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Lüneburger Klönschnack Teil 4

geschrieben von Irene Lange im Mai 2014

Täglich um die Mittagszeit findet sich seit einem Jahrzehnt eine Runde munterer älterer Herren – manchmal auch Damen –
am runden Tisch im COMODO zum Klönschnack ein; ein fester Termin, an dem man sich über „Gott und die Welt“ austauscht.
Künftig werden hier aktuelle und vergangene Geschichten aus dem Leben der „Silberlocken“ erzählt

Robert Ripakewitz – Lüneburgs „Teufelsgeiger“ hat stets den Schalk im Nacken

Eigentlich müsste Robert Ripakewitz, der seit einigen Jahren zu den „Silberlocken“ vom Stammtisch im COMODO zählt, der „Lüneburger Teufelsgeiger“ genannt werden, schließlich spielte er viele Jahre lang als lustiger Freizeit-­Musikclown nicht nur das Akkordeon, sondern auch das vielseitige Jux-Instrument, die „Teufelsgeige“, die aus einem Besenstiel besteht und mit einem Toilettenschwimmer, einem Tamburin, Glöckchen und Schellen ausgestattet ist.

Seine Kindheit war für den 1935 in Hamburg geborenen Robert Ripakewitz, der mit zwei älteren Schwestern aufwuchs, nicht immer leicht. Als er in der zweiten Klasse war, wurde seine Familie, wie viele andere auch, aufgrund der Bombenangriffe auf die Hansestadt evakuiert und kam durch Beziehungen bei einer Familie in Güstrow unter. Damals war sein Vater noch dabei, der während des Krieges bei Blohm & Voss zwangsverpflichtet war. Als sich abzuzeichnen begann, dass die Russen auch Güstrow einnehmen würden, verschlug es die Familie in die alte Heimat nach Hamburg, wo man einen Schrebergarten besaß. Dieser wurde zum Zufluchtsort, man wartete das Ende des Krieges in bescheidensten Verhältnissen ab. Das Schicksal wollte es, dass der Vater kurz vor Kriegsende eingezogen wurde – damit musste auch der Unterschlupf in der Schrebergartenkolonie aufgegeben werden. Das neue Zuhause der Familie wurde für lange Zeit ein einziges Zimmer in einem Bauernhaus mit Schimmel an den Wänden. Es gab nichts zu essen, und so war man froh, die sogenannte „Schwedenspeisung“ zu bekommen, die nach dem Krieg als Massenspeisung vom Ausland finanziert wurde. Die Ehe seiner Eltern hatte der Not nicht Stand gehalten, sie ließen sich scheiden.

Doch ging auch diese schwere Zeit vorbei, und für den jungen Robert war 1950 die Schulzeit zu Ende. Er begann eine Lehre als Industriekaufmann im Baugewerbe, ein Beruf, dem er treu geblieben ist. Profession, Ehrgeiz und Zuverlässigkeit trugen ­sicher dazu bei, dass er in „seinem“ Unternehmen bis zum Ruhestand als Personalleiter tätig war.

In seinem Nachnamen sei der Wortteil „Witz“ enthalten, darauf macht Ripakewitz aufmerksam. Ob diese Tatsache auf seinen Charakter Einfluss genommen habe, vermag er nicht zu sagen, doch tatsächlich gehört Humor für ihn zu den wichtigsten Dingen im Leben.v Schon nach dem Krieg sei „auf Deubel komm raus“ gefeiert worden. In dieser Zeit begann er als Musikclown mit der so genannten Teufelsgeige erstmals in seinem Sportverein aufzutreten. Mit seinen Vorträgen beeindruckte er auch eine gewisse Ursula Bradhering, die er 1958 heiratete. Sie verstarb 1976, viel zu früh im Alter von nur 38 Jahren. Er blieb mit zwei Kindern als alleinerziehender, voll berufstätiger Vater zurück. „Eine schwere Zeit“, erinnert er sich.
Seine Hobbys – Sport und Musik – halfen ihm über vieles hinweg. Sein gutes Auskommen als Personal­leiter ermöglichte es ihm, seinen Kindern all das mitzugeben, was er selbst als Kind entbehren musste. Er kaufte sich ein Akkordeon und büffelte eisern im Musikunterricht. Zunächst spielte er bei vielen privaten Anlässen nach Noten, später dann alles aus dem Kopf. „Ich war immer so etwas wie der Mannschaftsführer beim Feiern“, schmunzelt er. Sogar in der Wandelhalle des Hamburger Hauptbahnhofs oder auf dem Pferdemarkt spielte er auf und trug dazu plattdeutsche Lieder vor.

Mit seinem 63. Lebensjahr beendete er seine berufliche Laufbahn und zog 1998 nach Lüneburg. Jahre zuvor hatte er die Stadt kennen und lieben gelernt, denn 1972 legte er sich hier einen Schrebergarten mit einem schmucken Gartenhaus zu. Der Ruhestand barg auch die Gelegenheit, sich einem seiner drei Hobbys verstärkt zu widmen: plattdeutschem Theaterspiel, Gesang oder dem Eintritt in ein Akkordeonorchester. Er entschied sich, Mitglied im Augustus-Chor zu werden – so war er auch bei dessen Auftritt mit Opern- und Operetten­melodien zum 100-jährigen Theaterjubiläum in Lüneburg als Bass-Sänger dabei. Und auch dem Sport hielt er lange Jahre die Treue: Das Fußballspielen gab er erst mit 63 Jahren auf, wechselte danach zum Tischtennis. Auch bei der sonntäglichen Radtour seiner Stammtischfreunde „Silberlocken“ ist er dabei. Plattdeutsche Lieder gibt er nach wie vor gern zum Besten, genießt aber auch die gemeinsamen Seniorenfahrten, beispielsweise in die Semper-Oper nach Dresden – und Österreich bleibt sein bevorzugtes Ziel für Urlaubsreisen. Besonders aber freut es ihn, dass er in der Runde seiner Stammtischfreunde im COMODO immer wieder Gesprächspartner findet, die auch seinen Humor zu schätzen wissen, den er trotz einer schweren Erkrankung nicht verloren hat.(ilg)

Fotos: Enno Friedrich

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