Magazin über das Leben in Lüneburg
Themen
Alle Themen und Artikel

Gut behütet

geschrieben von Natascha Mester im Dezember 2011

KLEINE, ALLTÄGLICHE „TRAGBARKEITEN“ NENNT DIE MODISTIN HEIKE LÖRCKS IHRE KOPFBEDECKUNGEN, DIE EBENSO ALLTAGSTAUGLICH WIE KLEIDSAM SIND

Humphrey Bogart trug ihn, Joseph Beuys verhalf er zu dessen unverwechselbaren Image, Jan Delay sorgte mit dem klassischen „Trilby“ für eine modische Renaissance und Schauspieler Johnny Depp ist kürzlich gar zum Hutträger des Jahres gekürt worden. Bei der großen Coco Chanel begann die Modernisierung der Frau nicht nur im, sondern auch auf dem Kopf, und beim königlichen Pferderennen in Ascot sind seit Jahrhunderten die Fantasievollsten zu bewundern: Die Rede ist – Sie ahnen es bereits – vom Hut, dem Kleidungsstück, das noch vor 50 Jahren quer durch alle sozialen Schichten ein unverzichtbarer Bestandteil der Garderobe war. Lange war er aus dem Straßenbild verschwunden, galt als mutig-modisches Accessoire, das die Extravaganz der Trägerin oder des Trägers zu unterstreichen wusste. Erstaunlicherweise waren es die vermeintlich modemüden Männer, die den Hut seit einigen Jahren wieder straßen- und salonfähig machten.

Anfang Oktober dieses Jahres eröffnete etwas abseits des Lüneburger Trubels in der Lüner Straße 6 – 7 die Putzmacherei von Heike Lörcks. Herrlich antiquiert mutet dieser Begriff an, gar nicht antiquiert hingegen die junge Inhaberin, diplomierte Modedesignerin und gelernte Modistin — die zeitgemäße Bezeichnung für die Zunft der Hutmacherin. Die Putzmacherei, so klärt sie auf, beinhaltet den gesamten Aufputz der Frau, mit anderen Worten: neben der Kopfbedeckung sämtliche schmückende Accessoires an der und für die Garderobe.

In ihrem Geschäft verbinden sich aufs Schönste traditionelles Handwerk und modernes Design. Stilistisch begibt sie sich auf eine Reise durch die letzten 200 Jahre und lässt Materialien und Formen ineinander fließen. Hier findet die Kundin nicht nur ausgefallenen Kopfputz, auch die klassisch Baskenmütze erfährt ein modisches Revival, mit kleinen Perlen bestickt und für den Winter ein wunderbar wärmender Begleiter, leichte Hüte für die wärmere Jahreszeit aus Stroh oder Palmblättern, Mützen aus Stoff und Filz, gestrickte und auch gehäkelte Ware – Heike Lörcks scheint ein Multitalent, wenn es um das kreative Gestalten von modischem Kopfputz geht. Was aus Ihrer Feder stammt, sind allesamt handgefertigte und doch bezahlbare Unikate, die erst dann die Erlaubnis erhalten, in den Verkauf zu gehen, wenn sie dem kritischen Blick der Urheberin standhalten und diese keine Verbesserungsmöglichkeiten mehr fi ndet. Vor allem die auf den ersten Blick schlichten Hüte sollte man genauer unter die Lupe nehmen – gerade sie verbergen Besonderheiten, die sie so reizvoll machen, ohne letztlich pompös zu wirken.

Beim Kauf von Kleidung haben wir im Laufe unseres Lebens unsere Erfahrungen sammeln können. Doch wie fi ndet man den richtigen Hut? Die Antwort scheint einfach wie einleuchtend: Man solle sich zwanglos durch die Vielfalt der unterschiedlichen Modelle, Formen und Farben hindurchprobieren. Eine Kopfbedeckung, so weiß Heike Lörcks, ist so individuell wie ihre Trägerin oder ihr Träger. Sie sollte den Typ unterstreichen, der Gesichtsform und Hautfarbe schmeicheln und darf durchaus auch ein Statement sein — nicht nur gegen die sonst so verbreitete Barköpfigkeit, sondern auch ein modisches.

