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Die Bienenkönigin von Embsen

geschrieben im Juni 2015

Imkermeisterin Silke Helms erbte ihre Leidenschaft für die Bienen von ihrem Vater.50 Völker nennt sie heute ihr Eigen

„Täglich einen Löffel Honig im Mund zergehen lassen –das beste Mittel zur Stärkung der Abwehrkräfte!“

Wie der Vater, so die Tochter! Die Leidenschaft für die Imkerei liegt bei Silke Helms aus Embsen sozusagen in den Genen. Ihr Vater Gustav verbrachte jeden Sommer bei seinen Großeltern, die eine Imkerei im Nebenerwerb betrieben. Schon damals faszinierten ihn die Bienen, und als junger Mann begann er selbst mit der Hobby-Imkerei. Seine Liebe für das Bienenvolk begleitet ihn bis heute.
Dass seine Tochter Silke in seine Fußstapfen treten würde, lag da beinahe auf der Hand. Als kleines Mädchen schaute sie in jeder freien Minute ihrem Papa bei der Arbeit am Bienenstock über die Schulter. War sie dort nicht zu finden, sah sie beim Nachbarn nach dem Rechten — ebenfalls ein Hobby-­Imker. Ihr Interesse beeindruckte und überzeugte ihre Eltern schließlich, als ihr Drängen nach einem eigenen Bienenstock zunahm: Das erste eigene Bienenvolk bekam sie zu Weihnachten geschenkt, da war sie gerade zehn Jahre alt.
Schon damals stand für sie fest, dass die Imkerei einmal zum Beruf werden sollte. Mit 15 Jahren unterschrieb sie ihren Lehrvertrag, obwohl sie erst zwei Jahre später in Celle am Niedersächsischen Landesinstitut mit der Berufsausbildung beginnen konnte. Im ersten Lehrjahr stand Agrarwirtschaft auf dem Plan; es folgten zwei weitere Jahre in Praxis und Theorie. Das Institut verfügt über eine Imkerei mit ca. 300 Bienenvölkern — rund 10.000 bis 40.000 Tiere zählen zu einem Volk.
Nach erfolgreichem Abschluss der Lehrzeit arbeitete Silke Helms bei verschiedenen Züchtern, aber auch bei Instituten in Deutschland und der Schweiz. Schlussendlich leitete sie einen Betrieb mit 250 Bienenvölkern. „Meine Prüfung zur Tierwirtschafts­meisterin, Fachrichtung Bienenhaltung, habe ich in dieser Zeit auch gemacht“, erwähnt sie ganz nebenbei. Seit 2008 bildet sie Jungimker für den Kreisimkerverein Lüneburg aus.
Bis sie ihre eigene Imkerei in Embsen betreiben konnte, sollten jedoch noch einige Jahre ins Land ziehen. Inzwischen hat sie etwa 50 Völker in den grünen Kästen, genannt Beuten, teilweise in einem Waldstück bei Lüneburg und zurzeit im Raps in Schleswig-Holstein untergebracht. „Die Grundlagenzucht ist allerdings immer noch Vaters Domäne“, betont sie. Auch er besitzt noch heute zwölf eigene Völker. Kaum jemand habe eine Linie solange führen können wie er, über 30 Jahre. Sie selbst zieht ihre eigenen Königinnen – mit Erfolg. Daraus entstand ihr Name: die Bienenkönigin. Wie ihr Vater kann auch sie sich auf die Eigenarten der Tiere einstellen. „Die Carnica-Rasse oder auch Krainer- bzw. Kärtner-Biene ist recht friedlich“, erläutert sie deren charakteristische Merkmale. Natürlich sei sie schon gestochen worden, aber das komme eben vergleichsweise selten vor.
Im Grunde, so erklärt Silke Helms, sei es nicht erforderlich, sich täglich mehrere Stunden mit der Arbeit und Pflege an den Bienenstöcken zu beschäftigen. Allerdings sei es für die Imkerin im Frühsommer ein Muss, alle neun Tage nachzuschauen, ob das Bienenvolk nicht einen neuen Schwarm gründet, indem es eine neue Königin heranzüchtet. Die Bienen vergrößern auf diese Weise ihren Staat durch Teilung. Sie beginnen dann, die Larven mit einem speziellen Futtersaft, dem Gelée Royale, zu füttern, so dass diese als neue Königinnen schlüpfen – die, wenn sie herangewachsen sind, Tag für Tag bis zu 2.000 Eier produzieren und damit den Fortbestand des Volkes gewährleisten. Zu den wichtigsten Arbeiten am Bienenstock gehört für Silke Helms also, die Bildung eines neuen Schwarms zu verhindern. Dazu muss sie genau prüfen, ob eine Königin nachwächst, was an der Verdeckelung der Waben zu erkennen ist. Dann heißt es auch für sie, Maßnahmen zu ergreifen. Zu den Standardmethoden zählt es, den Kasten zu teilen und somit neuen Raum für ein weiteres Volk zu schaffen.
Von der Imkerei allein kann Silke Helms nicht leben. So ist sie auf einen Nebenverdienst angewiesen und fährt dafür an vier Tagen in der Woche nach Hessen, um dort in einem Groß-Imkerei-Betrieb zu arbeiten. In dieser Zeit betreut ihr Vater ihre Bienen­völker, wohnt er doch mit seiner Tochter Tür an Tür im heimatlichen Embsen.

