Leben im Wasserviertel
geschrieben von Evelyn Kuttig im Juni 2011DIE STRASSE „AUF DEM KAUF“
Nur etwa 100 Meter lang ist sie, die Straße
mit dem klingenden Namen „Auf dem
Kauf“, die im Wasserviertel der Lüneburger
Innenstadt verläuft. Es erstreckt sich rund um die
alles überragende imposante St. Nicolaikirche, eine
1407–1440 erbaute spätgotische Backsteinbasilika,
bis hinter den Alten Kran und ist seit
2007 städtebauliches Sanierungsgebiet. Rund
900 Menschen leben und arbeiten in diesem
kleinen Stadtteil, dessen Name erstmals in Schoßrollen
(Steuerakten) von 1426 entdeckt wurde.
Manch ein ortsfremder Passant mag bei dem
Durchwandern der zahlreichen Sträßchen und
Gassen das Gefühl der Orientierungslosigkeit
beschlichen haben.
Hier findet man Häuser, die aufgrund ihrer Länge
gleich zwei Straßen berühren – so auch Auf dem
Kauf. Diese Straße strotzt trotz ihrer Kürze mit
vielseitigem Handel, Handwerk und Dienstleistungen
rund um Geselligkeit, Gesundheit, Schönheit,
Wohnen und Schenken vor Lebendigkeit. Das
historische Flair der alten Häuser und die Geschäfte
verlocken zum beschaulichen Bummeln.
Ein wachsames Auge auf den Verkehr sollte man
wegen der engen Fahrbahn dabei allerdings nicht
verlieren.

DAS BAUWERK GEGENÜBER DEM LÜNER HOF HAT KEINE HAUSNUMMER. DIE ADRESSE LAUTET AUF DEM KAUF/ECKE LÜNERSTRASSE.
Lage, Bauvolumen, Gestaltung und Ausstattung
der Häuser geben oft noch heute Aufschluss über
die ehemaligen Bewohner. Angesichts der Straße
Auf dem Kauf mit ihren drei- bis viergeschossigen
Gebäuden wird deutlich, dass Patrizier hier nicht
lebten. Es waren Gewerbetreibende wie Flussschiffer,
Fischer und Brauer, Handwerker, vor
allem Böttcher und Kaufl eute. Um- und Neubauten
während der Blütezeit Lüneburgs im 16.
Jahrhundert gaben den Häusern schließlich ihre
Renaissance-Prägung. Seither hat sich baulich
nicht viel verändert, denn bis ins 18. Jahrhundert
erlebte Lüneburg wegen des Verlusts des Salzmonopols
und mit dem Niedergang der Städtehanse
einen wirtschaftlichen Abstieg. Auch den
Zweiten Weltkrieg überstand die Stadt an der Ilmenau
weitestgehend unbeschadet. Auf dem Kauf sind
bis auf die Nummern 1 bis 3 alle Häuser Baudenkmale,
von denen es in Lüneburg rund 1.300 gibt.
1982 wurde das Ende des 16. Jahrhunderts erbaute
Wohn- und Geschäftshaus Auf dem Kauf Nr.
1–3 an der Ecke zur Abtspferdetränke von einem
Brand fast vollständig vernichtet. Dort steht seit
1986 ein gelungen integrierter Neubau. Eine Tafel
erinnert uns: „Unweit der damaligen Weißladerei am Wasser, die das Schiff-Salz verkaufte und der Straße ihren Namen gab,
diente das Gebäude sowohl Wohn- wie auch Gewerbezwecken.“ Das am
anderen Straßenende gelegene Bauwerk gegenüber dem Lüner Hof hat
kurioserweise keine Hausnummer. Die Adresse lautet Auf dem Kauf/Ecke
Lünerstraße. Zwischen diesem Eckhaus und dem nächsten mit der Nr. 8
klafft seit dem Abriss einer uralten Holz-Remise seit Jahren eine mit Brettern
vernagelte Lücke. Nach der 7 folgen zwei unnummerierte, auf Langparzellen
erbaute große Häuser verschiedener Baustile, die an den Stintmarkt
grenzen und von einem unbenannten Durchgang getrennt sind.
Dann geht es weiter mit der Nr. 6.
Der Lüner Hof, Auf dem Kauf Nr. 9, wurde erstmals 1282 urkundlich erwähnt.
1356 erwarb ihn das vor den Stadttoren gelegene Bendiktinerinnen-
Kloster Lüne. Das Hauptgebäude, das einstige Lünische Haus mit
seiner wuchtigen Seitenfront zur Lüner Straße, wurde bis 1361 errichtet.
Es diente sowohl als Lagerhaus als auch den Nonnen und anderen kirchlichen
Würdenträgern für Aufenthalte in Lüneburg. Ab 1704 wurde das
Lünische Haus gegen Erbzins Handelshaus für Kaufl eute, es erhielt im
18. Jahrhundert sein barockes Portal. Bis in die 30er Jahre des 19. Jahrhunderts
gehörte das Haus noch zum Kloster. 1981 endete die Ära der
Handelszeit. Mit zwei Besitzerwechseln wird hier seit 1988 ein zentral gelegenes und modernes Seniorenheim in sehr
schön restaurierter historischer Substanz von dem
gemeinnützigen Verein „Lüner Hof Seniorenheim“
betrieben.
Manches Gebäude in dieser Straße wirkt äußerlich
unscheinbar und ist innen ein Schatzkästlein, so
auch das Haus Nr. 14, in welchem das älteste, unter
anderem auf Altbausanierungen spezialisierte Bauunternehmen Lüneburgs seinen Firmensitz
hat.
HIER LEBTEN GEWERBETREIBENDE, FLUSSSCHIFFER, FISCHER UND HANDWERKER, VOR ALLEM BÖTTCHER UND KAUFLEUTE.
Auffallend ist das im Stil der Backsteinrenaissance
restaurierte Haus Nr. 6, das ursprünglich
ein spätgotischer Salzspeicher war, in dem heute
Interieur angeboten wird. Nr. 13, ein ehemaliges
Brauhaus, das nun Gastronomie beherbergt, ist
sehr markant wegen seiner Größe, der Utluchten
und des Staffelgiebels mit Taubändern; bemerkenswert
ist die schlichte klassizistische Eleganz des
heutigen Wohnhauses Nr. 15. Viel gäbe es da noch
zu erzählen.
Die Straße mit dem Namen „Auf dem Kauf“ verkörpert
eine gelungene Symbiose aus dem alten und
dem neuem Lüneburg, lädt tagsüber zum Schauen,
Entdecken, Kaufen und Futtern ein, ab dem frühen
Abend trifft man sich hier in Bar und Kneipe mit
historischem Ambiente.
Mit anderen Worten: Ihrem
Namen macht sie alle Ehre! (ek)
FOTOS: ENNO FRIEDRICH, SAMMLUNG HAJO BOLDT
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