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Platz genommen Evelin Tiedemann & Dr. Uwe Tiedemann

geschrieben von Natascha Fouquet im Februar 2016

Ein Ehepaar, bei dem beide Partner politisch bzw. öffentlich aktiv sind — das hat auf unserem Sofa Seltenheitswert. Was war bei Ihnen der Auslöser für Ihr Engagement?

Evelin Tiedemann: Der Auslöser war mein Mann. Früher führte er oft hitzige Diskussionen mit einem Freund über das politische Geschehen. Ich sagte dann: Wenn Ihr unzufrieden seid, dann nehmt es doch selbst in die Hand! Damals stieß diese Anregung noch auf taube Ohren. Also dachte ich, wenn die beiden sich nicht bewegen, so könnte ich es doch. Rückblickend war dies eine glückliche Entscheidung, weil ich hier ein Umfeld fand, in dem ich mich mit meiner demokratischen Grundhaltung zuhause fühle. Dieser Schritt stellte eine echte Bereicherung für mein Leben dar, ich bereue es, ihn nicht schon viel früher gegangen zu sein.

Wie verlief Ihr politischer Werdegang?

Evelin Tiedemann: Ich war zwar schon früher bei der Jungen Union, richtig aktiv wurde ich jedoch erst 2002, als ich hier in Lüneburg in die CDU eintrat. Mein Weg führte mich zunächst über die Frauen Union, wo ich recht schnell zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde; nach zwei Jahren folgte der Vorsitz. Damit kooptierte ich auch in Stadt- und Kreisverband und bin darüber zur stellvertretenden Vorsitzenden des Stadtverbandes gewählt worden. Den Vorsitz übernahm ich von 2006 bis 2012. Ein Zeitpunkt, zu dem ich nach der Pflege und dem Tod meines Vaters eine Atempause benötigte, um neue Kraft tanken zu können und mich aus diesem Grund nicht zur Wiederwahl gestellt habe.

Herr Tiedemann, Ihren Start in die Politik haben Sie mehr oder weniger einem Zufall zu verdanken?

Dr. Uwe Tiedemann: Das könnte man so sagen. Vor 26 Jahren äußerte ich Kritik auf einer Kreisstellenversammlung. Die Antwort darauf lautete: „Wenn Du etwas ändern willst, musst Du Dich zur Wahl stellen“. Damals war ich Neulüneburger und noch wenig bekannt, dennoch bin ich direkt gewählt worden. Als Mitglied der Landestierärztekammer war ich zunächst im Finanzausschuss tätig, nachfolgend acht Jahre als Schatzmeister. Im Juni vor zehn Jahren bin ich schließlich zum Präsidenten gewählt worden und auch die Wiederwahl vor fünf Jahren hat geklappt. Über dieses Amt erhielt ich schließlich Zutritt zum erweiterten Präsidium der Bundestierärztekammer — acht Jahre bekleidete ich die Stelle des 1. Vizepräsidenten.

Ihre Karriere nahm in 2015 noch einmal eine neue Stufe: Am 1. Januar begann Ihre Amtszeit als höchster Tierarzt Deutschlands.

Dr. Uwe Tiedemann: Im Oktober des letzten Jahres fand in Bamberg die Wahl des höchsten Tierarztes Deutschlands statt – und obwohl ich zu den Menschen gehöre, die kein Blatt vor den Mund nehmen und auch einmal recht unbequem werden können, bin ich gewählt worden. Eine schöne Auszeichnung und gleichermaßen eine hohe Verantwortung, die ich mit Achtung trage.

Sind die Aufgaben, die Sie künftig zu erfüllen haben, noch mit einem herkömmlichen Berufsalltag kompatibel?

Dr. Uwe Tiedemann: Bisher war ich mittwochs in Hannover, freitags bis sonntags war ich in meinem Amt als erster Vize oder als Präsident meist auf Meetings oder Kongressen. Nun wird zudem der Dienstag für meine Arbeit in der Praxis entfallen, da werde ich künftig in Berlin sein. Ich bin also nur noch am Montag und Donnerstag für meine Patienten vor Ort. Zum Glück habe ich Unterstützung durch meinen Kollegen und meine Assistentin.

War es bei Ihnen beiden ein konkretes Thema, das Sie dazu bewogen hat, über das Ihr Engagement etwas bewegen zu wollen?

Dr. Uwe Tiedemann: Bei mir war es sicherlich die Kritik daran, dass es früher unter den Tierärzten kaum ein Miteinander gab. Ganz im Gegenteil, man stritt sich über Bagatellen. Dies war etwas, das ich abschaffen wollte. Später setzte ich mich vehement dafür ein, dass auch für Tierärztinnen Familie und Beruf vereinbar werden.

Evelin Tiedemann: Kurz nachdem wir 1985 nach Lüneburg gezogen waren, bin ich dem Kinderschutzbund beigetreten, arbeitete aktiv mit und wurde später Vorsitzende. Ein Verein, der Unglaub­liches leistet — und dies gänzlich ohne eigene Mittel. In Gesprächen mit Kreis und Stadt ist für mich immer wieder deutlich geworden, dass das Herz für Kinder nicht laut genug schlägt, anders ausgedrückt: Bei der Vergabe von öffentlichen Geldern ist dieser Verein oft zu kurz gekommen. Ich wollte mehr wissen über die Töpfe und die Verteilung der Finanzen der Kommunalverwaltung. Diesen Weg habe ich dann auch sehr konsequent verfolgt.

