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Der Hochzeitstag ist auch nur ein Datum …

geschrieben von Caren Hodel im Oktober 2019

änner und Jahrestage – das ist eine Kombination, die selten gut geht. Viele Frauen sehen das ja es als böses Omen: Wenn der Mann beginnt, den Hochzeitstag zu vergessen, stehen die Sterne schlecht für die Ehe. Ich gehe entspannter damit um – weil Arne freudige Ereignisse wie diese nicht erst seit gestern vergisst, sondern schon immer. Es kann also nicht mit plötzlich fehlender Liebe zu tun haben. Aber womit dann?
Diese Frage stelle ich mir bereits seit mehr als zehn Jahren. Ich habe ein wenig recherchiert und kann zusammenfassend behaupten: Arne befindet sich in guter Gesellschaft. Denn jeder vierte Mann hat den Hochzeitstag schon einmal vergessen; den Jahrestag der Beziehung sogar jeder dritte.
Was nichts daran ändert, dass ich mich regelmäßig über seine Vergesslichkeit ärgere. Wieso um Himmels Willen kann er sich das Rückspiel des Champions-­League-Halbfinales merken, aber nicht den Tag unserer Liebe? „Ach, aber Arne ist so toll und macht so viel für dich!“, sagen meine Freundinnen gern, wenn wir uns treffen und gemeinsam das Männer-Klagelied anstimmen. Ja, er kocht gut. Und den Müll bringt er auch raus. Aber alles, was mit Organisation zu tun hat, lastet auf meinen Schultern. Ich notiere mir alle Geburtstage. Ich kaufe Geschenke, verabrede uns zum Essen und schreibe alle Karten.
Arne selbst ist übrigens fest davon überzeugt, dass seine Schusseligkeit erblich bedingt ist: „Es gibt da so ein Gen, das dafür verantwortlich ist, dass man Sachen vergisst“, behauptete er neulich, als er versäumte, unseren Sohn vom Kinderturnen abzuholen, „und deshalb werden bei mir ganz viele wichtige Signale nicht in die Stirnlappen weitergeleitet.“ Ich war stinksauer: „Was zum Teufel redest du da? Welche Stirnlappen?“ – „Na die, die dafür zuständig sind, dass ich an unseren Jahrestag denke. – „Vielleicht solltest du dir dann einfach einen Zettel schreiben?“, konterte ich, woraufhin er erwiderte: „Tu ich ja. Aber dann weiß ich nicht mehr, wo ich ihn hingetan habe, verstehst du?“
Ich habe lange geglaubt, man könnte Männern wie Arne diese Vergesslichkeit mit viel Geduld und Geschick abtrainieren. Inzwischen bin ich zu der Erkenntnis gekommen: Es funktioniert nicht. Ich habe am Hochzeitstag geschmollt, ich habe ihn mit einer Ballonfahrt überrascht – in der Hoffnung, dass er sich im nächsten Jahr dafür revanchieren wird – und ich habe wenige Tage zuvor dezente Hinweise gestreut. „Hast du das heute in der Zeitung gelesen, Schatz?“, half ich ihm letztes Jahr auf die Sprünge. „Heiraten wird immer teurer. 5.000 Euro geben Paare im Schnitt dafür aus. Wie gut, dass wir damals nicht so ein Spektakel veranstaltet haben.“ Mein Mann nickte gedankenverloren und einen Moment lang hatte ich die leise Hoffnung, der Groschen sei gefallen. Aber dann antwortete er: „Wo du gerade von Spektakel sprichst: Hast du eigentlich mitbekommen, dass bei uns um die Ecke ein neues Feuerwehrhaus gebaut werden soll?“
Tja, was macht man nun mit so einem Mann? Mein Tipp: Ihn einfach lieben, wie er ist und sich dabei immer wieder vor Augen halten, dass jeder Mensch anders tickt. Dass Arne nicht als allererstes nach dem Aufwachen daran denkt, dass wir uns vor elf Jahren zum ersten Mal in der U-Bahn begegnet sind, bedeutet nicht automatisch, dass ich ihm egal bin. Der beste Gegenbeweis ist, dass er noch immer neben mir aufwacht. Ich bekomme sogar hin und wieder Rosen – nicht am Hochzeitstag, aber in Momenten, in denen ich am wenigsten damit rechne. Ich habe mir deshalb fest vorgenommen, in Zukunft nachsichtig mit den großen Tagen von gestern zu sein. Es ist schließlich viel wichtiger, sich geliebt zu fühlen, als sich an Liebe zu erinnern, oder?

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