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Backstage: James Last

geschrieben von Hansi Hoffmann im September 2014

Der erfolgreichste Orchesterchef der Welt James Last

Neue „Backstage-Erinnerungen“ von Hansi Hoffmann, PR-Manager zahlreicher Bühnenstars und Größen aus dem Musikbusiness

Viele machen aus der Not eine Tugend, andere machen daraus viele Millionen. Der Bremer Bürgersohn Hans „James“ Last schaffte es, in den 50 Jahren als Boss des „James Last Orchesters“ aus musikalischen Noten ein Vermögen aus Banknoten zu zaubern. Be­gonnen hatte alles 1965 im Partykeller seines Hauses in Hamburg-­Langenhorn. Auf der Feier zum zehnten Hochzeitstag mit seiner Jugendliebe Waltraud spielte Gatte Hans, den alle „Hansi“ riefen, mit einigen Kumpels aus dem NDR-Rundfunkorchester zum Tanz auf, mit den ­aktuellen Hits von den Beatles, Trini Lopez und Sinatra, denn zu den gängigen Platten von Freddy Quinn oder der Valente wollte nie jemand tanzen. Last ließ auf der Party ein Tonband mitlaufen, auf dem die Live-­Musik und alle Geräusche der Tanzparty — Lachen, Reden, Geschirrklappern und Gläserklingen – mitgeschnitten wurden. Einen Tag später spielte Hansi Last das Party-Tonband den Chefs der Plattenfirma ­Polydor vor. Produkt-Chef Ossy Drechsler und Marketing-Manager Werner Klose spürten als erfahrene Musik-Scouts das Potenzial dieses Sounds. Bereits nach zehn Tagen hatte Last zwölf der aktuellen Hits partygerecht arrangiert, das NDR-Orchester und die Familien, Freundinnen und Funkhaus-Mitarbeiter im Polydor-Tonstudio Rahlstedt zu einer großen Party versammelt. Es wurde getanzt, gelacht und lautstark mit „la-la-la“ die Musik mitgesungen. Peter Klemt, der versierte Toningenieur, hatte alle Mikrofone geöffnet. Fünf Stunden später mischte er mit Hansi Last das erste Masterband für eine „Non Stop Dancing“-Platte. Die Geburtsstunde einer ganz neuen Musikform, dem „Happy Sound“ zum „Easy Listening“. In rund 50 Jahren erschienen 41 „Non Stop“-Produktionen, waren in 76 Ländern zu hören, von Argentinien bis Zaire. Hansi „James“ Last wurde der erfolgreichste Orchesterchef der Welt. Mein Freund Klaus Reimann, Pressechef der Polydor, lud mich im Herbst ’65 zu einer Arbeitsplanung in die Zentrale der Plattenfirma an der Rothen­baumchaussee ein. Im Konferenzraum traf ich erstmals Hansi Last und alle ulkten, dass nun auch noch ein zweiter Hansi, der Hoffmann, im Team sei. Meine Aufgabe sollte sein, eine Biografie, Fotos und Pressemeldungen zu produzieren und den Namen Last plus „Non Stop Dancing“ in die Medien zu lancieren. Um biografische Informationen zu erfragen, setzte ich mich nach der Polydor-Besprechung mit Hansi Last in das nahegelegene Funkhauscafé. Mit der typisch-hanseatischen Unterkühlung, aber immer ein schalkhaftes Schmunzeln im Gesicht, erzählte der Musiker: „Meine Musik-Gene habe ich wohl vom Vater. Der war Gasableser bei den Bremer Stadtwerken, fuhr am Wochenende mit Schlagzeug und Akkordeon auf dem Fahrradanhänger zu Hochzeiten und Betriebsfeiern, machte für sechs Mark die ganze Nacht Musik. Um nicht als Flakhelfer Bomber abschießen zu müssen, verdrückte ich mich auf die Heeresmusikschule in Bückeburg, lernte Klavier und Bass. Für Lucky Strike-Zigaretten und Bourbon-Whisky spielte ich mir nach dem Krieg in den Ami-Clubs von Bremerhaven die Finger blutig, bis ich eine Stelle als Bassist beim Tanz­orchester von Radio Bremen bekam, als im Dezember ’45 dort der Sende­betrieb begann. Zehn Jahre später heiratete ich Waltraud und wir übersiedelten nach Hamburg, wo ich auch gleich beim damaligen NDWR-Tanz­orchester als Bassist angestellt wurde.“

„Um nicht als Flakhelfer Bomber abschießen zu müssen, verdrückte ich mich auf die Heeresmusikschule.“