Es gab ein Leben vor Lüneburg — Berlin war eine Ihrer gemeinsamen Stationen.

Evelin Tiedemann: Da gab es sogar noch weitere Stationen. Ich komme aus Munster-Oertze, bin also eine echte Heidepflanze. Und in Munster haben wir uns auch kennengelernt. Uwe machte dort bei der Bundeswehr gerade seinen Offizierslehrgang. Als er dann seinen Dienst als Leutnant in Hamburg-­Fischbek antreten musste, nahmen wir uns unsere erste kleine gemeinsame Wohnung — unsere schönste, wie ich nach wie vor finde. Sein Tier­medizinstudium trat mein Mann 1979 in Berlin an. Ein Schritt, der meine eigene Planung völlig durcheinanderbrachte, schließlich wollte ich nach meiner Ausbildung als Erzieherin und meinem abgeschlossenen Hochschulstudium der Sozialpädagogik in Hamburg Jura studieren. Ich erklärte mich nur unter der Voraussetzung bereit ihn zu begleiten, wenn ich eine geeignete Arbeitsstelle fände. Uwe besorgte mir dann ganz schnell eine solche in einer Kindertagesstätte. Das Jura-Studium war damit erst einmal auf Eis gelegt.

Dr. Uwe Tiedemann: Eine nicht unerhebliche Umstellung für uns beide, die wir aus unserer gemütlichen Fischbeker Wohnung nun in ein Zimmer — nicht etwa in eine Ein-Zimmer-Wohnung! — wechselten. Wenn ich beim Lernen umblättern wollte, musste ich kurz aufstehen, so eng war es dort. Das war unsere erste Unterkunft in Berlin. Nach sechs Jahren, in denen ich mein Studium und die Versuche meiner Dissertation abschloss, erhielt ich das Angebot, in Lüneburg die Praxis von Dr. Fischer zu übernehmen. Damals konnte ich dank meines tollen Doktorvaters meine Promotion parallel schreiben, pendelte dafür an den Wochenenden nach Berlin und arbeitete in der Woche in der Lüneburger Praxis.

Frau Tiedemann, was brachte für Sie der Wechsel in die neue Heimat Lüneburg?

Evelin Tiedemann: In Berlin hatte ich drei Jahre zuvor die Leitung einer großen Kindertagesstätte übernommen, ein wunderbarer Job, den ich nur sehr ungerne aufgab. In Lüneburg nahm ich dann ein Studium der Erziehungswissenschaften auf, welches ich dann berufsbegleitend bis zum erfolgreichen Abschluss führte. Meine erste Anstellung in Lüneburg fand ich in der ev. Kindertagesstätte An den Reeperbahnen, direkt neben dem Theater. Nach gut einem Jahr wechselte ich in das Landesjugendamt mit der Wahrnehmung der Aufgaben zum Schutz von Kindern in Tageseinrichtungen.

Frau Tiedemann, Sie waren bis 2012 Vorsitzende des Stadtverbandes der CDU, nahmen sich anschließend eine Auszeit. Sind Sie heute wieder aktiv?

Evelin Tiedemann: Seit 2012 bin ich Kreistagsabgeordnete und nach wie vor Vorstandsmitglied im Kreisverband der CDU. Meine Schwerpunktthemen sind auch heute noch die Finanzen, ganz aktuell natürlich auch die Flüchtlingsproblematik. Ich sage bewusst Problematik, denn inzwischen hat es sich zu einer solchen herauskristallisiert. Dass wir diese Situation bewältigen müssen, Menschen, die tatsächlich in Not sind, zu helfen, das steht außer Frage. Doch ist dies ganz offensichtlich erst der Beginn eines großen Auftrages, der da auf uns zurollt.

Wo lässt Familie Tiedemann das Berufliche hinter sich und entspannt?

Evelin Tiedemann: Beim Schwimmen ziehe ich gerne meine Bahnen, das ist etwas, dass Körper und Geist gleichermaßen gut tut. Entspannen kann ich auch, wenn mein Mann mich kulinarisch verwöhnt. Für meinen Geschmack kann er ohne Probleme mit einem Sternekoch mithalten. Er würde natürlich sagen, dies sei übertrieben.

Dr. Uwe Tiedemann: Mit einem Sternekoch kann ich nicht mithalten, doch koche ich wirklich gerne — und dies seit meinem sechsten Lebensjahr. Damals überraschte ich meine Eltern zum Frühstück mit selbstgebackenen Semmeln; wie diese zubereitet wurden, hatte ich mir zuvor bei meiner Mutter abgeguckt.

Sie liebäugelten einst damit, ein eigenes Restaurant zu eröffnen, wurden dann aber eines Besseren belehrt.

