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Gediegene Behaglichkeit

geschrieben von Irene Lange im Oktober 2016

In den ehemaligen Handwerkerhäusern der Unteren Ohlingerstraße 2 bis 4 fanden Handwerker, Krämer und Fuhrleute ein Zuhause

Vorwiegend als Wohn- und Arbeitsstätten dienten die Häuserreihen in der Unteren ­Ohlingerstraße in Lüneburgs Altstadt. Keineswegs in ärmlichen Gebäuden lebten die meisten Handwerker, kleinere Krämer oder Fuhrleute in der spätmittelalterlichen Salzstadt. Allerdings mussten sie sich mit weniger prächtig ausgestatteten Bauten zufrieden geben, von den mit viel Wohnkomfort versehenen Patrizierhäusern konnte die Mittelschicht nur träumen. Immerhin: Die Gestaltung mit Schnitzereien, Formsteinen, Glasuren oder Friesen wurde häufig übernommen.
Nach wie vor ist dieser gewisse Wohlstand auch in den Häuserreihen der Unteren Ohlingerstraße zu sehen. Ein Beispiel für die seinerzeit typisch spätgotische Bauweise bilden die ursprünglich als „Reihenhaus“ mit jeweils drei separaten Eingängen errichteten Häuser Nr. 2 bis 4, wobei im Laufe der vielen Jahre gewisse Änderungen vorgenommen wurden. So erhielt beispielsweise das Haus Nr. 2 zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch den Zimmermeister Gudau ein zweites Obergeschoss aus Fachwerk, das historische Dachwerk wurde der Einfachheit halber — und wohl auch aus Kostengründen — wiederverwendet. Auch die Nr. 3 erfuhr insofern eine bauliche Veränderung, als die historische Backsteinfassade entfernt wurde, um eine dreiachsige Fassade mit einem Spitzbogenportal in der Mitte zu schaffen. Zusätzlich fügte man 1982 noch ein Kranerker hinzugefügt.

Ab dem 17. Jahrhundert sanken die Preise für Glas, was den Effekt hatte, dass jetzt die typischen „Utluchten“, die kleinen Erker vor den Häusern, errichtet wurden.

Heute liegt das Straßenniveau der Unteren Ohlinger­straße um etwa 1,50 m höher als in der Zeit ihrer Errichtung Anfang des 16. Jahrhunderts. Begründet ist dies vermutlich darin, dass es damals noch keine Müllabfuhr gab, ergo Schutt und Unrat unbedacht auf die Straße gekippt wurde. Zeugnis dafür ist die Tatsache, dass beim Betreten der Häuser heute eine große Stufe nach unten führt. Die Häuser­zeile wirkte einst wohl wesentlich gestreckter und beeindruckte nicht zuletzt durch seine noch heute erhaltenen schmalen und hohen Portale. Der Geist der Armut ging hier nicht um, davon zeugt auch jene alte Goldmünze, die im Haus Nr. 2 während der Restaurierungsarbeiten gefunden wurde.
Wie erwähnt, mussten sich die Bewohner zu jener Zeit dennoch deutlich bescheidener geben als die Betuchten in ihren prächtigen Renaissancehäusern. Hell brennende Wachskerzen gab es ebenso wenig wie wärmespendende große Öfen. Vielmehr sorgten rußende Kienspäne und mit Fett und Öl betriebene qualmende Lampen für spärliches Licht. Ein kleines Herdfeuer heizte nur im unmittelbaren Umfeld. Auch Glasfenster waren längst noch kein Standard. Erst ab dem 17. Jahrhundert sanken die Preise für Glas, was den Effekt hatte, dass ab ­diesem Zeitpunkt die typischen „Utluchten“, die kleinen Erker vor den Häusern, errichtet wurden, um auf diese Weise mehr Licht in Diele oder Stube zu bekommen.
Sämtliche Häuser verfügten im Eingangsbereich über große Dielen, in denen sich nicht nur das berufliche, sondern auch das häusliche Leben weitgehend abspielte. Die Stuben oder Kammern befanden sich im hinteren Teil des Hauses.
Eine gewisse Behaglichkeit durch ihre solide Bauweise vermittelt besonders die Häuserreihe 2 bis 4 in der Unteren Ohlingerstraße. Dadurch trägt sie maßgeblich dazu bei, den charmanten Charakter der westlichen ­Altstadt zu prägen. Auch damals hatte Handwerk offensichtlich schon „Goldenen Boden“.(ilg)

Fotos: Enno Friedrich

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