März 1968, Siegerlandhalle in Siegen/Westfalen: Das ZDF produzierte in der modernen Kongresshalle die erste Ausgabe der „Starparade“. Wir mussten ganze fünf Probetage in dem Glaspalast zubringen, weil Regisseur Ewald Burike immer neue Kamerafahrten ausprobierte. Last hatte die Titel­melodie für die Sendung geschrieben und spielte mit seinem Orchester drei Solis, begleitete aber auch die Stars wie Heino, Manuela, Rex Gildo und Iwan Rebroff und mit besonderem Spaß auch die 16 jungen Tänzerinnen des Fernsehballetts. Die viele Freizeit zwischen den Proben nutzten Orchester und Ballett zu lautstarken Partys auf allen Hotelzimmern. Nachdem sich mehrere Hotelgäste über Lärm und leichtbekleidete Tänzerinnen auf dem Flur beschwert hatten, übersiedelten das Orchester, Techniker, Tonmeister und ich in ein luxuriöses Landhaushotel am Stadtrand von Siegen, das mit uns komplett ausgebucht war. In der beheizten Schwimmhalle hatten wir die perfekte Party-Location. Die täglichen Taxikosten für die Ballettgirls nach den Proben zum „Last-Landhaus“, das bald nur noch „Last Lusthaus“ hieß, überstiegen bald die vom ZDF gezahlten Diäten-­Tagessätze um ein Mehrfaches. Aber das Vergnügen war unbezahlbar. In 50 „Starparaden“ bis Mitte 1980 war das Orchester James Last das ­Markenzeichen für das ZDF, nach vielen Ländern als „James Last Show“ verkauft. Und die jeweiligen fünf Probentage blieben in allen Städten der TV-Produktion ein Happening für Band und Ballett.„Ein Star muss auf die Piste“ war meine Erfahrung als Promoter vieler deutscher und internationaler Sangeskünstler, denn die Fans und Plattenkäufer wollen ihre Idole hautnah erleben. Das galt auch für Orchester. Einen ersten Test machte das „James Last Orchester“ ausgerechnet in Kanada. Dort ­waren die Last-Platten der Renner. Auf dem eins­tigen Expo-Gelände bejubelten 50.000 Kanadier an drei Tagen den „Happy Sound“ aus Deutschland. Nach diesem Erfolg wussten wir: Live klappt auch mit Big Band. Im Restaurant des Hamburger Hotels „Bellevue“ traf ich mit Hansi Last und ­Polydors Marketingmann Klose den Tournee­ver­anstalter Hans-Werner Funke, wegen seiner zögerlichen Tourplanungen und der grenzenlosen Knauserigkeit „MacFunke“ genannt. Funke stimmte einem Deutschland-Test zu, wollte aber als Sicher­heit noch einen Gesangsstar dabei haben. Damals managte ich Katja Ebstein, die mit „Wunder gibt es immer wieder“ in aller Munde war, und Last war bereit, sie in sein Programm einzubauen. Der Tourstart am 10. Oktober 1970 in der Lübecker Kongresshalle wurde ein sensationeller Erfolg, gleich 28 nachfolgende Konzerte in Deutschland und Däne­mark waren restlos ausverkauft. Alljährlich war nun das Orchester auf großer Deutschland-­Tournee, die bereits zwei Jahre später zur ersten World-Tour ausgeweitet werden musste: ganz Westeuropa, Russland, Südafrika, Australien, Asien, Kanada.

„Russland war ein Abenteuer für sich“, berichtete mir Hansi Last. „Weil wir nicht genügend Folklore spielten, sondern meist internationale Hits, haben sie uns in Moskau einfach den Saft abgedreht. Erst nach einem lauten, turbulenten Publikums­aufstand durften wir weiterspielen!“ Last und ich saßen im großen Wohnbereich des „Last Freizeitzentrums“ in Finten bei Hamburg. Der Orchesterchef hatte für seine 40 Musiker, Techniker und den Chor einen Erholungstempel mit acht großen Doppelzimmern, einer Küche mit stets vollem Kühlschrank und einer Batterie von Getränken gebaut. Jeder vom Orchester-Team hatte einen Schlüssel, ich bekam auch einen — Familien, Freunde und Künstler­kollegen stets willkommen. „Ich wollte meine Leute mit dieser Ferienoase an dem großen Erfolg teilhaben lassen, Denn wenn wir nicht auf Tournee waren, arbeiteten wir meist zehn Stunden am Stück im Tonstudio. Wir hatten oft zehn Produktionen weltweit in den Charts, von ‚Ännchen von Tharau bittet zum Tanz‘, ‚Trumpet a gogo‘, ‚Hammond a gogo‘, ‚Sing mit‘ oder ‚Beach Party‘, ‚Christmas Dancing‘ und ‚Happy Summer‘ – alles weltweit immer in Millionenauflagen. Dabei habe ich aber nie vergessen, dass ich sechs Jahre zuvor noch beim NDR für große Orchesterarrangements für Freddy Quinn oder Caterina Valente gerade mal 150,00 Mark kassierte.“

