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Miss-Net

geschrieben von Katerine Engstfeld im März 2017

Das Spieglein, Spieglein der heutigen Welt ist der Bildschirm mit Internetbrowser – Chancen und Risiken der Selbstdarstellung 2.0

Eigentlich, ja, eigentlich ist der Narzisst ein schöner junger Mann, der angesichts seines eigenen Spiegelbildes vor Sehnsucht stirbt. Die realen Narzissten (v)ergehen sich eher an ihrer Umgebung, und zwar in der „Endlosschleife der Eitelkeit“, wie sie dem amtierenden Präsidenten der USA durch die FAZ im Januar bescheinigt wurde. Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Narzissmus zunimmt. Befeuert das Internet die Epidemie? Nirgendwo ist es leichter, Gefühle der Minderwertigkeit, der Scham und des Ungenügens hinter einer Fassade aus Großartigkeit, Glanz und Gloria zu verbergen. Oder mit einer gezielten Beleidigung Aufmerksamkeit, wenn nicht gar Beifall zu erringen – eine Taktik, auf die auch Politiker hierzulange zunehmend nonchalant zurückgreifen: „Übertrete Grenzen und man wird dich wahrnehmen“ als Mittel der Wahl. Haben wir Mitgefühl mit den hässlichen Narzissten, die nun auch mal ungehindert zum Zuge kommen, und wappnen wir uns mit Wissen, z. B. über www.umgang-mit-narzissten.de.
Dabei hat der oberflächliche Schönheitskult doch auch so wundervolle Blüten getrieben: Wettbewerbe, die die ästhetischen Standards in Mode- und Medienwelt anheben oder Formate, die die Sucht nach Bestätigung einiger Auserwählter mit der Befriedigung vieler durch die Herabsetzung der Schönen verbinden – siehe Klums „GNTM“.

Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Narzissmus zunimmt. Befeuert das Internet die Epidemie?

Jeder kann etwas davon haben und heute mehr denn je, die zwei Sekunden Ruhm als Schönheitskönig(in) via Avatar, Photoshop oder geschickt aufgenommenes Selfie sind sicher.
Was allerdings einen zeitgemäß bloggenden Priester ritt, bereits 2008 Misswahlen für Nonnen auszurufen, bleibt ein Rätsel. Die Zeit war noch nicht reif für den Online-Fotowettbewerb dieses italienischen Christen, der die schönste Nonne im Land zur „Miss Suora“ küren wollte. Er musste die Aktion vorzeitig beenden, nachdem ihm angedroht worden war, er würde in der Hölle braten. Miss-Internet-Wahlen finden schließlich erst seit 2012 statt. Vielleicht dürfen Nonnen ja, wenn der Marketingwert für die sich leerenden Klöster endlich erkannt wird, antreten. Die Voraussetzungen stimmen: Sie haben keine Kinder und Nacktfotos sind unwahrscheinlich – zwei zentrale Kriterien bei allen Miss-­Wahlen. Wir dürfen gespannt sein.(ke)

Fotos: 123rf.com © gpointstudio

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