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„Six feet under“ Lüneburger Grabsteingeschichten

geschrieben von Irene Lange im Oktober 2016

Der „Alte“ vom Bockelsberg: Statt seinen Ruhestand zu genießen, gründete der Königliche Oberförster Hermann Busse einen Verein zur Verschönerung der Lüneburger Landschaften

Es ist kaum vorstellbar, dass die Bockelsberg-Anlagen noch vor rund 120 Jahren ein trostloses, sandiges Gebiet waren. Statt blühender Landschaften gediehen dort lediglich einige armselige Kiefern. Weshalb ausgerechnet das Ufergebiet der Ilmenau ein solches Ödland war, will eine alte Sage erklären: Einst verfolgte der Riese Bockel ein Reh. Er konnte es jedoch nicht erwischen, da er, der große Tolpatsch, einerseits nicht schnell genug war und ihn andererseits seine Siebenmeilenstiefel daran hinderten. Kurz, das Reh entwischte ihm und sprang schließlich in seiner Angst über die Ilmenau. Bockel wollte ihm nachsetzen, doch waren seine Stiefel zu schwer, denn sie hatten sich, so die Mär, während seiner Wanderungen in der Lüneburger Heide mit Sand gefüllt. Also setzte er sich hin und schüttete sie aus. Das Ergebnis war ein Sandberg von stattlicher ­Größe, der Bockelsberg.

der den Spaziergänger entlang der Ilmenau führt, gestaltet sich heute äußerst abwechslungsreich. Dass aus der tristen Landschaft ein reizvolles Nah­erholungsgebietes mit reichem Baumbestand wurde, ist in erster Linie einem Mann zu verdanken, der seinen Ruhestand in Lüneburg verbringen wollte: Hermann Busse, der Königliche Ober­förster a. D. Geboren wurde dieser am 29. April 1828 in Egestorf am Deister. In fünfter Generation war er als Königlich Hannoverscher, später Preußischer Oberförster tätig, zuletzt in Rosengarten bei Harburg. Doch bereits mit 53 Jahren ließ er sich in den Ruhestand versetzen und kam 1881 nach Lüneburg, wo eine seiner Töchter mit dem Stadt­archivar Professor Dr. Wilhelm Reinecke verheiratet war. Beide Familien wohnten nun gemeinsam in der Wandrahmstraße 15.
Statt sich jedoch zur Ruhe zu setzen, gründete er einen Verschönerungsverein, schließlich hatte er bereits erkannt, welche Möglichkeiten sich in der schönen Natur rund um Lüneburg ergaben — auch in der noch öden Hügellandschaft am Bockelsberg. Für seine Idee, hier eine Park- und Ruheland­schaft zu erschaffen, fand er schnell einflussreiche Mitstreiter: Oberlehrer und Stadtbibliothekar Wilhelm Görges, Kaufmann Jean Hagelberg, Senator Gottfried Wilhelm Leppien, Stadtbaumeister August Maske sowie den Oberlehrer Steinvorth.

Gedacht, getan. Schon vier Tage nach der Gründungsversammlung des Verschönungs­vereins ging von diesem ein Schreiben an den „hoch­löblichen Magistrat der Stadt Lüneburg“ mit einer ausführlichen Planung vorgesehener Maßnahmen zur ­Umgestaltung und Verschönerung des Bockels­berg-­Geländes. Da man den Stadtbaumeister mit im Boot hatte, der zuvor seine Zustimmung zu den Plänen gegeben hatte, wurde unverzüglich mit deren Umsetzung begonnen. Schon nach kurzer Zeit zählte der noch junge Verein rund 400 Mitglieder. Ein großer Bazar im Jahre 1893 im Fürsten­saal des Rathauses brachte 8.000 Mark. Mit dieser Summe konnte man zielbewusst damit beginnen, die Sandwüste an der Ilmenau zu ver­wandeln. Fischteiche entstanden, es wurde eine Fischer- und Schutzhütte errichtet, danach folgte der Bau der Teufelsbrücke über die Ilmenau, und es wurde kräftig aufgeforstet. Bei der Umsetzung legte „der Alte vom Bockelsberg“, wie Professor Dr. Reinhardt seinen Schwiegervater liebevoll nannte, 14 Jahre lang selbst kräftig Hand an.
Jeden Tag habe er den Baum- und Strauchbestand liebevoll gehegt und gepflegt. Es heißt, dass er während dieser Arbeit an einem Frühjahrsmorgen, an dem ein rauer Ostwind wehte, „seinen Todeskeim mit heimnahm“. Er verstarb am 14. März 1901.

Sein Werk und sein Engagement wurden bereits 1903 von den Lüneburger Bürgern gewürdigt, indem man einen Gedenkstein mit seinem Bronzerelief an der Ilmenau errichtete. In den 20er-Jahren stahlen Diebe die Tafel, die am 29. April 1928, seinem 100. Geburtstag, durch eine auch heute noch vorhandene Bronzeplatte mit der Inschrift „Dem Andenken des Oberförsters Hermann Busse“ ersetzt wurde. Auf dem Zentralfriedhof ruht er unter einem schlichten Grabmal an der Seite seiner Ehefrau Emilie, die ihm stets tatkräftig zur Seite stand. Der von ihm gegründete Verschönerungsverein löste sich nach dem Krieg 1947 endgültig auf.(ilg)


Fotos: Enno Friedrich, Sammlung Hajo Boldt, Stadtarchiv der Hansestadt Lüneburg

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