Zahlreiche Arbeitsschritte sind nötig, um dem Hut seine finale Form zu geben. Drei bis vier Tage benötigt eine versierte Modistin für ein solches „Kunststück“. Das Rohmaterial ist der so genannte Stumpen, der, je nach Inspiration und Laune der Modistin, aus verschiedenen Materialien bestehen kann. Seine Erscheinungsform erinnert vage an einen unförmigen Schlapphut. Ein von Frau Lörcks häufi g verwendetes Material sind beispielsweise die hochwertigen Hasen- und Kaninchenhaarfi lze, im Gegensatz zu den einfachen Wollfi lzen unschlagbar in Verarbeitung und Langlebigkeit, wie sie erklärt. Mit heißem Wasserdampf rückt sie der Urform zuleibe, die dann, weich und schmiegsam geworden, über die Holzköpfe gezogen und in Form gebracht wird. Hitze und Feuchtigkeit machen das Material gefügig: Ein heißes Bügeleisen, Bügel kissen, feuchte Lappen und Wasser kommen zum Einsatz, wenn der Rand oder die Krempe nach und nach in kleinsten, sorgfältigen Schritten Gestalt annimmt. Mit der Maschine wird hier nichts genäht, alles geschieht in Handarbeit, selbst die Garnitur, die — ob Band oder Blüte — den letzten Schliff verleiht. Unter den Händen der Modistin entstehen so individuelle Lieblingsstücke, natürlich auch nach Maß und persönlichen Präferenzen.

TRADITIONELLES HANDWERK PAART SICH MIT MODERNEM DESIGN. DAS ERGEBNIS: HANDGEFERTIGTE UND DOCH BEZAHLBARE UNIKATE.

Wer um die Langlebigkeit seines Hutes fürchtet, darf ganz beruhigt sein. Weder Schnee noch Regenwetter können ihm etwas anhaben. Eine saubere, weiche Bürste und ein wenig Wasserdampf vom Wasserkocher reichen, damit er sich wieder wohl fühlt und seine Farben leuchten lässt. Schutz vor Druckstellen und Motten bietet die passende Hutschachtel.

Was findet die Kundin noch in dem einladenden Ladengeschäft in der Lüner Straße? Kragen, edle Schärpen, Pulswärmer, Tücher, Taschen, Schmuck und Ansteckblumen, die die Inhaberin selbstverständlich auch passend zu vorhandenen Kleidungsstücken anfertigt. Ebenfalls ein Hingucker ist der Haarschmuck — auch Fascinator genannt —, dessen Federn, an einem Haarreifen befestigt, wie eine Blüte angeordnet in Form geschnitten und gebogen werden. Es versteht sich fast von selbst, dass das federleichte Material von der gebürtigen Niederrheinerin ebenfalls handkoloriert wird. Ihrem zweiten Standbein, der Mode, räumt sie auch ein wenig Platz ein. Einige Modelle sind hier zu bewundern – inspirierende Ideengeber für Kundinnen, die sich Ähnliches auf den Leib schneidern lassen mögen.

Wer also gut behütet dem Winter ins Auge sehen möchte oder das besondere Accessoire sucht: In der Putzmacherei Loea in der Lüner Straße werden Sie sicher fündig. (nm)

Loea – Putzmacherei & Modedesign Lüner Str. 6-7 21335 Lüneburg Tel.: (04131) 99 556 31 www.loea.de Öffnungszeiten: Di – Fr 11.00 – 18.00 Uhr Sa 11.00 – 16.00 Uhr Montags geschlossen

Fotos: Enno Friedrich

Anzeige