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Die Grünen Damen

geschrieben von André Pluskwa im Februar 2012

Ehrenamtliche Hilfen im Krankenhaus

Freitagmittag im frühen Januar – das erste Mal überhaupt zeigt sich der schon längst ver­loren geglaubte Winter über Lüneburg, dicke Schneeflocken bringen den Verkehr der Hansestadt kurz zum Erliegen. Zu diesem Zeitpunkt läuft der Autor dieser Zeilen, aufgrund einer aufkommenden Bronchitis nur mit halber Kraft gesegnet, zudem das Taschentuch immer im Anschlag, bereits durch das Gängelabyrinth in den Tiefen des Städtischen Klinikums, auf der Suche nach dem Büro der Grünen Damen, jener ehrenamtlichen Gemeinschaft von Frauen (und einigen wenigen Männern), die — daher der Name — in ihren grünen Krankenhauskitteln fünf Tage in der Woche auf Station unterwegs sind, um dort als Engel in Grün für die Patienten da zu sein.

Grüne Damen und Herren erfüllen ehrenamtlich, unabhängig und in eigener Verantwortung persönliche Wünsche von Patienten und älteren Menschen.

Das Prinzip der Grünen Damen (und Herren!) — rund 11.000 Grüne Damen gibt es deutschlandweit — wurde 1969 über den Dachverband, die EKH, die Arbeitsgemeinschaft „Evangelische Krankenhaus-Hilfe e. V.“, festgeschrieben. Darin heißt es: „Grüne Damen und Herren sind Laien, die ehrenamtlich, unabhängig und in eigener Verantwortung persönliche Wünsche von Patienten und älteren Menschen erfüllen. Sie nehmen sich Zeit zum Zuhören und für Gespräche. Sie erle­digen kleine Besorgungen und Hilfeleistungen. Sie tun also Dinge, zu denen die hauptamtlichen ­Pflege- und Betreuungskräfte in den Einrichtungen nicht immer die nötige Zeit und Ruhe haben. Dabei sind die Grünen Damen und Herren stets darum bemüht, in gutem Verhältnis zu den Fachleuten in den Häusern tätig zu sein und die Kooperation zu suchen.“

Der verschnupfte Redakteur nimmt, hat er endlich das Büro gefunden, diese Dienste gleich gern selbst in Anspruch — seine Taschentücher sind vebraucht. Schnäubend sitze ich da, um mich herum die Grünen Damen des Tages im Aufbruch, mir gegenüber Johanna Gerhard, die 1989 die Grünen Damen in Lüneburg mitgründete und diese seitdem leitet.

Sie, „in einem früheren Leben freiberufliche Redakteurin für die LZ, dann aber hauptberuflich ehrenamtlich“, fasst das Wirken der Grünen Damen im Verlaufe unseres Gespräches so zusammen: „Was Grüne Damen im Städtischen Klinikum und außerdem in der Alten Stadtgärtnerei, dem Johanneshof Dahlenburg und als Johanniterbesuchsdienst im Posener Altenheim tun, kann man gern als ,praktische Seelsorge‘ bezeichnen.

Wir haben die Möglichkeit, uns Zeit zu nehmen, diese den Patienten zu schenken, für ein gutes Klima zu sorgen, in dem wir unter anderem vieles von dem machen können, wofür dem Krankenhauspersonal die Zeit fehlt.“ Das kann beispielsweise das Holen der geliebten Morgenzeitung sein, augenscheinlich ein kleiner Hilfsdienst nur. Dabei stellt das Aufrecht­erhalten von Gewohnheiten, Alltagsritualen, Routine einen zwar kleinen, aber dennoch wichtigen Baustein zur Genesung des Patienten dar, für den ein Krankenhausaufenthalt eine Ausnahmesituation und damit eine Belastung darstellt.

