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Eine „Ranch“ fürs Federvieh

geschrieben von Irene Lange im Oktober 2015

Mit seinen über 140 Jahren ist der Geflügelzüchterverein Lüneburg und Umgebung e.V. an der Dahlenburger Landstraße einer der ältesten Vereine der Hansestadt. Im Zentrum der Mitglieder steht der Erhalt alter Geflügelrassen

Schon vor über 5.000 Jahren hielten unsere Vorfahren Geflügel, hauptsächlich als fleisch­liche Nahrungsquelle. Später kamen erste Züchtungen hinzu, um die Legeleistung zu erhöhen. Vor der Römerzeit zählten in Europa hauptsächlich Gänse und Enten zu den Hausgeflügeln; die Tauben- wie auch die Hühnerzucht hat ihren Ursprung wiederum in vorchristlicher Zeit im Nahen Osten, während die Vorfahren des heutigen Haushuhns in Südostasien beheimatet sind. Legeleistung oder Fleischgewinnung steht bei den den Mitgliedern des Lüneburger Geflügelzüchtervereins Lüneburg und Umgebung e.V. jedoch nicht im Fokus. Ihr Ziel ist vielmehr das Erhalten der Vielfalt, insbesondere alter Hausgeflügel- und auch Taubenrassen. Die artgerechte Haltung steht dabei ohne Frage im Vordergrund. „Viele der zum Teil sehr alten Rassen — darunter auch die niedersächsischen Ramelsloher oder viele wildlebende Geflügelarten — wären ohne den Idealismus der Hobbyzüchter und unseres Vereins längst verschwunden“, erklärt der 1. Vorsitzende Adam Goldnik. Bei einem Rundgang über das ca. 10.000 qm große Gelände an der Dahlenburger Landstraße in Lüneburg kann der Besucher dann auch von den verschiedensten Rassen in Augenschein nehmen — angefangen vom Zwerg- und Perlhühnern bis hin zu den gut zehn Kilogramm schweren „Brahma“-Riesenhühnern; seltene Taubenrassen mit gefiederten Füßen, sogenannte Latschen, tummeln sich in geräumigen Volieren. Auf einem großzügigen Freigelände stolziert ein Nandu umher, und ein Pfau macht mit lauten Rufen vom Dach eines Stallgebäudes auf sich aufmerksam. Dazwischen wuseln die aus Ostasien stammenden Zwergseidenhühner emsig im Gras umher, und zwei schwarze Trauerschwäne ziehen mit ihrer anmutigen Schönheit die Blicke auf sich. Auf diese Tiere ist der Verein besonders stolz, denn es sind die einzigen, die in dem Landkreis leben. „Sie bleiben sich ein Leben lang treu“, weiß Schriftführer Uwe Dunkel; es gäbe sogar Fälle von Selbstmord beim Verlust des Partners, indem sich der Hinterbliebene aus großen Höhen herunterstürze. Unzählige weitere gefiederte Geschöpfe wie Enten, Gänse, Fasane und auch Ziervögel wie die Kleinpapageien bewohnen Volieren und Freigelände.

Viele der zum Teil sehr alten Rassen wären ohne den Idealismus der Hobbyzüchter und des Vereins längst ausgestorben

Stolze Besitzer all des Federviehs sind die Mitglieder des Vereins, der auf eine langjährige Tradition und eine damit verbundene wechselvolle Geschichte seit seiner Gründung im Jahre 1871 zurückblicken kann. Mit über 140 Jahren ist er ­einer der ältesten, noch existierenden Lüneburger Vereine. Anders als heute waren die Mitglieder einst eher landwirtschaftlich orientierte Geflügelzüchter und Vogelschützer. Seit den 50ern ist jedoch die bäuerliche Geflügelhaltung weitgehend verschwunden. Rassenvielfalt ist nicht mehr gefragt, die alten Geflügelrassen überleben nur bei den Hobbyzüchtern. Nach dem ersten Weltkrieg wandelte sich der Schwerpunkt in Richtung Hobby-Geflügelzucht. Bereits 1921 gab es eine lange Mitgliederliste, auf der sich viele namhafte Einwohner Lüneburgs wiederfanden. In den 60er-Jahren ergab sich für die Geflügelzüchter durch die zunehmende Siedlungsdichte in Lüneburg ein Platzmangel und damit Probleme für die Haltung der Tiere. Erst 1966 fand sich eine Lösung, indem der Verein das heutige Gelände — ein vormals brachliegender alter Wehrmachtsschießstand — von der Stadt pachteten konnte. Mit viel Eigenleistung und großem finanziellen Aufwand nahm in den Jahren 1966 bis 1971 ein Vogelpark Gestalt an. Er bietet nun den Menschen, die sich als Hobby-Züchter betätigen möchten, die Mitgliedschaft in dem Verein und damit die Möglichkeit, in der Gemeinschaftszucht­anlage einen Stall mit angeschlossener Voliere oder ein Freigelände zu pachten. Von dieser Möglichkeit macht ein Teil derzeit 101 Mitglieder Gebrauch. Man verzeichnet zudem erfreulicherweise gerade in den letzten Jahren Zuwachs durch junge Familien – nicht zuletzt wegen der frischen Eier, die das Federvieh liefert. „Wir haben noch Kapazitäten frei“, bietet Adam Goldnik an. Man sei jederzeit offen für neue Mitglieder, die mit Rat und Tat unterstützt würden. Das umfasse unter anderem auch Fragen der Fütterung und der Ungezieferbekämpfung. Gerade für Züchterneulinge seien die Tipps aus dem reichen Erfahrungsschatz der Profis von hohem Wert. Auch Besucher sind jederzeit willkommen; ihnen werden auf dem frei zugänglichen Gelände die verschiedensten Haus- und Ziergeflügelarten nahegebracht. Am 10. und 11. Oktober findet wieder die jährlich stattfindende Geflügelausstellung Oktober in den Räumen des Autohauses Dannacker & Laudien am Bilmer Berg statt. Weitere Informationen erhalten Sie bei Adam Goldnik telefonisch unter (0162) 1353268 oder unter www.gzv-lueneburg.de.(ilg)

Fots: Enno Friedrich

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