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Schüler auf vier Pfoten

geschrieben von Irene Lange im Juni 2015

Vor über hundert Jahren wurde der Polizeihund-Sportverein, kurz PHV Lüneburg, gegründet.Heute lernen Hunde hier nach dem Prinzip der Motivation

Vor über hundert Jahren, genauer 1908, wurde der Polizeihund-Sportverein, kurz PHV Lüneburg, gegründet. Ziel war es damals, Hunde für den Polizeidienst fit zu machen, und zwar mittels Motivation. Davor geschah die Ausbildung zumeist mit Zwang und Druck. Das sollte sich ändern.
Wer heute die Hunde auf dem geräumigen Übungsgelände am Moorfeld beobachtet, wird feststellen, dass sich die Ausbildungsmethoden heute grundsätzlich gewandelt haben. „Bei uns werden die Hunde spielerisch ausgebildet“, betont der Geschäftsführer des PHV, Reinhold Dost. Auch seine Rottweiler-Hündin Baja ist auf diese Weise erzogen worden. Obwohl sie zu den angeblich „gefährlichen Listenhunden“ zählt, zeigt sie sich freundlich und verschmust. Ohnehin erstaunt es, wie friedlich hier die Vierbeiner — ganz gleich ob Rassehund oder Mix, groß oder klein, Welpe oder Senior — mitein­ander umgehen. Selten kommt es vor, dass sich zwei anknurren oder eine kurze Zurechtweisung erfolgt, wenn einer sich zu aufdringlich zeigt.
Im Laufe der Zeit ist der gemeinnützig anerkannte Hundesportverein auf rund 150 „menschliche“ Mitglieder mit einer noch größeren Zahl Hunden angewachsen. Vom Pinscher bis zur Dogge ist hier alles vertreten, nach wie vor aber dominieren die Mischlinge. An mehreren Terminen in der Woche sind verschiedene Übungszeiten auf dem weiträumigen Trainingsplatz angesetzt. „Hunde werden bei uns in erster Linie als Familienmitglieder betrachtet, nicht als ‚Sportgerät‘, betont Sandra Bryndel, seit zehn Jahren im Verein und seit fünf Jahren 1. Vorsitzende. Sie selbst hat gleich zwei Hausgenossen mitgebracht: den Rottweiler-Mix-Rüden Murphy und die österreichische Pinscherhündin Elli. Der Hund, so sagt sie, werde heute als Kamerad in der Welt der Hundesports betrachtet werden. Und tatsächlich ist zu beobachten, mit wie viel Eifer und Freude die „Kameraden“ bei der Sache sind. Besonders wenn es darum geht, riesige Treibbälle durch einen abgesteckten Parcours mit dem Einsatz aller vier Pfoten zu befördern, gibt es einen Riesenspaß – nicht nur für die aktiven Vierbeiner.
Doch bis die Hunde soweit sind, den Kommandos ihrer Hundeführer bzw. Ausbilder ohne Druck und eigenständig zu folgen, ist viel Übung und Geduld erforderlich. Dazu bietet der PHV auch die Schulung der Welpen und Junghunde an. „Wir verstehen uns aber nicht als Welpenschule im üblichen Sinn, denn für die Ausbildung werden keine Gebühren erhoben. All unsere Angebote sind mit dem Jahresbeitrag abgegolten“, erklärt Reinhold Dost. Ab einem Alter von 15 Monaten kann eine Begleithund-Prüfung abgelegt werden. Dafür sollte der Hund Gehorsamsübungen gut beherrschen, sich sicher aber selbstbewusst zeigen, kurz – wie der Hundepapst Martin Rütter es nennt — „alltagstauglich“ sein.
Ihre Umwelt nehmen Hunde weitgehend über ihren Geruchssinn wahr. Im Vergleich: der Mensch hat fünf Mio. Riechzellen auf einer Schleimhaut von etwa 5 cm2, während sein bester Freund über 200 Mio. auf 150 cm2 verfügt. Diese Fähigkeit der zu den „Nasentieren“ zählenden Vierbeiner kann der Mensch nutzen und ihn somit sogar zum „Erschnüffeln“ von Krankheiten einsetzen. Auch als Diagnostiker ist der Hund in der Lage, Epileptiker vor einem drohenden Anfall zu warnen, Krebserkrankungen zu „erriechen“ oder zu warnen, wenn es „seinem“ Menschen schlecht geht.
So liegt es nahe, dass der PHV Lüneburg auch die Fährtensuche in sein Programm aufgenommen hat. Durch seine Supernase eignet sich im Grunde genommen jeder Hund für diese Aufgabe. Die Fährtensuche kann spielerisch erfolgen, wobei ein Jackpot, z. B. in Form von Futter, am Ende der ausgelegten Spur eine zusätzliche Motivation bietet. Und wer es mit der Fährtensuche ernst meint, kann auch in diesem Bereich entsprechende Prüfungen ablegen.
Bei der sogenannten „Rally Obedience“ zeigen die Hunde, wie gut der Kontakt zwischen Hundeführer und Hund ist. Dieser sollte bereitwillig in einem abgesteckten Parcours auf verschiedene Kommandos gehorchen, die in diversen Übungsabläufen geprobt wurden. Im Wettbewerb geht es dann nicht nur um „Sitz“ und „Platz“, sondern auch um Richtungsänderungen, das Ausharren beim Ab­legen oder das Überwinden von kleinen Hürden. Alles – wie bereits erwähnt – auf freiwilliger Basis ohne Druck und Zwang!
Ein großes Vergnügen ist das jährliche Hunde­rennen für Mensch und Hund, das in diesem Jahr am Samstag, 4. Juli, auf dem Trainingsplatz Moor­feld stattfindet. Da entwickeln Herrchen und Frauchen oft den größten Ehrgeiz, indem sie ihren geliebten Hausgenossen anfeuern, damit er der schnellste Renner wird. Doch so einige vierbeinige Läufer nehmen die Regeln nicht so genau, ver­lassen gern mal den abgesteckten Parcours und nutzen die Gelegenheit, einmal ausgelassen über den Platz zu flitzen. In jedem Fall ist es ein Tag voller Spaß für alle Beteiligten. Eine Mitgliedschaft im Verein ist übrigens für die Teilnahme keine Voraussetzung – hier kann jeder mit seinem Hund mitmachen!
Erfahrene Ausbilder wie Sandra Bryndel, Joachim Aschmann, Reinhold Dost, Melanie Martens und Michael Hesse sowie verschiedene angehende Ausbilder und diverse Helfer arbeiten ausschließlich ehrenamtlich im PHV Lüneburg. Und auch die umfangreichen Weiterbildungsmaßnahmen finden in diesem Rahmen statt. Das gemeinsame Engagement mit den Mitgliedern sorgt dafür, dass in Lüneburg ein lebendiger und vielseitiger Hundesport betrieben wird.(ilg)

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