Trotz aller Faszination und ungebrochener Freude an der Arbeit mit den Bienen­völkern ist auch Silke Helms nicht von Sorgen verschont, denn es gibt Widersacher, die nur schwer zu bekämpfen sind. Die aus Asien stammende Varroa-Milbe setzt sich nicht nur auf den Bienen, sondern auch auf den Larven fest; sie saugt ihnen den Lebenssaft aus. Durch den Befall werden ganze Völker geschwächt und sterben frühzeitig ab. Ohnehin hat die Biene nur eine kurze Lebenszeit – maximal 46 Tage. Auch die Verwendung von EU-weit verbotenen Pestiziden in der Landwirtschaft, deren Einsatz aber immer wieder durch Sonderzulassung legalisiert wird, ist für Bienen gefährlich und sorgt für deren Dezimierung. Mit der angeblich so wirksamen Anwendung von Ameisensäure im Kampf gegen die Varroa-Milbe tun sich Vater und Tochter Helms schwer. „Die Säure ist chemisch gesehen verwandt mit Formaldehyd“, erklären sie; zudem sei das Mittel in der Anwendung sehr problematisch, es käme unter anderem auf den Zustand des Volkes sowie auf die Witterung an. So setzt man die Hoffnung auf die Wissenschaft, der es vielleicht in ferner Zukunft gelingen wird, eine Varroa-tolerante Biene zu züchten – geforscht wird bereits.
Seit vielen Millionen Jahren bevölkern Bienen die Erde, und etwa 70 % aller blühenden Pflanzen werden von ihnen bestäubt. Die einzelnen Tiere fliegen bei ihrem Flug jeweils nur eine Blütenart an, auf einem nächsten dann wieder eine andere. Es braucht nicht viel Vorstellungskraft, was es für die Menschheit bedeuten würde, gäbe es eines Tages die Bienen nicht mehr!
Die Liebe zu ihrem Imkerberuf hat Silke Helms von ihrem Vater geerbt, und immer noch fachsimpeln beide gern, ob über ihre „Völker“ oder über neue Honigsorten, die mit Vanille veredelt auch als Brotaufstrich zum Kauf auf Wochenmärkten angeboten werden. Vom Vater gibt es noch einen Tipp: „Täglich einen Löffel Honig im Mund zergehen lassen – das beste Mittel zur Stärkung der Abwehrkräfte!“(ilg)

Fotos: Enno Friedrich

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