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„Six feet under“ II

geschrieben von Irene Lange im September 2016

Lüneburger Grabsteingeschichten

Sie dienen der Erinnerung an Verstorbene, sind Zeugnisse längst vergangener Zeiten und Kunstepochen: Unsere Reihe „Six feet under“ ist den Grabsteinen und ihren Inschriften auf Lüneburgs sieben Fried- höfen gewidmet, die mitunter von einem ereignisvollen Leben erzählen

Der Besuch eines Friedhofs hat für die meis­ten von uns rein gar nichts Beängstigendes. Vielmehr wird dieser Ort als eine würdige Stätte empfunden um innezuhalten und vielleicht auch über das Leben und seine Endlichkeit zu sinnieren. Die Grabmäler der Verstorbenen auf dem Lüneburger Zentralfriedhof zeugen davon, dass so manche zu ihren Lebzeiten bedeutende Persönlichkeit letztendlich dort landete, wohin wir alle eines Tages gehen werden.

Otto Lauenstein – einst Lüneburgs Oberbürgermeister

Einer, der zu seiner Zeit in der Stadt eine maßgebliche Rolle spielte, war Otto Lauenstein, von 1880 bis 1902 Oberbürgermeister von Lüneburg. Ge­boren wurde er 1829 in Aerzen im Weserbergland. Dort wuchs er auf, besuchte von 1843 bis 1846 das Gymnasium in Holzminden und trat anschließend das Studium der Rechtswissenschaften in Göttingen an. Nach erfolgreichen Studienjahren begann seine Laufbahn als Advokat in Lüneburg, damals eine Basis für eine politische Tätigkeit in der Kommunal­verwaltung. Bereits 1854 wurde der erst 25-­Jährige in die Zweite Hannoversche Kammer als Vertreter der Stadt Lüneburg gewählt, die bereits ein Jahr später wieder aufgelöst wurde. Nach längerem Bemühen gelang es ihm schließlich, ab 1863 zum Obergerichtsanwalt ernannt zu werden. Zuvor war er jedoch ab 1858 von der Bürgerschaft zum Bürgervorsteher, später zum Wortführer gewählt worden. 1865 wurde er von den städtischen Kollegien zum Syndikus der Stadt ernannt.
Doch war Lauenstein darüber hinaus auf vielen Gebieten ein überaus engagierter Zeitgenosse, so auch als Mitbegründer des hannoverschen Städtevereins. Auch betätigte er sich als Korrespondent beim national-liberalen Hannoverschen Courier, einer in Hannover seit Mitte des 19. Jahrhunderts herausgegebenen Zeitung, die bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges herausgegeben wurde. Neben seinen vielfältigen politischen Tätigkeiten — auch als Mitglied des preußischen Abgeordneten­hauses, dem er 18 Jahre lang angehörte — wurde er 1880 zum Oberbürgermeister von Lüneburg gewählt und gleichzeitig Mitglied des Hannoverschen Provinzial­landtages und der Lüneburgischen Land­schaft.

Otto Lauenstein spielte zu seiner Zeit eine maßgebliche Rolle

Noch heute gibt es Zeugnisse seines regen Schaffens. Um nur einige Beispiele zu nennen: Neue Baugebiete wurden ausgewiesen, der Neubau des Johanneums in der Haagestraße fiel in seine Amtszeit, wie auch der Bau der MTV-Turnhalle an der Lindenstraße, der Mittelschule am Graalwall (heute City-Parkhaus) sowie des Museums an der Wandrahmstraße. Zudem setzte sich Lauenstein auf dem Gebiet des Schul- und Kirchenwesens ein. Nachdrücklich vertrat er seine Überzeugungen hinsichtlich der den Städten zustehenden Rechte gegenüber den zunehmenden Ansprüchen des Staates, wobei dem Schulwesen seine besondere Aufmerksamkeit galt. So fällt in seine Amtszeit die Umwandlung der dreiklassigen Realschule in ein Realgymnasium sowie die private Töchterschule in eine städtische höhere Mädchenschule.
Auch den für die Landeskirche und damit für viele andere Kirchengemeinden günstigen Ausgang eines Rechtsstreits mit der Königlichen Klosterkammer Hannover ist Lauenstein zu verdanken. Vor allem dem Vereinswesen der Stadt hat er sich bereits in jüngeren Jahren gewidmet, indem er deren Interessen förderte und verschiedene Ämter übernahm, so z. B. den Vorsitz des Bildungsvereins für Arbeiter oder als Vorsitzender des Verwaltungsausschusses der Schützengesellschaft.
In seinem Privatleben war Lauenstein seit 1855 mit Friedrike Dorothee Antonie Ottilie Illing verheiratet. Aus der Ehe gingen fünf Töchter und ein Sohn hervor, der im 1. Weltkrieg 1916 als Führer des 24. Reservekorps fiel und, wie auch später er selbst, auf dem Lüneburger Zentralfriedhof seine letzte Ruhe fand.

Gestorben am am 24. Februar 1902 während einer Aufsichtsratssitzung

Als Otto Lauenstein am 18. April 1865 in sein städtisches Amt als Syndikus eingeführt wurde, erklärte er: „Dem Vielregieren abhold, werde ich die Durchführung der Selbstverwaltung nach unten und oben anstreben. Ausgehend von dem Prinzipe, dass es uns mehr frommt, wohlhabende Bürger als ein großes Kämmerei-Vermögen zu haben, werde ich kein Opfer scheuen, welches zur Hebung des Verkehrs und der Verkehrsanstalten notwendig ist.“ (Zitat Lüneburgschen Anzeigen 1894)
In seinem Wirken für die Stadt Lüneburg hat er sich an dieses Versprechen bis zu seinem Tod am 24. Februar 1902 gehalten, der ihn während einer Aufsichtsratssitzung des Lüneburger Eisenwerks ereilte. Bis zuletzt galt sein größtes Interesse den Optimierungen in der städtischen Verwaltung und den Förderungen kommunaler Angelegenheiten.(ilg)
Foto: Museum Lüneburg, Fotos: Irene Lange, Enno Friedrich

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