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Das LBS-Haus „Bei der Abtspferdetränke“

geschrieben im April 2015

Wer heute die modern und ansprechend gestalteten Geschäftsräume der LBS „Bei der Abtspferdetränke 2“ in Lüneburg betritt, erahnt wohl kaum, welch wechselvolle Geschichte sich in dem Gemäuer seit seiner Erbauung, die auf das 15. Jahrhundert zurückgeht, verbirgt. Lange Jahre stand das Gebäude leer, seine Substanz begann zu bröckeln. Lediglich ein Imbiss, der gern von Lüneburger Nachtschwärmern aufgesucht wurde, hielt sich hier. In den Jahren 2007/2008 wurde es von seinem heutigen Besitzer Jürgen Sallier unter den strengen Auflagen des Denkmalschutzes gründlich saniert. Aufgrund des maroden baulichen Zustandes musste das Eckhaus fast gänzlich entkernt werden. Einst stand das Haus mit seinem östlichen Giebel direkt am Wasser, weil im 15. Jahrhundert die Ilme­nau offensichtlich breiter war und die Ufer­befestigung von der Abtspferdetränke bis an die Kaufhausbrücke mit eingerammten Holzpfählen stabilisiert wurde. Das Haus war häufig dem Hochwasser ausgesetzt, wodurch erhebliche Schäden entstanden waren. Daher fielen in den nachfolgenden Jahren immer wieder Reparaturen am Gebäude bzw. der Einbau neuer Gründungspfähle an, was aus den noch erhaltenen Rechnungen jener Zeit hervorgeht. Lange Zeit hatten im Haus an der „Pferde Träncke“ Spielleute Unterkunft gefunden. Die Musikanten waren im Dienste des Lüneburger Rates bei freier Kost und Logis angestellt und spielten zu verschiedenen Anlässen oder Festlichkeiten auf.

Gastwirt Peter Meyer eröffnete 1908 im Erdgeschoss des Anbaus das erste Kino der Stadt mit Platz für etwa 250 Personen, das „Edisontheater“.

Ein Lageplan aus dem Jahre 1738 zeigt schließlich, dass eine Zusammenlegung der Dienstwohnungen der Stadtmusikanten mit dem an der Abtspferdetränke gelegenen Bürgerhaus im Besitz eines Brauers bereits vor längerer Zeit stattgefunden ­haben musste; denn eine mit Putten und Blumengirlanden reich geschmückte Holzbalkendecke, vermutlich aus dem 17. Jahrhundert, lässt annehmen, dass diese kaum als eine Ausstattung für Wohnungen von Spielleuten vorgesehen war. Heute ist die Decke im Erdgeschoss Teil der Geschäftsräume der LBS. Der Hausbesitzer ließ sie in mühevoller Arbeit durch zwei Hannoveraner Restauratorinnen wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzen.
Mehrmals in den vergangenen Jahrhunderten wurden in dem Gebäudekomplex Umbauten vorgenommen; gleichzeitig war er den verschiedensten Nutzungen unterworfen. So wohnte hier im 18. Jahrhundert ein Brauer und später dessen Erben. Im 19. Jahrhundert wurde durch den damaligen Besitzer wieder ein grundlegender Umbau vorgenommen und parallel der bis heute erhaltene Anbau errichtet.
Ab 1892 befand sich das Anwesen im Besitz des Gastwirts Peter Meyer. Er erwarb nicht nur die Konzession für Singspieltheater-Vorführungen, sondern eröffnete 1908 im Erdgeschoss des Anbaues das erste Kino der Stadt mit Platz für etwa 250 Personen, das „Edisontheater“. Doch die Zeit dieses ersten Lichtspieltheaters währte nicht lange, der Kinosaal wurde 1924 in ein Ladengeschäft umgewandelt.

Eine völlig andere Verwendung fanden die Räumlichkeiten gegen Ende des zweiten Weltkrieges mit der Einquartierung von Flüchtlingen. Erst 1946 gab der langjährige Wirt Meyer seinen Betrieb auf. Wieder einmal wurde umgestaltet. Dem Sport­verein Treubund wies das damalige Amt für Raumbewirtschaftung Gasträume zu, um dort Speise­säle für die vielen Flüchtlinge und Ausgebombten zu schaffen. Als in der Nachkriegszeit der Frieden und damit das Alltagsleben allmählich wieder einkehrte, fanden sich in der großen Speisegaststätte immer ­weniger Gäste ein. So wurden die Räumlichkeiten in den 50er Jahren zum Tanzlokal mit dem Namen „Zur Brausebrücke“ umfunktioniert.

In den 70er Jahren sorgte die angesagteste — und auch zuweilen berüchtigste – Diskothek „Diggi-Diner“ für lange Nächte in Lüneburg.

Bis drei Uhr früh gab es dort „Hully-Gully“ (eingedeutscht „Halligalli“) — wie auch der gleichnamige Cocktail für acht Mark genannt wurde. Ein „Herren­gedeck“ — eine Flasche Pils und ein Cognac oder Doppelkorn – kostete 5 Mark und das „Damengedeck“ — eine Flasche Limonade und ein Glas Eier­likör – 4,50 Mark. Die gastronomischen Köstlichkeiten bestanden aus Bockwurst, Rollmops oder Sülzkotelett. Von Heiratsanträgen über Liebesdramen bis hin zu Schlägereien war in der „Brause­brücke“ war immer etwas los.
Doch irgendwann war auch die Zeit der großen Tanzsäle vorbei. In den 1960ern errichtete man neben dem Eingangsbereich einen Bratwurstimbiss, bis in die 1970er Jahren die angesagteste — und auch zuweilen berüchtigste – Diskothek „Diggi-­Diner“ für lange Nächte in Lüneburg sorgte. Aber auch diese Lokalität hatte sich dann irgendwann überlebt, nur noch ein seit 1984 bestehender italienischer Imbissbetrieb war Überbleibsel der im Haus betriebenen Gastronomien.
Nach langen Jahren des Leerstands ist das An­wesen „Bei der Abtspferdetränke 2“ heute wieder ein repräsentatives Schmuckstück in Lüneburgs Wasserviertel. Im oberen Stockwerk befinden sich Wohnungen, während im Erdgeschoss die LBS ­ihre Geschäftsräume bezogen hat. Holger Dammann, Gebietsleiter der LBS Nord für die Regionen Lüne­burg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg, zeigt auf eine Fotowand, die den Zustand des Hauses noch vor der Sanierung darstellt. Welch gelungenes Ergebnis der große Arbeitsaufwand hervorbrachte, beweist der heutige Zustand. Mit viel Feingefühl für historische Bauten entstand ein moderner Arbeitsplatz in alten Mauern, geschmückt mit großformatigen Fotos von Motiven Lüneburger Altstadt­häuser, die von der Verbundenheit der heutigen Nutzer mit der Region zeugen.(ilg)

Fotos: Enno Friedrich

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