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Weltweit im Einsatz, in der Heide zuhause

geschrieben im Juni 2016

60 Jahre Aufklärungslehrbataillon 3 „Lüneburg“

Die Lüneburger Aufklärer werden 60, ein Grund zum Feiern. Am 28.06.1956 wurde vom frisch aufgestellten Verteidigungs­minis­terium der Aufstellungsbefehl Nr. 20 erlassen, der ein Panzeraufklärungsbataillon in Lingen an der Ems begründete. Zugehörig zur damaligen 3. Panzerdivision in Buxtehude, bekam es die „Hausnummer“ 3 und wurde nur drei Jahre später in den ehemaligen Fliegerhorst der Wehrmacht, dann die „Alma Barracks“ der britischen Armee nach Lüneburg verlegt.
60 Jahre Aufklärungslehrbataillon 3 „Lüneburg“ sind auch 60 Jahre Heimatgeschichte, sind 60 Jahre Erinnerungen, 60 Jahre internationale Politik. Seit den Anfangsjahren haben unzählige junge Männer der Region ihren Wehrdienst bei den Lüne­burger Aufklärern geleistet, sind Spähtrupp gefahren im Wendland, standen in Stellungen nahe der damaligen innerdeutschen Grenze, bevölkerten die Kneipen und Cafés der Stadt. Sie waren dabei als 1962 die Elbe kam, als 1975 die Heide brannte und ein Jahr später der Elbe-Seitenkanal brach. Sie waren aber auch jeden Herbst dabei, wenn hunderte Nato-Panzer die Äcker der norddeutschen Tief­ebene durchpflügten, um sich auf das schlimmste vorzubereiten, um gewappnet zu sein, die freie Welt zu verteidigen.

Militär war präsent in Lüneburg und der Umgebung, nicht nur wegen der Männer und Frauen unter dem „Springenden Reiter“. Schließlich lag ­eine ganze Brigade mit tausenden Soldaten in ­Lüneburg. Aber die Geschichte des Bataillons hat nicht nur Anknüpfungspunkte in der lokalen Geschichte, besteht bei weitem nicht nur aus Hilfe­leistungseinsätzen an der „Heimatfront“ und großen Übungen um unsere schöne Garnisonstadt herum, deren Namen die Lüneburger Aufklärer seit 2008 stolz am Fahnenband tragen.
Spätestens das Ende des Kalten Krieges und die Wiedervereinigung Deutschlands veränderte den Auftrag des Bataillons enorm. Der erste Auslandseinsatz für das Bataillon fand 1993 unter dem blauen Helm der Vereinten Nationen in Somalia statt. Der grausame Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien führte dazu, dass ab 1995 Lüneburger Spähtrupps den brüchigen Frieden auf dem Balkan überwachten – erst in Bosnien-Herzegowina, dann auch im Kosovo und in Mazedonien sowie in Kunduz, Mazar e-Sharif, Feyzabad und Kabul. Über zehn Jahre lang waren diese Orte für die Soldaten aus der Kaserne am Ende der Bleckeder Land­straße mehr als nur Namen aus der Tagesschau. Etwa alle zwei Jahre bekam das Bataillon den Auftrag, eine Aufklärungskompanie für ein Jahr nach Afghanistan zu entsenden. Eine Kompanie mit beinahe 100 Soldaten im ersten Halbjahr, eine im zweiten, eine als Reserve – das war der Grundsatz seit 2002.

Heute stehen die Männer und Frauen der Lüneburger Aufklärer auf drei Kontinenten. Sie klären auf in Afghanistan, bilden kurdische Peshmerga gegen den sogenannten Islamischen Staat im Irak aus, unterstützen die Vereinten Nationen in Somalia, beteiligen sich weiterhin im Kosovo, bereiten sich auf die Entsendung einer Aufklärungskompanie in den Norden Malis vor, wo vor kurzer Zeit noch isla­mistische Milizen alles zerstörten, was nach Schönheit und Freiheit roch. Auch die Aufträge innerhalb der Landesgrenzen haben sich verändert. Sah man das markante goldgebe Wappen mit dem springenden Reiter 2013 noch an den Deichen der Elbe, so war es ab Oktober 2015 eine Flüchtlingsunterkunft nördlich der Elbe, die bis zum Beginn des Jahres betrieben wurde.

