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3. Mai 1945

geschrieben von Dr. phil. Rainer Sabelleck im Mai 2012

Rettung der Hansestadt Hamburg in Lüneburg-Häcklingen

Kaum noch etwas erinnert an die über 100-
­jährige Geschichte, wenn man sich heute das traditionreiche „Waldhaus Häcklingen“ am Wischfeld 16 im Lüneburger Stadtteil Häcklingen anschaut. Dabei hat es Geschichte geschrieben, die für Hamburg und Nordwestdeutschland und schließlich für Europa von großer Bedeutung war und bis heute geblieben ist.
Seit dem 20. April residierte die britische Militärführung in dem Haus Am Wischfeld 16. Lieutenant-General Sir Miles Dempsey führte ab April 1945 als Army Commander hier sein Tactical Headquarters 2nd Army, das Hauptquartier der einzigen ­britischen Armee in Nordwesteuropa.
Nach aufwändigen Forschungsarbeiten, die sich über fünf Jahre in deutschen und vor allem in führenden britischen Archiven und Museen hinzogen, liegen nunmehr wertvolle Quellen der verschiedensten Art vor, die einen genauen Einblick in das Geschehen ermöglichen. Dank präziser Aufzeichnungen des Verbindungsoffiziers zur Marine und Teilnehmers der Kapitulationsverhandlung, Commodore Hugh T. England, lässt sich der Ablauf der Verhandlung genau rekonstruieren; seine Darstellung und seine Einschätzung der Kapitulations­verhandlung werden ausdrücklich in den Aufzeichnungen der 2nd Army und in der Autobiographie von General Pyman (Chief of Staff 2nd Army) als korrekte Wiedergabe ausdrücklich bestätigt.
Anfang Mai kam es zu kurz nacheinander zu mehreren Kapitulationsgesprächen: Als General Miles Dempsey vom Kommandeur des XII. Corps informiert wurde, dass der Kampfkommandant von Hamburg zur Aufgabe am 3. Mai 1945 bereit sei, bestellte Sir Miles diesen für den nächsten Vormittag in sein Hauptquartier in Häcklingen ein. Die Voraussetzungen für eine abschließende erfolgreiche Verhandlung waren erfüllt; Offiziere der britischen 2nd Army und Unterhändler von General Wolz hatten bis dahin an verschiedenen Orten unter Lebensgefahr bereits in Vorgesprächen mündlich Ergebnisse erzielt.
Am 3. Mai 1945 fuhren zwei Militärdelegationen (von Friedeburg/Wolz) vor dem Waldhaus Häcklingen auf dem Gelände des Tactical Headquarters 2nd Army (Waldhaus Häcklingen) vor. Unmittelbar danach traf Sir Miles Dempsey mit General-Admiral von Friedeburg im Rittersaal zusammen. Sir Miles machte ihm deutlich, dass er nicht befugt sei, mit ihm zu verhandeln. Deshalb werde er ihn zum Oberkommandierenden der 21st Army Group (= Field Marshal Sir Bernard L. Montgomery) weiterleiten.
Im Anschluss an dieses Gespräch ließ sich General Sir Miles Dempsey in der Villa den Hamburger Kampfkommandanten Generalmajor Alwin Wolz und seinen Adjutanten vorführen. In seinem nur kurze Zeit später entstandenen Bericht über die Übergabe Hamburgs machte General Wolz deutlich, dass er spätestens nach dem Erhalt eines Briefes von Major-General Lyne fest entschlossen war, Hamburg den Engländern kampflos zu überlassen. Dabei habe er sich daran erinnert, was nur Tage vorher der Hansestadt Bremen geschehen sei. Die Weserstadt war schwersten Angriffen der Alliierten ausgesetzt gewesen und dann von ihnen am 28. April 1945 eingenommen worden.

Im Fall von Hamburg zog nur Stunden nach der Kapitulation Hamburgs in der Häcklinger Villa am Nachmittag das XII. Korps (7th Armoured Division) in Hamburg ein. Der Kampfkommandant der Stadt, Generalmajor Wolz, gelangte gerade noch recht­zeitig in die Innenstadt, bevor die britischen Streitkräfte Hamburg besetzten. Ihm blieben aber immer noch die Zeit und die Möglichkeit, letzte Befehle über den Rundfunk zu verbreiten. Der Einmarsch der britischen Truppen in die Stadt verlief problemlos, vor dem Portal des Hamburger Rathauses übergab General Wolz um 18.25 Uhr die Stadt.
Mit der Unterzeichung der Kapitulationsurkunde durch Generalmajor Wolz ging vom Hauptquartier der 2nd British Army am Nachmittag des 3. Mai, also genau einen Tag vor der Kapitulation auf dem Timeloberg, der Frieden aus – für Hamburg und für die ganze Umgebung der Stadt und des größten Hafens. Wie hoch die Kapitulation Hamburgs in der ausländischen Presse bewertet wurde, zeigen die Schlagzeilen in amerikanischen Zeitungen: „The Evening Bulletin“ in Philadelphia deutete bereits in der Abendausgabe am 3. Mai 1945 die friedliche Aufgabe Hamburgs als Zeichen für das nahende Ende des Krieges: „Hamburg gives up, British Enter Port; Nazis declare Prague a ,Hospital City‘. New Linkup Splits North Reich into Several Pockets.“

Das Interesse an dem Geschehen im „Waldhaus Häcklingen“ ist in den letzten fünf Jahren in Deutschland und Großbritannien stark gestiegen: Im Jahr 2010 weilte anlässlich der Erinnerung an die Kapitulationen am 3./4. Mai 1945 eine Reisegruppe der „British Legion“, die aus Veteranen und Hinterbliebenen bestand, auf dem Gelände der Villa. Die Teilnehmer äußerten ihren Wunsch, dass dieses Haus für immer ein „monument“ bleiben möge. Zugleich erklärten sie sich enttäuscht über den Zustand des ehemaligen Hauptquartiers der 2. Britischen Armee (TAC HQ 2nd Army) unter Führung von General Sir Miles Dempsey und ­sprachen sich für die Erhaltung des Hauses aus. Internationale Aufmerksamkeit erweckte das Haus in einer Ausstellung in London, die das „German Historical Institute London“ am Bloomsbury Square ermöglichte (2010/2011). Mehr als 600 Menschen unterschrieben in Lüneburg bisher eine Petition, die sich an die Königliche Familie Großbritanniens, an die Niedersächs­ische Landesregierung und an das Parlament des Landes Nieder­sachsen mit der Bitte richtet, dieses Haus und Grundstück als Dokumentationsstätte für die Allgemeinheit zu erhalten.
Fotos: Sammlung Hajo Boldt

Veranstaltungstipp:
Lüneburg Capitulation — May 4th 1945
Dokumentationszentrum Waldhaus Häcklingen

3. Mai 2012, 19.00 Uhr:
Gedenkveranstaltung: „Zur Erinnerung
an die ­Rettung der Hansestadt Hamburg am
3. Mai 1945“, Wassermühle Heiligenthal

25. Juni – 06. Juli 2012:
„Der Zerstörung entronnen.“ – Ausstellung im Gedenken an die Rettung der Hansestadt Hamburg in Lüneburg-Häcklingen in der Handwerkskammer, Friedensstraße

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