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Plädoyer für eine Reise nach Ägypten

geschrieben im Mai 2015

Inspiriert durch einen Reisebericht erkundete der Autor kurzentschlossen zwei Wochen lang Ägyptens Hauptstadt Kairo – ein Reisebericht von Werner Gruhl

Noch nie konnte man ungestörter die einzigartigen Kulturschätze der arabischen Welt besichtigen. Nach der Revolution im Januar 2011, der Herrschaft der Muslimbrüder und dem Militärputsch 2013 ist die Tourismusindustrie Ägyptens fast gänzlich zusammengebrochen. Vermutlich meiden nicht nur die Deutschen aus Angst das Land. Eines vorweg: Ich habe mich sicher gefühlt, dennoch muss man sich auf Kontrollen vor Hotels, öffentlichen Gebäuden und Sehenswürdigkeiten einstellen; Soldaten und uniformierte Polizeikräfte sind im Stadtbild jederzeit präsent.
Kairo oder „die Starke“, wie ihr Name übersetzt heißt, zählt zu den am dichtesten besiedelten Städten der Welt, die genaue Einwohnerzahl ist nicht bekannt, doch sind es wohl weit mehr als 20 Millionen. Endlos ziehen sich die Wohnviertel bis zum Horizont. Das islamische Kairo ist das eigentliche Zentrum der Stadt – Minarette, Kuppeln, Basare und enge Gassen erinnern an Tausendundeine Nacht. Ein absolutes Muss ist Gizeh mit seinen alten Pyramiden und der Sphinx, das Ägyptische Museum und natürlich der Khan Khalili Basar. Über 42 Jahrhunderte sind sie alt, die Pyramiden von Gizeh, damit sind sie das letzte erhaltene Weltwunder aus der Antike. In weniger als 100 Jahren erbaute ein Heer von Arbeitern die drei ­Pyramidenkomplexe, die ihren Königsfamilien als Grabstätten dienen sollten. Die große Cheops-­Pyramide ist der gewaltigste Steinbau der Erde. Neun Fußballfeldern entspricht ihre Grundfläche, ursprünglich höher als der Straßburger Münster. Mit den verbauten Steinquadern wäre man in der Lage, drei Viertel des Äquators zu belegen. Die ­löwenhafte Sphinx bewacht das Gizeh Plateau. Die 20 Meter hohe und über 70 Meter lange, aus einem Fels gemeißelte riesenhafte Statue ist das älteste figürliche Monument Ägyptens, das vermutlich um 2500 v. Chr. Erbaut wurde.

Das Ägyptische Museum liegt am zentralen Midan Tahrir Platz, Kairos Verkehrsstaufalle Nummer eins. Heutzutage fährt hier niemand entlang, ohne an das Jahr 2011 zu denken, an die Revolution und die sogenannten „Tage des ägyptischen Frühlings“. Dies war der Ort, von dem aus das Regime Mubarak bezwungen wurde. Der Museumsbau liegt an der Nordseite des Midan Tahrir. Den Besucher erwartet dort eine Sammlung von Statuen, Sarkophagen, Fragmenten und Beigaben aus Gräbern und Tempeln. Die Totenmaske Tutanchamuns und die beiden Gold- und Holzsarkophage machen den Saal Nummer vier wohl zu dem bekanntesten des Museums. Da die Kennzeichnungen der Exponate aus meiner Sicht oft nur unzureichend sind, kann es sich durchaus lohnen, die Dienste eines Führers in Anspruch zu nehmen.
Der Khan Khalili ist einer der größten Basare im Mittleren Osten. Ein unüberschaubares Gewirr von verwinkelten Gassen, mit Hunderten von Läden, Werkstätten und Kaffeehäusern. In diesem Labyrinth, das die Flanierenden mit seiner Überdachung aus Segeltuch vor der Hitze schützt, kann der Besucher noch traditionelles ägyptisches Handwerk entdecken. Die Färber, Holzschnitzer und Schneider arbeiten in offenen Ladenwerkstätten, während die Düfte aus dem Basar herüberwehen. Mit seinen Ständen, die reich mit Goldschmuck und Souvenirs bestückt sind, erinnert er an Aladins Räuberhöhle.
Neben den genannten Highlights sollte man sich ruhig noch ein Weilchen auf touristischen Pfaden bewegen, denn die Sehenswürdigkeiten sind allesamt einen Besuch wert. Dazu zählen auch die großen und kleineren Moscheen, die man außerhalb der Gebetszeiten betreten darf. Darauf zu achten ist nur, beim Betreten die Schuhe auszuziehen. Eine der schönsten Moscheen Ägyptens ist die Mohammed Ali Moschee als Teil der Zitadelle. 1823 erbaut, ist sie, mit einer riesigen Kuppel versehen und ihren beiden 80 Meter hohen Minaretten, eines der weithin sichtbaren Wahrzeichen Kairos. Die Zitadelle selbst wurde als Trutzburg gegen die Kreuzfahrer gebaut. Heute sind hier unter Anderem das Kriegs-, Polizei- und Kutschenmuseum untergebracht. Wer die Zitadelle erklimmt, hat einen weiten Blick über die Minarette und Kuppeln der Stadt. Dann wäre da noch der so genannte Cairo Tower, den ich Ihnen ans Herz legen möchte. 187 m hoch, bietet er von seiner Aussichtsplattform einen grandiosen Blick über die Stadt. Bei guter Sicht erhascht man sogar einen Blick auf die rund 20 km entfernten Pyramiden.

