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Frieden war das schönste Geschenk

geschrieben von Irene Lange im Dezember 2019

Nach langen Mangeljahren waren vier Jahre nach Kriegsende zu Weihnachten 1949 in Lüneburg die Gabentische zum ersten Male wieder reichlicher gefüllt

Endlich wieder etwas Normalität. Als alleiniges Zahlungsmittel wurde nach der Währungsreform am 20. Juni 1948 in den drei westlichen Trizonen die Deutsche Mark – DM – eingeführt. Allmählich stieg das Warenangebot, so dass um die Weihnachtszeit auch in Lüneburg notwendige Konsumgüter ausreichend vorhanden waren. So konnten wieder Weihnachtsgeschenke gemacht werden, die sich nicht nur auf den obligatorischen „bunten Teller“ beschränkten. Doch die Wenigsten konnten sich seinerzeit Luxus leisten. In vielen Familien fehlten die Väter. Entweder waren sie im Krieg gefallen, verschollen oder aus der Gefangenschaft bisher nicht heimgekehrt. Zudem herrschte eine hohe Arbeitslosigkeit. Das heißt: Geld war knapp. So mussten bei Geschenken oft Fantasie und handwerkliches Geschick für strahlende Kinderaugen sorgen. Da wurde beispielsweise die alte Puppe mit neuen Kleidchen aufgehübscht. Ein eigens gebautes Kasperltheater mit gebastelten Puppen war da schon ein Highlight. Aber immer war etwas Praktisches dabei, wie gestrickte Schals oder Mützen oder kratzige Wollstrümpfe, die an Leibchen befestigt wurden. Die bunten Teller waren vorwiegend mit selbst gebackenen Keksen gefüllt. Ein besonderes Extra war eine Apfelsine, die unter einigen Äpfeln leuchtete. Dennoch sollte das Weihnachtsfest so weit als möglich zu einem festlichen Ereignis werden, auch wenn oft das Geld für Geschenke fehlte. Die Menschen waren dankbar, dass nun – nach den Jahren des Schreckens und der Entbehrung – wirklich Frieden herrschte. Mit der neuen harten D-Mark-Währung gab es eigentlich schon wieder alles. Das geht aus den Werbeanzeigen der damaligen Ausgaben der Landeszeitung im Dezember 1949 hervor

Da bietet etwa die Konditorei Rauno Baumkuchen, Marzipan und Stollen an. Die Wochenmärkte allerdings waren nicht
gerade reichlich beschickt, denn bei vielen Nahrungsmitteln herrschte immer noch ein gewisser Mangel. Im Angebot waren hauptsächlich Eier (pro Stück 36 – 41 Pfg.) und Kartoffeln (Pfund 6 – 7 Pfg.; 10 Pfund 60 – 65 Pfg.). Mit „Geschenken, die sich jeder wünscht“ warb Firma Grote & Co. Anzüge für Herren, Hausjacken, Gamaschen und Socken gab es für den Herrn; für die Damen Mäntel, Kleider, Wäschegarnituren und Damenschlüpfer. Ähnliches bot das Textilhaus Hedemann. Werbung für Schmuck fehlte ebenfalls nicht. Wie bis in die heutige Zeit war auch damals die Spendenbereitschaft und Hilfsbereitschaft zu Weihnachten größer als sonst. So überraschte ein Weihnachtsmann aus Schweden die Lüneburger mit 20 Zentner gut erhaltenen Kleidungsstücken für mehr
als hundert Flüchtlinge. 200 Kilo Lebertran erhielt.das Staatliche Gesundheitsamt zur Behandlung von
TBC-Kranken.
Ebenso wurden bei den wieder veranstalteten Weihnachtsfeiern in Lüneburg und im Umland Geschenke verteilt – allerdings in Form von Butter, Wurst, Brot und Kuchen. Auch die Kleinen in den Kindergärten kamen nicht zu kurz. Ihnen brachte der Weihnachtsmann ein kleines Spielzeug oder einen bunten Teller. Im Z.v.D. – Zentralverband der vertriebenen Deutschen, Kreisverband Lüneburg – gab es beim sogenannten „Flüchtlings-Weihnachten“ bei vier Feiern mit insgesamt 1.200 Teilnehmern eine jeweils eindrucksvolle Bescherung.

Jedes Kind bekam ein Geschenk. Die Spenden kamen überwiegend von Flüchtlingsorganisationen und mit Unterstützung des Stadtflüchtlingsamtes. Die britischen
Besatzungssoldaten hatten einen „Ozean“ von Kakao, Mengen von Kuchen und anderen Leckereien für etwa 100 Flüchtlingskinder gespendet. Es wurde wieder gefeiert und getanzt. Im Logenhaus war zum Tanztee und Weihnachtsball geladen, und im Tivoli und Meyers Garten lockte das Weihnachtsvergnügen. Das Kino „Schaubühne“ zeigte im Weihnachtsprogramm das Lustspiel „Kätchen für Alles“
mit Hannelore Schroth und Willy Fritsch, die beide zu den seinerzeit beliebtesten Schauspielern gehörten. Der 24. Dezember 1949 – das Wetter neblig trüb mit leichtem Frost – war ein Sonnabend. Am Nachmittag stimmte sich Jung und Alt auf den Heiligabend beim Gottesdienst in den Lüneburger Kirchen ein. Es muss ein besonders feierlicher Augenblick
gewesen sein, als der Turmbläser gegen 17.30 Uhr vom Turm der St. Johanniskirche die altbekannten Weihnachtslieder erklingen ließ.
So mancher Zeitzeuge wird sich auch nach 70 Jahren noch an die Weihnachten seiner frühen Kindheit erinnern. Im Jahr 1949, dem Jahr der Wahl der ersten Bundesregierung unter Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer, war jedoch das schönste Weihnachtsgeschenk immer noch der Frieden.

— Quelle: Archiv Landeszeitung,
Ausgaben Dezember 1949

Fotos: privat, Pixapay © AnnaER

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