In wie vielen Menschen löst der Aufenthalt in einem Krankenhaus Unbehagen aus, seien es die Gerüche, die langen Gänge, die Allgegenwärtigkeit von Krankheit, Schmerz, Leid und Tod. Umso beruhigender kann es für einen Patienten sein, wenn zumindest ein paar wenige Dinge an das sichere Zuhause erinnern und der Klinikaufenthalt nicht zu belastend wird. Dazu tragen die Grünen Damen mit ihrem höflichen und unaufdringlichen Erscheinen bei. Kleine Gesten, die dazu beitragen, sind für Arbeitende in Helfersystemen unabdingbares Rüstzeug; ein entsprechend sensibler Umgang damit im Arbeitsalltag, das Fingerspitzengefühl für Gespräche, Körpersprache, Mimik, Gestik — all dies sind Aspekte, die Türen öffnen, Sichtweisen verändern, Leichtigkeit und Hoffnung entstehen lassen können – wenn man es nur richtig anzustellen weiß!

„Achtsamkeit, Zugewandtheit, Aufmerksamkeit in Verbindung mit dem Zurücknehmen der eigenen Befindlichkeiten machen eine ,erfolgreiche‘ Grüne Dame aus. Wenn die Patienten sagen „Schön, dass Sie kommen!“ — und überlegen Sie einmal, wie oft man so einen Satz überhaupt zu hören bekommt im Alltag — und am Ende des Besuches „Schön, dass Sie da waren!“, ist das das bestmögliche Lob für unsere Arbeit!“ erklärt Johanna Gerhard.

Natürlich hat es in den 23 Jahren Veränderungen gegeben. Wurden sie anfangs sehr kritisch beäugt, sind die Grünen Damen heute aus dem Klinikalltag nicht mehr wegzudenken. „Heute haben sich leider die Liegezeiten verkürzt — Ausdruck unserer Zeit: Früher wurde immer empfohlen, eine Krankheit mit viel Ruhe stationär auszukurieren. Für uns Grüne Damen bedeutet dies, dass wir insgesamt weniger Zeit mit mehr Menschen verbringen; das heißt, viele Patienten sehen wir nur ein einziges Mal.“

Was die grünen Damen Tag für Tag bewerkstelligen, kann man gern als praktische Seelsorge bezeichnen

Tatsächlich ist es so, dass auch zwischen den Damen untereinander ein Umgang vorherrscht, den man im Alltag in der „Welt da draußen“ nur noch selten mitbekommt. Wie ein Wink aus einer anderen Zeit erscheinen manch einem diese Umgangsformen, dabei sind sie frei von Steifheit, sondern selbstverständliche Höflichkeit — gescherzt wird natürlich trotzdem. „Viele unserer Damen — wir sind 66 Ehrenamtliche, davon drei Herren — haben über die Jahre Freundschaft geschlossen. Der Ton untereinander ist herzlich und kultiviert. Ein Großteil der Grünen Damen ist älteren Semsters. Es gibt die Regel, dass die Dienstzeit mit 75 Jahren endet.“

Entsprechend freut man sich bei den Grünen Damen über Nachwuchs. Die Generation derer um die Dreißig ist unterproportional vertreten. „Wer bei uns mitmachen will, kann sich gern melden. Es gibt eine Probezeit, in der man sich gegenseitig kennenlernen kann und während derer man feststellt, ob einem das Arbeiten im Krankenhausumfeld liegt. Auch muss man sich darüber im Klaren sein, dass wir nicht die ganze Welt retten können, geschweige denn dies wollten. Wir sind kleine Räder im System, Laien, keine Mediziner, keine professionellen Seelsorgerinnen! Auch sollte die Fähigkeit zur Abgrenzung da sein. Strukturell sieht es bei uns so aus, dass jede Grüne Dame ihre feste Station hat, auf der sie einmal die Woche von 9.00 bis 12.00 Uhr hilft. Ist sie einmal verhindert, sorgt sie selbst für Ersatz. Wer neu ist, arbeitet zunächst als Springer. Zudem bieten wir Fortbildungen an, zu deren Teilnahme man bereit sein sollte.“(ap)

Informationen zu den Grünen Damen:
www.klinikum-lueneburg.de/gruene-damen

Fotto: Enno Friedrich