„Und die Aufklärer sind immer dabei …“ Ein altes Mantra der Truppengattung, die die besondere ­Bedeutung der Aufklärungskräfte innerhalb der ­Armee hervorhebt. Als Augen und Ohren der Streitkräfte beschaffen die Soldatinnen und Soldaten des Aufklärungslehrbataillon 3 Informationen durch bodengebundene Spähtrupps auf dem Spähwagen „Fennek“, mit leichten Spähern zu Fuß, klären auf mit Radar auf dem gepanzerten Fuchs, beherrschen die Aufklärung aus der Luft mit den unbemannten Luftfahrzeugen KZO (Kleinfluggerät Zielortung) und LUNA (Luftgestützte Unbemannte Nahaufklärungs-Ausstattung) sowie das zielorientierte Gespräch mit den Feldnachrichtenkräften. Dazu gliedert sich das Aufklärungslehrbataillon 3 in seinen Stab und fünf Kompanien. Die 1. Kompanie, die traditionell für die Versorgung des Bataillons zuständig ist, die 2. Kompanie, in der ­alle Spähtrupps mit dem Spähwagen „Fennek“ ihre Heimat haben, die 3. Kompanie, die „leichte“, in der die Feldnachrichtenkräfte und infanteristisch ausgebildete Späher dienen, die 4. Kompanie, als „technische“ Aufklärungskompanie verantwortlich für die fliegenden Systeme und das Radar, und zu guter Letzt die nichtaktive 5. Kompanie, ein aus Reservisten bestehender Ergänzungstruppenteil, der allerdings so häufig und aktiv übt, dass jedes gängige Vorurteil über die „Wochenendsoldaten“ der Reserve im Keim erstickt wird.

Der Auftrag des Bataillons – bis zum Ende des Kalten Krieges noch von der Landesverteidigung beherrscht – wurde in den 90er-Jahren breiter, internationaler, weitreichender. Nichts neues, denn schon 1966 hatte man sich mit seinem Nachbarn an der linken Flanke zusammengetan, den in Deutschland stationierten niederländischen Aufklärern „Huzaren van Boreel“, mit denen bis heute eine enge Bindung besteht. So wird im Juli nicht nur das eigene 60. Jubiläum begangen, sondern auch noch das 50. Jahr der ältesten Patenschaft zwischen zwei Verbänden von Nato-Staaten. Ein guter Grund zum Feiern!

Dass sich in der Stadt nicht Plakat an Plakat reiht, dass nicht jeder zweite Lüneburger schon von einem Tag der offenen Tür oder einer großen öffentlichen Veranstaltung weiß, mit der das Auf­klärungsbataillon diese besondere Jahr begeht, hat einen Grund: Der Einsatz im Norden Malis ist nah. Fast die Hälfte des Bataillons wird nach dem Sommer erstmals den Niger sehen und rund um die Stadt Gao „Auge und Ohr“ der Blauhelmtruppe im Land sein. Die Vorbereitungen dafür sind im vollen Gange. Derzeit findet die Einsatzvorausbildung nicht nur für die Soldatinnen und Soldaten des Bataillons, sondern auch für alle weiteren Unterstützungstruppenteile aus Deutschland, Belgien und Estland statt. Daher wird stiller gefeiert als gedacht, in kleinerem Maßstab, mit weniger Aufwand. Die Lüneburger Aufklärer konzentrieren sich auf das Wesentliche: den Einsatz!

Fotos: Bundeswehr

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