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Der neue Mitbewohner

geschrieben im Januar 2019

Unser Haus wirkte ohne Hund plötzlich leer und freudlos – bis Arthur, der freundliche Griffon, aus Frankreich kam

Nein, es kommt kein Hund mehr ins Haus“! Das war unsere feste Überzeugung, nachdem unsere heißgeliebte Fellnase Hermine mit fast 15 Jahren über die Regenbogenbrücke gegangen war. Jeder Hundebesitzer weiß um den Schmerz und die Trauer, wenn er einen geliebten Vierbeiner gehen lassen muss. So war es auch bei uns. In der ersten Zeit nach ihrem Tod bildeten wir uns ein, das vertraute Tapsen ihrer Pfoten im Haus zu hören. Im Garten sahen wir sie in unserer Fantasie immer noch am Zaun sitzen und beim Nachhause-­Kommen vermissten wir ihre freudige Begrüßung, die jedes Mal mit einem Leckerli belohnt wurde.
Doch bald stellten wir fest, dass unser Haus ohne Hund leer und freudlos war. Ohne Hermine zog uns nichts in die umliegenden Wälder von Lüneburg, das tägliche Frischlufttanken unterblieb und wir mutierten allmählich zu Stubenhockern.
Nach und nach schlich sich die Idee ein, doch noch einmal einen Hund ins Haus zu holen. Dann aber sollte es eine „arme Socke“ aus dem Tierheim sein, zumal wir im Rentenalter nicht noch einmal einen Welpen aufziehen wollten. So fingen wir an, uns auf den Internetforen der Tierheime bzw. Tiervermittlungen nach einem zu uns passenden Vierbeiner umzusehen, der schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hatte. Unglaublich, wie viele da unseren Anforderungen entsprachen! Und wie viele teilen das traurige Schicksal, dass die vorherigen Halter sie nicht mehr haben wollten oder in manchen Fällen nicht länger halten konnten. Die meis­ten wurden kurzerhand „entsorgt“ und landeten im europäischen Ausland wie Ungarn, Rumänien, Spanien oder inzwischen auch Frankreich in sogenannten Tötungsstationen. Diejenigen, die Glück hatten, erreichten mithilfe von Tierschützern die Tierauffangstationen der jeweiligen Länder, um von dort aus europaweit vermittelt zu werden (allein 29.000 Hunde unter www.tiervermittlung.de). Doch ein Blick auf die Internetseiten der deutschen Tierheime, die es so gut wie in jeder Stadt gibt, lässt ebenso erkennen: Auch in Deutschland sind es Tausende Tiere – Hunde, Katzen und andere Kleintiere wie Kaninchen, Hamster, Meerschweinchen aber auch Reptilien –, die auf ein neues Zuhause warten.

Dass uns unter der großen Zahl ausgerechnet der Eine auffiel, lässt uns daran glauben, dass es doch so etwas wie Fügung gibt. Auf einem französischen Portal befand sich „Le gentil Arthur“ (der schöne Arthur), wie er von seinen Tierpflegern genannt wurde. Ein vierjähriger Rüde, nicht zu groß, aber auch nicht zu klein. Gerade im richtigen Alter, um uns auf den mit Hermine noch gewohnten, inzwischen schmerzlich vermissten Waldspaziergängen zu begleiten. Auch Arthur war zunächst in einer Tötungsstation gelandet, nachdem er in einer südfranzösischen Stadt auf der Straße umherirrend aufgefunden wurde. Glücklicherweise wurde er in eines der dortigen Tierheime gebracht und in die Vermittlung auf den Internetseiten gegeben. Kurz und gut: Er wurde uns zugesprochen und sollte am Samstag, den 8. Dezember mit einem Tiertransporter aus Frankreich nach Hamburg kommen, wo wir ihn an einem vereinbarten Treffpunkt in Empfang nehmen sollten. Es versteht sich, dass zu seinem Empfang alles parat war: Hundebett, Futter, Lecker­chen, Halsband, Leine, Geschirr usw.
Je näher der Samstag rückte, desto mehr wuchs die Spannung. Wie würde er sich uns gegenüber verhalten? Am Samstag gegen 18.00 Uhr konnten wir wie verabredet auf einem Mc Donalds-Parkplatz an der A 1 östlich Hamburg „unseren“ Arthur in Empfang nehmen. Er war in einer Hundetransportkiste schon seit Donnerstagmorgen direkt aus dem Tierheim in Südfrankreich unterwegs. Grund des der langen Reise waren nicht zuletzt die Blockaden der französischen Autobahnen durch die „Gelb-­Westen“.
Schon auf der Heimfahrt drückte sich der Hund an mich und leckte mir – förmlich um Zuneigung bettelnd – Hand und Gesicht. Zudem zeigte er sich noch sehr verängstigt, warf sich bei jeder Gelegenheit auf den Rücken – bekanntermaßen eine Demuts- oder Angstgeste bei Hunden. Doch gleich in der ersten Nacht nahm er seinen künftigen Schlafplatz in dem Hundebett vor meinem Bett ein und schlief die Nacht friedlich durch.
Gleich am nächsten Tag verfrachteten wir ihn ins Auto und unternahmen einen ersten Waldspaziergang. Arthur fröhlich vorneweg, die Nase auf der Erde und flott einer Spur folgend. Hier zeigte sich deutlich, dass Arthur so einiges von einem Jagdhund hat. Inzwischen hatten wir auch erfahren, dass es sich bei ihm um einen rassereinen Briquet Griffon Vendeen handelt – reine Meutehunde, die in Frankreich zur Jagd eingesetzt werden.
Der nächste Morgen begann mit einem großen Schreck. Arthur klaut! Um an eine Tupperdose mit Hundefutter zu gelangen, sprang er mit einem Satz auf den Herd, dann über die gesamte Küchenzeile und rutschte anschließend noch in die Spüle. Er selbst bekam einen großen Schrecken und wir natürlich auch, denn es schepperte gewaltig und einiges ging zu Bruch. Spätestens in dem Augenblick wurde uns klar: Einen erwachsenen Tierheim-­Hund aufzunehmen, erfordert eine große Portion Geduld und viel Liebe.
Da Arthur ein wahrer Springinsfeld ist, mussten wir auch noch den Jägerzaun am Grundstück erhöhen und abdichten, denn mit seinem Küchensprung hat er bewiesen, welche Hürden er mit Leichtigkeit zu nehmen in der Lage ist.
Dennoch – schon nach den wenigen Tagen haben wir ihn liebgewonnen. Sein Blick aus den dunklen Augen drückt es förmlich aus: Er sucht unsere Zuneigung und möchte am liebsten dauernd beschmust werden. Vermutlich hat er in seinem Leben bisher mehr Hiebe als Liebe erhalten. Wir hoffen, dass er schnell begreift, dass seine Leidenszeit bei uns nun vorbei ist.(ilg)
Fotos: Enno Friedrich

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