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Spezielle Mixturen

geschrieben von Rüdiger Albert im Juli 2011

COCKTAILS - ZEITLOS ERFRISCHEND

Klar, es gibt sie, die strikten Biertrinker und eisernen Weinfreunde. Doch so richtig bunt und gesellig wird’s erst mit einem Cocktail.

„Martini, geschüttelt, nicht gerührt!“ Die Martini Dry-Bestellung gehört zu den Running Gags in den 007-Streifen. Für Daniel Craig ist er ein Quantum Trost, Roger Moore blickte mit ihm ins Angesicht des Todes, Sean Connery lebte nur zweimal — Bond, der Hüter des Guten, der Schönen und der Waren, katapultierte den Vermouth-Aperitif zum Cocktail-Klassiker schlechthin.

Alle Welt kennt und trinkt Martini Dry. Der Held der freien Welt („Mein Name ist Bond, James Bond“) ordert freilich eine spezielle Mixtur, den Wodka Martini. In seinem Buch „Casino Royal“ erklärt Ian Fleming, der 007-Erfinder, Bonds Rezept: drei Teile Gordon’s, ein Teil Wodka – und ein Spritzer Kina Lillet, ein ganz seltener Vermouth. Ein kleines Gut im Bordelais stellt ihn nach einem alten Hausrezept her, ausschließlich aus weißen Trauben. Bond ergänzt seinen Snobismus mit der Anweisung an den Barmann: „Gut schütteln, bis die Mischung eiskalt ist, dann ein Stück Zitronenschale zufügen.“ Servieren lässt sich der Agent ihrer Majestät seinen ganz speziellen Martini in einer tiefen Champagner-Schale.

IN AMERIKA WURDE BEIM HAHNENKAMPF DIE "COCK-TAIL" - BAR INS LEBEN GERUFEN

nd hier nun zu den guten Nachrichten: Trinken kann man eigentlich immer. Fernand Point, der französische Kochpionier, belebte seinen Kreislauf morgens mit einem Schlückchen Champagner. Thomas Mann, der Literatur-Nobelpreis­träger, gönnte den Buddenbrooks zum zweiten Frühstück nach gut bürgerlicher Sitte ein dunkles Starkbier. Ernest Hemingway trank gerne in Cocktail-Bars, wenn möglich rund um die Uhr; sein Lieblingsdrink: Daiquiri (5 cl weißer Rum, 2 cl Zitronensaft, 1-2 cl Läuterzucker). Das erste Glas schmeckte dem Kampftrinker Hemingway wie „eine Skifahrt über einen Gletscher“. Nach dem sechsten (oder war es das achte?) war er immer noch in Schussfahrt – allerdings ohne Skier. Kultivierte Trinker dagegen bevorzugen seit jeher die klassische American-Bar oder die Noblesse von Hotel-Bars, also nicht Bars mit Strip und Nepp und Plüsch, sondern Trink-Oasen, in denen planloses Schlucken verpönt ist.

„Die Bar“ ist Amerikas Beitrag zur gehobenen Trinkkultur: Hier wurde beim Hahnenkampf die „Cock-Tail“-Bar ins Leben gerufen. Der Besitzer des Siegers steckte sich als Trophäe den Schwanz des Verlierers an den Hut und forderte seine Wettgenossen zum Trinken auf: „Let’s have a drink on the cock’s tail“.

Dann wurde nicht lange lamentiert, sondern sofort die nächstliegende Kneipe gestürmt, und dort konnte den Wogen des Andrangs nur mit einer stabilen Barriere (englisch: bar) Einhalt geboten werden. Die hielt die wilden Gesellen vom Dekolleté der Wirtin und von den Flaschen ab. Der Randalierer-Tresen wurde zum Saloon und später zur American-Bar kultiviert.

US-Touristen bringen die Novität im Zeitalter der Dampfschiffe nach Europa. Die Grand-Hotels in den europäischen Metropolen garnieren zur geselligen Entspannung ihre Restaurants mit Bar-Ecken. Hier trifft sich die High Society zum lockeren Umtrunk – legendär der globale Erfolg von „Harry’s New-York Bar“. Die erste American-Bar (ohne Restaurant) auf europäischem Boden öffnete in Paris zu Thanksgiving 1911 ihren Tresen. In Deutschland reüssieren Bars seit den Fünfzigern des letzten Jahrhunderts. In den Jahren der Biederkeit und des Petticoat, der Nierentische und des Wohnzimmerschranks mit verspiegeltem Barfach verbreiteten Cocktails das Aroma von Weltläufigkeit. Man war wieder wer und das musste zumindest mit exklusiver Trinkkultur unter Beweis gestellt werden. In den achtziger Jahren ließ das neue schnelle Geld, ließen die jungen Erben des Wirtschaftswunders Bars wie Pilze aus dem Boden schießen. Und heute?

Bars haben Hochkonjunktur. Young Urban Professional People und alle, die es gerne sein möchten, schmücken sich mit einem Glas, aus dem es exotisch schimmert. Klar, es gibt strikte Biertrinker und eiserne Weinfreunde, doch so richtig bunt wird eine Gesellschaft erst beim Cocktail. Er fördert die Plauderei, Kontakte und Kontrakte – von morgens bis in die Nacht.

