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Mit Sally, Bilbo und Frodo im Seniorenheim

geschrieben von Irene Lange im April 2015

Therapiestunde mit einem Hund und zwei Mini-Shetlands: Tiere sind hervorragende Therapeuten, davon ist Demenzbegleiterin Tanja Franke überzeugt

Es kann vorkommen, dass ein Besucher im „Bella-Vita-Seniorenheim“ in Kirchgeller­sen an eine Halluzination glaubt. Dort nämlich begegnen ihm im wahrsten Wortsinn nicht nur ein sondern gleich zwei Pferde auf dem Flur oder im Fahrstuhl! Auch die Nachtschwester der Einrichtung dachte zunächst an Fantasiegeschichten der Bewohner, als diese ihr von dem Pferdebesuch erzählten. Tatsächlich sind es weder Wahnvorstellungen, auf die diese seltsamen Begegnungen zurückzuführen sind, noch eine abstruse Fata Morgana. Es ist Tanja Franke, die einmal wöchentlich in dem Seniorenheim zu Besuch ist und nicht nur von Golden-­Retriever-Hündin Sally begleitet wird, sondern auch von den zwei Mini-Shetlandpony-­Hengsten Bilbo und Frodo.
Die 42-jährige Mutter von zwei Kindern aus Lüneburg ist gelernte Arzthelferin, hat sich zusätzlich zur Demenzbegleiterin ausbilden lassen und ist im Seniorenheim in Kirchgellersen tätig. Seit nunmehr drei Jahren besucht sie mit der inzwischen achtjährigen Hündin Sally die zumeist demenzkranken und teilweise bettlägerigen Bewohner. Die Idee, die Senioren mit einem Besuchs- bzw. Therapiehund zu besuchen, hatte Tanja Franke vor drei Jahren. Durch Zufall erfuhr sie von Sally, einem ausgebildeten Therapiehund, der nach der Scheidung seiner Besitzer ein neues Zuhause suchte. Sie zögerte nicht lange und nahm das Tier auf.
Die Ponys fand sie unter unwürdigen Bedingungen in einem dunklen Stall. Angebliche Tierschützer hatten sie aus dem Schlachttransport befreit, um sie dann in viel zu engen Boxen einzupferchen. Eigentlich wollte Tanja Franke Schafe retten, befreite dann jedoch die Ponys aus ihrer misslichen Lage. Nun bereiten die gutmütigen, sozialen und ruhigen Tiere durch ihre Anwesenheit den alten Menschen Freude. Die Überraschung war zunächst groß, als sie mit den beiden Miniatur-Pferde, die gerade einmal eine Höhe von 80 cm erreichen, in der Einrichtung auftauchte. Inzwischen sorgen die Besuchstage immer wieder für freudige Aufregung.
„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Wirkung der Tiere auf die Bewohner eine ganz besondere ist. Da sind wir abgeschrieben“, lächelt Tanja Franke und nennt als Beispiel eine Frau, die seit Jahren kein Wort mehr sprach. Als das Pony das erste Mal zu ihr an das Bett kam, hob sie ihre Hände, um dessen Kopf zu streicheln und sprach ganz plötzlich ihren ersten Satz. Auch wenn ­Sally kommt, leuchten die Augen der alten Menschen, während sie den Hund streicheln. „Zu Beginn, als Sally die Bewohner noch nicht kannte, war sie noch etwas schüchtern“, erinnert sich die Demenzbegleiterin. Aber inzwischen sei sie mit allen vertraut. Den Senioren bereitet der Besuch der Tiere immer wieder Freude. Durch die An­wesenheit des Hundes – und inzwischen auch der Ponys – können sich Verkrampfungen lösen, die sich zum Teil über Jahre aufgebaut haben. Die Menschen erfahren eine sichtbare Entspannung und zeigen dies mit einem Lächeln. Auch ist erwiesen, dass nicht nur das Gedächtnis und das Sprachzentrum, sondern auch die Feinmotorik trainiert werden. Kurz und gut: die meisten Bewohner können den Besuch von Sally, Bilbo und Frodo kaum erwarten, womit wieder einmal bewiesen wäre, dass Tiere imstande sind, Menschen ein Stück Lebensfreude und -qualität zurück­zugeben.

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