Magazin über das Leben in Lüneburg
Themen
Alle Themen und Artikel

Webkunst in historischen Mauern

geschrieben von Viktoria Manzke im Juni 2014

Edles aus Leinen, Wolle und Seide – wer sich für die alte Webkunst begeistern kann, taucht im ehemaligen Betsaal des Klosters Lüne in eine einzigartige Welt ein. Auf acht Webstühlen entstehen hier feine Tischwäsche und Paramente für Kirchen in ganz Niedersachsen

Seit 2005 ist es uns mit Hilfe der Heinz-Friedrich-Meyer-Stiftung gelungen, die Tradition der Handweberei im Kloster Lüne wieder aufleben zu lassen“, erzählt Gerda Thost, Webmeisterin und eine von vier Weberinnen, die in den historischen Mauern der Lüner Klosteranlage moderne Webkunst erschaffen und altes Handwerk lebendig erhalten. Der Dahlenburger Heinz-Friedrich Meyer gründete 1998 die Stiftung zur Förderung und zum Erhalt des Webhandwerks und der Webkunst und zeigte selbst viele Jahre im Kloster Lüne, wie in feinsten Geweben Kunst und Handwerk ineinanderfließen. Der edle Damast gilt dabei als Königsdisziplin in der Weberei, denn aufgrund der aufwendigen Webtechnik und der großen Zugbelastung auf die Kettfäden werden Damaste nur mit sehr hochwertigen glatten und glänzenden Materialien hergestellt. Dies waren früher vor allem Seide und Leinen. Daraus wird bis heute in einer Technik, bei der sich kett- und schussseitige Partien abwechseln, Gewebe mit figür­lichen Mustern aller Art hergestellt und von den Besitzern mit Liebe gehütet – seien es die Tisch­decken für Festtage oder aber noch Aussteuerteile der Urgroßmutter aus vergangenen Tagen.
„Wir haben viele Besucher, die sich für diese wunderschönen Materialien begeistern“, erzählt Gerda Thost, „anders aber als unsere Großmütter wissen sie heute oft nicht mehr sachgerecht damit umzugehen.“ Leinen ist eine brüchige Faser, die erst durch stundenlanges Quellen verträgt gebogen zu werden. Wurde die Wäsche früher gekocht, blieb sie oft lange im Wasser liegen und wurde allenfalls ein wenig gerührt und gewendet – heute dagegen entscheidet man sich oft für einen Maschinengang. Die Folge: Die Fasern brechen, der Stoff knickt und man wundert sich, warum das Leinenkleid einfach nicht mehr glatt zu bügeln ist. Weicht man es dagegen 24 Stunden vor der Wäsche ein, hat man noch lange Freude an dem Kleidungsstück“, weiß die versierte Fachfrau.
„Man muss das Material verstehen und lieben, dann ist die Freude am Handwerk am größten“, lächelt sie. Das Wissen um die Handweberei geben sie und ihre drei Kolleginnen Helga Edler, Ulrike Söhl und Monika Sürie in Webkursen an Anfänger und Fortgeschrittene weiter. In Wochenendkursen lernen die Teilnehmer viel über alle wichtigen Arbeitsschritte wie Gewebeplanung, Bäumen und Scheren, bevor es an den eingerichteten Webstuhl geht. „Einem Unkundigen ist natürlich nicht klar, wie viel Vorlauf man braucht, um losweben zu können“, sagt Gerda Thost; „um einen unserer großen Webstühle hier einzurichten, braucht es etwa 14 Arbeitsstunden – das Weben selbst geht dann recht flott.“

Aufträge für die so genannten Paramente, die im Kirchenraum und in der Liturgie verwendeten Textilien, hat die Werkstatt im Kloster Lüne aus ganz Niedersachsen.

Der Lohn für all die Stunden der Vorarbeit: Nun sind verschiedene Stücke möglich, die in Abschnitten gewebt und erst am Ende voneinander getrennt werden. „Wenn ich einen Schal oder eine Decke fertig gestellt habe, beginne ich gleich mit dem nächsten Stück und schneide es nur bei Bedarf heraus“, erklärt die Webmeisterin. An den Wänden der Werkstatt, auf Regalen und den Webstühlen selbst liegen in warmen Farben leuchtende Wolldecken aus, Geschenke Suchende finden auch feine Kaschmir­schals und Tischläufer aus glattem, edel schimmerndem Leinen. „Wenn wir vier unseren jährlichen Großeinkauf an Material machen, geraten wir leicht in einen Kaufrausch“, schwärmt Gerda Thost von den edlen Naturmaterialien, aus denen die vier Weberinnen Alltagsdinge, aber auch Kirchenbedarf weben. Die sogenannten Paramente sind die im Kirchenraum und in der Liturgie verwendeten Textilien, die oft aufwendig ausgestaltet sind. Aufträge dafür hat die Werkstatt im Kloster Lüne aus ganz Nieder­sachsen. „Wir sprechen die Gestaltung ab, und oft fahre ich dann mit der geplanten Farbe noch einmal hin, um diese mit den Räumlichkeiten abzugleichen.“ Mit ihrem Standort im ehemaligen Betsaal des Klosters ist die Lüneburger Werkstatt fest in der Historie verankert, ist doch die weltweit älteste evangelische Paramentenwerkstatt in Neuendettelsau ebenfalls in einem ehemaligen Betsaal beheimatet.

In Wochenendkursen lernen die Teilnehmer viel über alle wichtigen Arbeitsschritte wie Gewebeplanung, bevor es an den Webstuhl geht.

ür einen aktiven Austausch aber sind die Wege in Lüne sowieso kurz. Durch das Textilmuseum des Klosters und die Restaurationsaufträge finden immer wieder auch Gespräche mit den Restauratoren statt, man tauscht Tipps zu dem einen oder anderen Gewebe aus. Auch das Fachsimpeln mit anderen Handwerksbetrieben kommt nicht zu kurz: „Vor allem auf der jährlich stattfindenden Textil­ausstellung in Neumünster suchen wir den Austausch mit Kollegen, betreiben eine Gesprächs­kultur mit dem Nachwuchs und sammeln neue Ideen“, berichtet die passionierte Weberin. Nahe Lüneburg findet jährlich das Flachsfest in Lemgrabe/
Dahlenburg statt, auf dem ein reger Austausch mit jüngeren Webern die Zukunft der Zunft besiegelt und Lust macht auf handgefertigte Textilien. In diesem Jahr findet das Fest am 27. Juli statt – Zeit für interessante Einblicke in die Weberei hat aber auch immer von dienstags bis freitags und nach Absprache am Wochenende die Weberei im Kloster – Gerda Thost und ihre Kolleginnen freuen sich auf Sie!(vm)

Fotos: Enno Friedrich

  • Weberei im Kloster Lüne
  • Sophia-von-Bodendike-Platz
  • 21337 Lüneburg
  • Tel.: (04131) 409648
  • www.weberei-im-kloster-luene.de
  • www.heinz-friedrich-meyer-stiftung.de
  • Öffnungszeiten (April bis Oktober):
  • Di.–Fr.: 10.00 –17.00 Uhr
  • Sa./So.: auf Anfrage

Anzeige