrüstung schleppen mussten, um mithilfe höchst gesundheitsschädlicher Chemikalien ein Bild auf die schweren, unhandlichen Platten zu bannen. Die Faszination der abgelichteten Motive jedoch bleibt – denn noch immer sagt ein Bild mehr als tausend Worte.(ilg)

Fotos: Enno Friedrich, Sammlung Hajo Boldt

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