Zu den Dingen, die man in Kairo gesehen haben sollte, zählt übrigens auch das koptische Viertel — heute heißt es Alt-Kairo — das älter ist, als der islamische Stadtkern und von den orthodoxen Christen, den Kopten, bewohnt wird. Einige der schönsten Kirchen Ägyptens stehen hier, teilweise tief in den Boden eingesunken.
Doch ganz gleich wohin einen die verschlungenen Pfade führen: Wann immer es geht, sollte man die Stadt zu Fuß erkunden. Es lohnt sich, die kleinen Besonderheiten in den engen Gassen zu entdecken und den Menschen und ihren Lebensgewohnheiten zu begegnen. Ein großer Teil der Bevölkerung spricht recht passabel Englisch, so dass man problemlos das Gespräch suchen kann. Auffällig ist ihre Freundlichkeit und Höflichkeit gegenüber Fremden. Garküchen, Handwerksbuden, Fleisch-, Fisch-, Gemüse- und Verkaufsstände aller Art nehmen hier die Bürgersteige in Beschlag. Durch die Straßen und Gassen quält sich der Verkehr, nicht nur Autos und Zweiräder sondern auch Pferde- und Eselskarren prägen das Straßenbild. Der Verfall der Stadt und die Armut der Menschen ist überall sichtbar. Noch nie wurde mir so deutlich vor Augen geführt, in welchem Wohlstand wir leben.

Bei einer Stadtfläche von 214 Quadratkilometern ist es manchmal doch vonnöten, auf ein Vehikel zurückzugreifen, dass einen durch den dichten Verkehr der Stadt navigiert. Taxifahren ist recht billig und eignet sich gut, um das geplante Besich­tigungsprogramm „abzuarbeiten“. Doch sollte man sich vor Fahrtantritt im Hotel über die gängigen Preise erkundigen und diese mit dem Fahrer verbindlich aushandeln. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass man am Ende der Fahrt dem Fahrer den abgezählten Betrag überreicht, ohne sich auf eine Preisdiskussion einzulassen – denn im Feilschen sind uns Kairos Bewohner definitiv haushoch überlegen.
Wer eine Reise in die arabische Stadt am Nil plant, sollte dafür mindestens acht Tage reservieren. Ich selbst war insgesamt zwei Wochen dort, wobei ich dieser Zeit eine fünftägige Tour in die faszinierende Stadt Alexandria unternahm – eine Reise zur „Perle am Mittelmeer“, über die ich in einer der nächsten Ausgaben berichten werde.

Foto: Werner Gruhl

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