Zum Frühstück empfehlen die Barkeeper Fruchtsaft- und Milchmixturen. War der Abend jedoch lang, muntern sie ihre Barflys zum Beispiel mit einem Prairie Oyster auf (2 Barlöffel Worchestershire Sauce, 1 Eigelb, 2 Barlöffel Tomaten­ketchup, Salz, Pfeffer und Paprika, 1 Schuss Zitronensaft, 1 Schuss Olivenöl – alles unverrührt in ein Cocktailglas geben). Am Vormittag wirkt der Flip (alkoholischer Shortdrink mit Eigelb) wahre Wunder. Die Before-Dinner-Cocktails öffnen den Magen und machen Appetit. Als Digestif rundet ein süßer After-Dinner-Cocktail das Mahl ab.

wischen 15 und 19 Uhr regiert der Cocktail – im Grunde ein kurzer Drink, der sich nur aus Alkohol oder aus viel Alkohol und wenig Rahm oder Fruchtsaft zusammensetzt. Am Abend bestimmen Anlass und Jahreszeit, welche Drinks angeboten werden. In der Regel werden es Longdrinks sein – die Kassenfüller unter den Bar-Getränken. Der Longdrink enthält im Gegensatz zum klassischen Cocktail nur wenig oder gar keinen Alkohol, dafür Fruchtsäfte, Limonaden und auch Mineralwasser.
Die Skala dieser immer erfrischenden, manchmal berauschenden Getränke reicht vom alkoholfreien Milchshake bis zum Milchshake mit Alkohol, dem neuesten Cocktail-Trend. Und Longdrinks kann man eigentlich immer trinken: zur Entspannung, als Muntermacher, zur Einleitung schöner Stunden. Die Rezept-Reserven erlauben vom Frühstück bis in die Nacht hinein, stets das Richtige zu servieren. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Allein eine Regel sollte Beachtung finden: Nur hochwertige Markenspirituosen und frische Fruchtsäfte gehören in die Getränkesammlung — wegen der Bekömmlichkeit. Billig-Whisky hat in einer gut sortierten Bar nichts zu suchen.

Raum für ein Spirituosensortiment nebst Zubehör ist in der kleinsten Küche. Etwa 30 ausgewählte Spirituosen-Standards gehören zur anregenden und geselligen Familie der Bar-Getränke. Zur Bar wird die Flaschensammlung aber erst dann, wenn die Getränke mit dem richtigen Besteck zubereitet werden. Der Shaker ist das Herz der Ausstattung. Dreiteilige Modelle überzeugen zwar Design-Verliebte durchaus optisch, dem Kundigen sind sie eher ein Dorn im Auge: Shaker und Sieb verschmutzen schnell, die Mixtur staut sich beim Ausgießen – das Eis steht vorm Sieb und gibt Kleckerwasser ab – nichts schmeckt schlimmer als ein feuchter Cocktail! Trocken bleiben die Mixturen in zweiteiligen Shakern. Obstmesser, Schneidebrett, Muskatreibe, Spieße und Korkenzieher komplettieren das Besteck, befindet sich aber eh in jeder Küche. Klassische Bar-Gläser (Cocktail-Schale, Whisky-Tumbler oder Old-Fashion-Glas, Hurricane-Glas für Fancy-Drinks) und etwas Getränkekunde bilden den ausbaufähigen Grundstock für die Bar in den heimischen Wänden. Bei Erweiterungen zählen nur die eigenen Leidenschaften.

Bleibt noch der Wermutstropfen: So ein Tag ist gerade mal 24 Stunden lang, zu kurz für all die schönen Cocktails, die man mixen – und trinken könnte!(ra)

Fotos: Agentur Muth Kommunikation

Siegerrezept der 12. Licor 43 Cocktail Competion, kreiert von Markus Heinze, Barkeeper der „SonderBar“ in Dresden (6. Juni 2011).

Der Neuling: Der Fischer und seine (beschwipste) Frau

5 cl Licor 43
3 cl frischer Zitronensaft
0,5 cl Palmenzuckersirup
1 Barlöffel Heidelbeer-Rhabarber-Marmelade
Fisherman’s Friend-Vanillezucker-Rand
1 Zitronenscheibe

Der doch äußert exotische Fisherman’s Friend-Vanillezucker-Rand wird hergestellt wie folgt: Die Pastillen im Mörser zerkleinern und mit einem Teelöffel Vanillezucker mischen. Die Mischung auf einem flachen Teller verteilen. Den Rand des Cocktailglases mit der Zitronenscheibe einreiben. Den Glasrand vorsichtig in der Fisherman’s Friend-Vanillezucker-­Mischung drehen bis sich eine dünne Kruste bildet.

Licor 43, Zitronensaft, Palmenzuckersirup und Marmelade kräftig auf Eis schütteln und vorsichtig in das vorgekühlte, mit Fisherman’s Friend-Vanillezucker-Rand versehene Cocktailglas abseihen.