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Whisky-Karneval

geschrieben von Rüdiger Albert im Januar 2014

Whisky aus Deutschland? Ist das der neueste Karnevalsscherz? Nein, ist es nicht, sondern ein überaus komplexes Thema

Der 11. November eines jeden Jahres gehört insbesondere zwischen Mainz und Köln zu den markanten Daten des Jahres. Der Tag zeichnet den Beginn der fünften Jahreszeit, jetzt toben die närrischen Tage. „Ein guter Zeitpunkt“, dachte wohl Klaus Remmer, seines Zeichens Res­taurant- und Hotelbesitzer in Rettert, und füllte seinen ersten, eigenen Whisky in Flaschen, denn der umtriebige Gastronom betreibt ganz nebenbei auch noch eine Brennerei. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Für seine Gäste hält Remmer nun „40 Flaschen à 0,5 Liter, 15 Flaschen à 0,2 Liter und drei Flaschen Whisky à 0,7 Liter“ bereit. Die restlichen fünf Liter „bleiben für weitere acht bis zehn Jahre im Fass“. Kostenpunkt des rechtsrheinischen Trinkvergnügens: „70 bis 80 Euro für die 0,5l-Flasche“, Remmer ist noch am Überlegen, denn „die Nachfrage“ sei groß“. Auch über den Namen seines Destillates grübelt er noch.

Welches Land hat die meisten Whiskybrennereien außer Schottland? Genau – Deutschland! Rund 50 Brennereien füllen über hundert Whiskymarken ab.

Whisky aus Deutschland? Ist das der neueste Karne­valsscherz? Nein, ist es nicht, sondern ein überaus komplexes Thema. Die folgende Frage ist auch keine Verballhornung des Lesers. Welches Land hat die meisten Whiskybrennereien außer Schottland? Dort praktizieren ganze 99 (Stand Dezember 2009). Die USA vielleicht, mit den Bundesstaaten Tennessee und Kentucky und ihren unendlich vielen Bourbons? Weit gefehlt. In Tennessee gibt es gerade mal zwei, von denen eine ihr Produkt Whiskey, die andere Whisky nennt. Und in Kentucky sind es exakt elf, in Kalifornien gibt es auch noch eine. Kanada? Hat nur neun. Irland, eine weitere Nation mit großer Whisky-Tradition, begnügt sich mit dreien. In Japan destillieren immerhin acht Brennereien Whisky. Oder gar in Indien? Von sage und schreibe 15 Brennereien weiß man, dass sie echten Whisky herstellen, nach guten alten schottischen Methoden. Aber welches Land hat nun die meisten Brennereien – außer Schottland? Genau – Deutschland! Rund 50 Brennereien, verteilt im ganzen Land, füllen weit über 100 verschiedene Whiskymarken ab. Die deutschen Brenner befinden sich sozusagen im Whiskyrausch. „An einem Rausch ist das Schönste der Augenblick, in dem er anfängt, und die Erinnerung an ihn“, wusste schon Kurt Tucholsky, der ja bekanntlich besoffen von seiner Nüchternheit war. Tucholsky nörgelte schon in den dreißiger Jahren über Whisky aus Deutschland: „Andre Nationen machen das so: Was sie besonders gut herstellen, das exportieren sie, und was ihnen fehlt, das importieren sie. Wenn den Deutschen etwas fehlt, dann machen sie es nach.“ Die Nazis hatten sich gerade an der Herstellung von „deutschem Rauchkorn“ versucht, salonfähig wurde er nicht.

Die Whiskys hierzulande sind zwar sauber gebrannt, aber zumeist viel zu jung; ihnen fehlt die Matura – die geschmackliche Reifeprüfung.

„Ich esse keine schottische Weißwurst“, gibt Horst Kroll, Chef vom Whiskymuseum in Kirn an der ­Nahe, zum Besten, „also trinke ich auch keinen Whisky aus Deutschland“. Der Branntwein aus Getreide, so beteuern etliche seiner Liebhaber nämlich, ist nicht nur ein Getränk – Whisky ist eine Welt­anschauung. Keine andere Spirituose auf der Welt bewegt die Gemüter wie er. Seien es die Whisky-Snobs der Alten Welt in Irland und Schottland oder die Whisky-Schwergewichte auf dem amerikanischen Kontinent und in Japan. Whisky gilt deshalb als die Weltspirituose unter den Hochprozentern. Unter den „World’s Top 100 Spirit Brands“ tragen über ein Drittel die Kennzeichnung „Whisky“ auf dem Etikett – aus Deutschland freilich ist nicht ein Whisky gelistet.
Das hat Gründe. Der Whisky-Hype hierzulande wird überwiegend gespeist von Kleinkrautern und einigen wenigen Ernst zu nehmenden Destillateuren. Zum anderen erfüllen Whiskys aus Deutschland gerade mal die Kriterien, die der Gesetzgeber zur Herstellung vorschreibt. Innerhalb der Europäischen Union muss Whisky durch Destillieren von Getreidemalzmaische gewonnen werden und mindestens drei Jahre (oder „drei Jahre und fünf Minuten“, wie Kroll spottet in Holzfässern mit einem Fassungsvermögen von 700 Litern oder weniger reifen. Der Mindestalkoholgehalt beträgt 40 Prozent, so steht es in der Verordnung Nr. 110/2008 vom 15 Januar 2008 geschrieben. Genau daran orientieren sich buchstabentreu die meis­ten Whiskyproduzenten hierzulande. Sie erreichen damit den Markt der Whiskysammler mit Raritäten, deren Qualität nicht immer zweifelsfrei ist. Das interessiert den Whiskysammler wenig. Besessen von der Idee der Vollständigkeit, opfert er seiner Leidenschaft Zeit und Geld. Ängstlich hütet er den Schatz – die Flasche bleibt zu. Das ist auch oft gut so. Einen Platz auf dem Digestifwagen der gehoben Gastronomie ergattert man damit nicht. Den Whiskys aus Deutschland fehlt schlicht die Matura – die geschmackliche Reifeprüfung.