Ein schnittiger italienischer Sportwagen, den Last gerade erstanden hatte, erschütterte 1970 die heile Welt von Hansi Last und die seiner Freunde. Waltraud Last verunglückte auf dem Weg zur ersten Inspektion mit dem Auto, wurde aus dem Fahrzeug geschleudert und verbrannte sich am glühendheißen Auspuff grausam eine Gesichtshälfte. Der Orchesterchef war tagelang wie gelähmt, wir alle fühlten mit ihm. Jede freie Minute verbrachte Hansi Last bei seiner Frau. Natürlich waren die fröhlichen Sommerurlaube auf Sylt, wo wir oft feuchtfröhliche Abende im Dorfkrug von Kampen verbracht hatten, Vergangenheit. Um seiner Waltraud aber auch weiterhin die See und Sonne zu bieten, kaufte Hansi eine Motor­yacht in respektabler Größe. Als er diese in Florida übernahm, „hatte mir – schwups — der Makler in Fort Lauderdale auch ein Haus angedreht“ (Zitat) — das bald zur zweiten Heimat der Familie Last wurde, mit hochmodernem Tonstudio, eigenem Bootssteg und nahegelegenem Golfplatz.

Es gab in der weltweiten Vermarktung bei den inzwischen über 150 Produktionen den „Party Last“, den „Volkstümlichen“, den „Eleganten“ und den „Internationalen Last“. Die vielen hundert Gold- und Platinplatten aus aller Welt gab er immer gleich an seine Musiker und Mitarbeiter weiter. Das Orchester und das Team wuchsen zu einer verschworenen Gemeinschaft, zu einer echten Familie zusammen, die hart arbeitete, aber auch ausgelassen feierte. Im Tournee-Truck für die großen Instrumente, für die Showklamotten und Notenpulte waren zwei Kühlschränke untergebracht, immer gut gefüllt mit Gin, Vodka, Tonic und Sprudel.

Völlig unerwartet erfuhren wir, dass Waltraud Last mit dem Krebs kämpfte. Als sich die Krankheit dem Ende näherte, bat sie den Freund des Hauses, ihren Hausarzt Dr. Bodo Eckmann, sie nach Florida zu begleiten, weil sie noch einmal die Sonne sehen wollte. Zusammen mit ihrem Hansi und Bodo flog Waltraud in einem Privatjet in das warme Florida, wo sie 1996 starb. Für den Orchesterchef brach eine Welt zusammen. Er verkroch sich in dem neuen Haus in Palm Beach, unweit vom Loch elf des Golfplatzes, auf dem er nun viele Stunden in Einsamkeit verbrachte.

Ein schnittiger italienischer Sportwagen erschütterte 1970 die heile Welt von Hansi Last.

Es vergingen fast drei Jahre, in denen Hansi Last auch für seine Freunde kaum erreichbar war. Dann trafen sich in Hamburg Werner Klose, Bodo Eckmann und ich und starteten die Aktion „Das Last Comeback!“. Zunächst mobilisierten wir alle einstigen Freunde und Mitstreiter, Musiker und Medienpartner, die mit und für Hansi Last viele Jahre aktiv waren. Bodo Eckmann leistete in Palm Beach eine mehrtägige Überzeugungs­arbeit und landete mit Last Anfang 1999 in Hamburg-Fulsbüttel. Wir entwickelten mit dem Orchesterchef einen Drei-Stufen-Plan, der seinen Höhe­punkt am 70. Geburtstag mit einem Jubelkonzert in der ehrwürdigen Londoner Royal Albert Hall fand. Mit 14 Journalisten reiste ich am 17. April ’99 an die Themse, koordinierte die TV-Interviews mit den Londoner Redaktionen von ARD, ZDF und RTL, arrangierte ein Pressegespräch in der „Nelson Bar“ der Konzerthalle. Bereits zur Generalprobe kamen 500 Briten und Iren, feierten „ihren“ James mit Torten, Blumen, Pullovern und Plakaten. England und Irland waren viele Jahrzehnte die absoluten Last-Hochburgen in Europa. Über 8.000 Fans jubelten dann am Abend dem heimgekehrten Hansi Last zu – unendliche standing ovations. Als Gäste hatte Last die Hamburger HipHop-Band „Fettes Brot“ eingeladen, als Beweis, dass es auch einen „Jungen Last“ gibt. In einem britischen Pub in Kensington feierten wir mit dem Orchester, mit Freunden und Fans den Geburtstag und die geglückte Rückkehr. Am nächsten Morgen titelten die britischen Zeitungen: „The Boss is back!“ ¶

Foto: Hansi Hoffmann

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