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Frisch vom Baum

geschrieben von Marietta Hülsmann (mh) im Oktober 2016

Erhalt der alten Sortenvielfalt: Am 8. Oktober lädt der Verein Lüneburger Streuobstwiesen e.V. von 11.00 bis 17.00 Uhr zum großen Apfelfest „Am Schildstein“ ein

Steve Jobs, Mitbegründer der Computerfirma Apple, hatte anscheinend ein Herz für Äpfel. Auch Jef Raskin, Chefentwickler dieses Unternehmens, liebte eine bestimmte süß-säuerliche Apfelsorte heiß und innig, so dass der Name ihres ersten Personal-Computers schnell gefunden war: McIntosh. Auch Olaf Anderßon, Vorsitzender des „Lüneburger Streuobstwiesen e. V.“, kann sich heute an ebendieser Sorte erfreuen wie einst die beiden Apple-Mitarbeiter. Der Biologe hat sich einen Zweig jenes McIntosh-Baumes aus Amerika mitbringen lassen, um mit ihm ein anderes Apfelgewächs zu veredeln: Dazu wird der Trieb auf eine Schnitt­stelle des Wirtsbaumes gepfropft. Beide sollen dann miteinander verwachsen. Zwar kann man ­Apfelbäume aus Kernen ziehen, doch die Nachkommen gleichen selten den Eltern. „Das funktio­niert nur durch ungeschlechtliche Vermehrung“, erklärt Anderßon.
Diese jahrhundertealte Tradition möchte der Verein am Samstag, 8. Oktober, auch der Öffentlichkeit näher bringen. Zwischen 11.00 und 17.00 Uhr gibt es in der Kleingartenanlage „Am Schildstein“ Informationen rund um Apfel und anderes Obst. Zu Gast sind Pomologen, also Apfelexperten, Saft­hersteller und Gartenprofis. Alles dreht sich an diesem Tag insbesondere um die alten Kultur­obst-
sorten, für deren Erhalt sich der Verein stark macht.
Längst geht es dabei nicht nur um die Freude am Gärtnern. „Denken Sie einmal an den Klimawandel. Wir wissen doch gar nicht, welche Obstsorten besonders robust gegen die Temperaturschwankungen sind. Deshalb sollten wir diesen Schatz besser erhalten“, erläutert Anderßon. Plantagen-Äpfel, wie sie der Verbraucher im Supermarkt kauft, seien oft alles andere als resistent gegen Umwelteinflüsse und Schädlinge: „Die Äpfel sind schließlich gespritzt.“ Ganz anders die alten Obstsorten: Sie entstanden bereits vor 100 oder auch 200 Jahren, „und da gab es eben noch keine Pestizide“, er­läutert Anderßon, statt dessen aber bis zu 5.000 Apfelsorten in ganz Europa. Heute seien es vielleicht noch 60 im kommerziellen Anbau, im Super­markt noch weniger. Für Anderßon ein klarer Nachteil: „Es gibt unter den alten Sorten sogar Äpfel, die von Allergikern gut vertragen werden“.

Fotos: Enno Friedrich

„Jakob Lebel“, „Agathe von Klanxbüll“ und der „Altländer Pfannkuchenapfel“ haben noch einiges mehr zu bieten: Schmeckt die eine Sorte besonders gut gebacken im Streuselkuchen mit Sahne, lässt sich die andere hervorragend einlagern und schmeckt auch noch mitten im Winter knackig-­frisch. „Anders als viele andere Obstsorten kann man Äpfel von Ende Juli bis Anfang November ernten und einlagern“, erklärt Klaus-Otto Dierßen vom Verein. Dementsprechend sind etwa 90 Prozent der Bäume auf Streuobstwiesen Apfelgewächse. Für die Tierwelt hat dies ebenfalls einen großen Vorteil, denn es bedeutet Nahrung über mehrere Monate hinweg. Fallobst schmeckt beispielsweise Schmetterlingen, Igeln und Mäusen. Die wiederum sind Nahrung für Greifvögel wie Eulen oder andere Jäger, so wird aus einer Obstwiese ein Lebensraum für zahlreiche Tiere. Doch trotz aller Liebe zur Natur: Ein wenig Kulturtechnik braucht es eben doch, um die Bäume zu veredeln und die alte Sortenvielfalt zu erhalten. Dazu bietet der Verein Kurse an, in denen Interessierte lernen, wie man Bäume richtig pflanzt und beschneidet. „In erster Linie ist es unsere Aufgabe zu informieren“, erklärt Dierßen. Doch unterhält der Verein auch einige Schau-Wiesen wie beispielsweise in der Kleingarten-Anlage Am Schildstein, wo auch ein Streuobstwiesen-Erlebnispfad eingerichtet worden ist. Am Eingang der Anlage sind Faltblätter ausgelegt, mit deren Hilfe der Besucher die alten Apfelsorten in den Schrebergärten ausmachen kann. Über 50 gibt es hier zu entdecken, darunter auch der regionale „Uelzener Rambour“. Die „Gräfin von Paris“, eine alte Birnensorte, oder Kirschen, die auf den klingenden Namen „Hedelfinger Riesen“ getauft sind, sind hier ebenfalls zu finden. Wer selbst „alte Schätze“ in seinem Garten hat, kann diese auf dem Apfelfest einem der Pomologen zur Bestimmung vorlegen, der sich an Stengellänge, Kerngehäuse oder Schalenrunzeln orientiert. Denn ganz gleich, welche Sorten mit­einander eine neue Liaison eingegangen sind: Jeder Apfel ist ein kleines, leckeres Kunstwerk der Natur.(mh)

www.streuobst-lueneburg.de

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