Whisky ist nicht nur ein Getränk – Whisky ist eine Welt­anschauung.

„Bislang habe ich noch keinen verkostet“, sagt Bernd Schäfer „von dem ich eine zweite Flasche kaufen würde“. Schäfer trägt, wie Kroll, den Ehrentitel „Keeper of the Quaich“ und gehört zu den bes­ten Whiskykennern des Landes. Der Nürnberger sieht bislang im deutschen Whisky ein Getränk „für die Wissenschaft“, heißt „also mal probieren und gut. Echter Genuss? Fehlanzeige…“
Die Kunst und Perfidie der Whiskybrennerei besteht nämlich darin, dass die Master Distillers und Blendmaster der großen Whisky­nationen sehr wohl wissen, wann ihre Destillate den Höhepunkt ihrer geschmacklichen Reife je nach Whisky 10-, 12-, 16-jährig – Hauptsache volljährig – erreicht haben. Erst im Stadium der Reife offenbart das Gute seinen wahren Wert. Die Whiskys hierzulande sind zwar sauber gebrannt, aber zumeist viel zu jung. Zum entrückten Gaumentaumel, zum qualitativen Whisky-Karneval jedenfalls kommt es noch nicht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden, weiß der whiskyselige Volksmund.(ra)

Fotos: fotolia.com © Alexandr Steblovskiy

Markantes zum Thema Whisky aus Deutschland



Horst Kroll ist „Master of Malt“ und Besitzer des legendären Whiskymuseums in Kirn an der Nahe. Kroll nennt über 4.000 Whiskys sein Eigen, und alle, aber auch wirklich alle werden geöffnet: „Whisky ist zum Trinken, nicht zum Sammeln“, wie er sagt. Pro Jahr hält Kroll weit über 150 Whiskyseminare – Anmeldung erforderlich.

Andreas Weitz betreibt den „Green Island Pub“ in Leitz. Hier sind Whiskys aus 60 Ländern der Erde und die größte Sammlung von Whiskys aus Deutschland zu sehen, darunter legendäre Raritäten aus der ehemaligen DDR, wie der „Edel Falkner“. „Als gelernter DDR-Bürger und Whiskyfreund“ wollte er eine „Falkner-­Traditionsecke“ in seinem Pub einrichten. So kam er nach „zähen Verhandlungen“ zur Brennblase aus Luckenwalde.

Andreas Vallendar laboriert in Wincheringen, gelegen im Dreiländereck Deutschland – Luxemburg – Frankreich, seit 2006 mit dem Elixier, daher der Name „Threeland Whisky“. Er favorisiert schlanke, weiche Whiskys und baut sie in Weißweinfässern aus.

Robert Fleischmann aus Eggolsheim-Neuses destillierte am 19.02.1983 seinen ersten Malt Whisky. Er feiert nächstes Jahr sein 30-jähriges Jubiläum im Dienst am Getränk. Er hat diverse Whiskys im Angebot.

Der Whisky der Brennerei Ziegler, mit Sitz in Freudenberg, heißt „Aureum“. Etwa 3.500 Liter werden Jahr für Jahr in Eichen- und Kastanienfässer gefüllt – und zur Nachreifung in Bourbon-Fässer gelegt.

Johannes Haas brennt in Pretzfeld. Sein „Haas Whisky 11“ lagerte „in einem eigens in den Lehmboden geschlagen Lagerkeller“ zehn Jahre in medium getoasteter Limousineiche.
„Black Forest“ heißt die Whiskykooperation von der Badischen Staatsbrauerei in Rothaus und der Destillerie Kammer-Kirsch in Karlsruhe. 2009 wurden 1440 Flaschen abgefüllt, 2010 gab es 1900. In diesem Jahr wurden dann schon 6180 plus 880 Flaschen „Sonderedition 2011“ kredenzt.

Klaus Gemmer aus Rettert destillierte sein erstes Fass am 24.10.2008. Die Fasslagerung erfolgte am 11.11.2008 in getoasteter Eiche aus dem Spessart.

„Coillmór“ (gälisch: großer Wald) heißen die Single Malts von Gerhard Liebl in Bad Kötzting im Bayerischen Wald. Gleich fünf verschiedene Whiskys stehen zur Auswahl.
„Stonewood 1818 Bavarian Single Grain Whisky“ heißt der Getreidebrand der Gebrüder Schraml aus Erbendorf in der Oberpfalz. Der Stonewood ist zehn Jahre alt und wird aus unvermälztem Getreide mit einem geringen Gerstenmalz­anteil hergestellt.

„Slyrs“ (sprich: Schlürs) heißt der Whisky aus Schliersee. Hier hat die Familie Stetter die größte Whiskybrennerei Deutschlands nach schottischem Vorbild realisiert. 40.000 bis 50.000 Besucher zählt die Brennerei im Jahr.

Friedrich Düll ist Brauer und Ralf Dücker hält es mit dem Brennen. Gemeinsam haben sie den jüngsten Spross deutscher Whiskykultur kreiert im fränkischen Volkach. Die Lagerung (im Rotweinfass) erfolgt zum Teil im Weinkeller bei 20 Grad Celsius und in der Brauerei bei Null Grad Celsius. Der Whisky soll zwölf Jahre reifen: „Zeit genug, um sich warm zu trinken“, wie Düker sagt.

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