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Der Krebs-Mann

geschrieben von Charly Krökel im Juli 2017

Wer einen Seelentröster braucht, jemanden der gut zuhört und auf aufgeschlagene Knie ein Pflaster klebt, findet in einem Krebs immer einen fürsorglichen Helfer. Das ist die eine Seite. Sobald der Krebstyp emotional an einer Sache beteiligt ist, wird er zäh, hartnäckig, eigensinnig und trotzig. Ein echter Horst Seehofer halt, wie wir ihn kennen. Der Krebs handelt ausschließlich aus seinem Gefühl heraus. Und so scheint Seehofers erste Berufswahl wohl eher eine Vernunfts-Ange­legenheit gewesen zu sein. Aufge­wachsen in Ingolstadt schlug er nach der mittleren Reife die Laufbahn zum Verwaltungs-Betriebswirt ein, die er 1979 an der Wirtschaftsakademie in München abschloss. Der Eintritt in die CSU erfolgte 1971, deren stellvertretender Vorsitzender er von 1994 bis 2008 war. Von 1980 bis 2008 hatte er zudem das Amt des Bundestagsabgeordneten inne, grundsätzlich aus seinem Wahlkreis Ingolstadt berufen. Die sprichwörtliche Fürsorglichkeit der Krebse, die übers Pflaster-Kleben hinausging, kam allerdings nicht immer gut an – so auch bei dem Versuch, 1987 auf AIDS-Kranke das Bundesseuchengesetz anzuwenden; Infizierte sollten in speziellen Heimen konzentriert werden.
Die helfende Hand Seehofers wurde erneut eingefordert, als er 1992 unter Helmut Kohl zum Bundesminister ernannt wurde. Auch dort hagelte es herbe Kritik wegen der mangelhaften Informa­tionspolitik HIV-verseuchter Blutpräparate. Die Folge war die Auflösung des Bundesgesundheitsamtes durch Seehofer. Anschließend brachte er das Gesundheitsstrukturgesetz auf den Weg, um das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen zu senken. Dieses „Pflaster“ führte im Folgejahr immerhin zu Ersparnissen von ganzen 5,5 Milliarden Euro. Unter Merkel wurde Seehofer schließlich ­Minister — diesmal für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Das Umfeld des Krebs muss sich mit seinen Stimmungsschwankungen arrangieren: Der Mond, der den Krebs-Menschen regiert, lässt ihn launisch werden. Eine solche Laune überkam Seehofer 2008, als er sein Bundestagsmandat niederlegte, um sich zum bayrischen Ministerpräsidenten wählen zu lassen. Vereinfacht gesagt ist die Strategie des Krebses folgende: Er zieht die Fäden im Hintergrund und beobachtet das Geschehen aus der Ferne, wohl wissend, dass er die Macht in Händen hält. Er wurde gewählt, alles andere musste warten. Geplant war, bis 2017 im Amt zu verharren – doch welch eine Überraschung: Der neue Regent bleibt der alte, seit neun Jahren Ministerpräsident und Parteichef. Und warum? Man munkelt, dies sei ein Plan Seehofers, um Söder unten zu halten; so lange, bis sein Lieblingsthronfolger Karl Theodor aus den Staaten zurückkehrt, um ihn zu beerben. So bleibt uns auch weiterhin das launische „Techtelmechtel“ zwischen Merkel (auch Krebs) erhalten, natürlich mit Seehofers Anspruch, den Durchblick zu behalten. Ich glaube, wir würden es vermissen, selbst, wenn wir nicht jede Absicht, jeden Plan von ihm befürworten — sei es das Heraus­zögern der Stromtrassen für die Erneuerbaren, die fragliche Vorratsdatenspeicherung, die PKW-Maut oder eine Kaufprämie, um den Absatz von Autos fördern, die mit modernen Euro-6-­Motoren ausgestattet sind. So gut wie alle Krebse haben einen konservativen Kern, da sie einen gewissen gesellschaftlichen oder familiären Halt schätzen. Und auch, wenn er es nicht zugeben würde: Das Sternzeichen Krebs braucht Rückendeckung in seinem persönlichen Umfeld. Die erhält er gewiss auf seiner sicher zünftigen Geburtstagsparty. Zum Wohl! ¶
Zeichnung & Text: Charly Krökel

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