Dr. Uwe Tiedemann: Ein Praktikum, das ich bei einem Sternekoch machen durfte, hat mich geläutert. Wenn man in seiner Kleintierpraxis schwerpunktmäßig chirurgisch arbeitet, dann sind die Hände unglaublich sensibel. In den Küchen hantiert man vor offenen Flammen, mit siedendem Fett und heißem Wasser. Mir fehlte ganz offensichtlich die Hornhaut auf den Fingern, und ich habe mich dort dermaßen verbrannt, dass ich anschließend einsehen musste: Der Beruf des Tierarztes und der des Kochs sind nicht kompatibel. Dennoch war das Arbeiten mit einem Koch dieses Ranges eine tolle Erfahrung.

Wo liegen Ihre kulinarischen Präferenzen?

Dr. Uwe Tiedemann: Meine Frau behauptet, dass ich die italienische Küche am besten beherrsche, doch koche ich auch sehr gerne japanisch. Leider bleibt momentan zu wenig Zeit, doch früher haben wir oft Gäste eingeladen, für die ich dann zu einem bestimmten Thema gekocht habe. Der Höhepunkt war unser japanisches Menü mit 14 Gängen.

Herrscht da bei ihnen grundsätzlich eine umgekehrte Rollenverteilung?

Evelin Tiedemann: Das könnte man sagen. Nur wenn es um die gute Hausmannskost geht — beispielsweise Hühnerfrikassee — dann sagt mein Mann: „Das mach du mal lieber, das kannst du besser“. Uwe hat beim Kochen einfach die Ruhe, gerade auch, wenn es um das Experimentieren geht. Ich finde das schon bewundernswert, wenn jemand beim Gemüseschneiden entspannen kann!

Werden bei Ihnen die Vorlieben geteilt — Tiere, Schwimmen, Doppelkopf, Kultur …

Dr. Uwe Tiedemann: Eher nicht, da hat jeder seine eigenen Hobbies. Doppelkopf spiele ich seit Langem in unserer Herrenrunde, doch auch dies muss momentan hinter meinen Terminen zurückstehen. Im Übrigen kann man mit meiner Frau überhaupt nicht spielen. Vermutlich hat sie irgendwann einmal während ihrer Tätigkeit als Erzieherin beschlossen, aus lauter Nettigkeit grundsätzlich die Kinder gewinnen zu lassen. Und so handhabt sie es eben auch heute noch. Da bleibt jede Herausforderung auf der Strecke.

Evelin Tiedemann: Für Haustiere bleibt ebenfalls viel zu wenig Zeit, doch wandern durch unseren Garten so viele Katzen aus der Nachbarschaft, dass wir in ihnen einen wunderbaren Ersatz haben.

Dr. Uwe Tiedemann: Wenn wir es schaffen, gehen wir zusammen golfen, und von Zeit zu Zeit begeistert mich Evelin für die Kultur, wenn sie mich ins Theater oder zu Konzerten entführt.

Insgesamt gab es im letzten Jahr an den Wochenenden gerade einmal acht Termine, die Sie für Privates reservieren konnten. Werden Verabredungen mit der eigenen Ehefrau notwendig?
Evelin Tiedemann: Das wird es tatsächlich! Beispielsweise hatten wir im vergangenen Jahr ein regelrechtes „Blind Date“.

Dr. Uwe Tiedemann: Evelin kam vom Außendienst aus Cuxhaven, ich aus Hannover. Als Treffpunkt hatten wir den Hamburger Hauptbahnhof verabredet. Mein ICE hatte wieder einmal Verspätung, ich rief also meine Frau an und sagte: Geh schon mal zu „Mö“ und trink ein Glas Champagner, ich bin gleich da. 35 Minuten später fand ich meine Frau ganz alleine mit dem Barkeeper an der Champagner-­Bar sitzend. Ich fragte sie ganz offiziell, ob der Platz neben ihr frei wäre, lud sie zu einem Glas ein und gab ihr ein Küsschen. Der Blick des Barkeepers sagte alles — vermutlich war er fassungslos, was ich als vermeintlich Fremder für ein Tempo an den Tag legte.

Ein Ausblick in das Jahr 2016: Welche Aufgaben stehen für Sie an?

Evelin Tiedemann: Für mich steht die Kommunalwahl 2016 an und in diesem Zuge die Überlegung, ob ich wieder kandidiere. Und natürlich der Wunsch, auch die wenige verbleibende Zeit sehr bewusst für unser Privatleben zu nutzen.

Dr. Uwe Tiedemann: Erst einmal werde ich mein neues Amt wahrnehmen; all jene, die bestimmte Forderungen haben und in den vergangenen Jahren nicht zum Zuge kamen, nutzen jetzt diese ersten Wochen, um ihre Anliegen erneut zu stellen und den Neuen zu testen. Ich werde mich also mit einer Vielzahl von Thematiken beschäftigen. Zudem wartet das große Thema Antibiotika und vor allem die Resistenzfrage dringend auf eine Lösung. Was ich so schlimm finde ist, dass dieses Thema von den Medien immer wieder falsch dargestellt wird. Da gilt es jetzt Aufklärung zu leisten.(nf)

Fotos: Enno Friedrich

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