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Der Taschenspieler

geschrieben von Caren Hodel im November 2012

Ben Johl macht möglich, wovon Autoliebhaber träumen: Den „Daumenabdruck“ des eigenen Wagens

Wer mit 500 PS mutwillig über einen edlen Stoff brettert und daraus Handtaschen macht, muss – naja, sagen wir ruhig: durchgeknallt sein. Keine Frage, das ist er, Ben Johl, und dabei auch irgendwie genial. Als seine Geschäftsidee vor zwei Jahren entstand, führte der Formel-1-Fan aus Kronberg im Taunus ein gemütliches Luxusleben: arbeitete in der angesehenen Lederfabrik seines Vaters, fuhr die begehrtesten Automarken und trug maßgeschneiderte Anzüge. Aber dann kam dieser Tag, an dem es regnete und eigentlich alles schief lief. „Es reicht“, sagte Ben Johl an diesem Abend und nahm einen gewagten Schluck von seinem Bier. „Ich hab keine Lust mehr auf diesen Schickimicki-­Luxuslederwaren-Kram. Das bin ich nicht.“ Sein Kumpel nickte mitfühlend und schlug vor: „Dann nimm doch eine Tasche von dem edlen Zeugs und schieß’ mit ‚nem Gewehr drauf.“ Ben verschluckte sich fast an seinem Bier: „Bist du verrückt? Dann kann ich ja gleich drüber fahren." Zwei Tage später saß Ben Johl am Steuer seines Sportwagens und tat genau das. Und noch während­dessen wusste er, dass dies der Beginn von etwas ganz Neuem war. Von etwas eigenem. Und er hatte sogar schon einen Namen dafür:„Destroy versus Beauty“.

PS-starker Fingerabdruck

Zerstören, um Neues zu kreieren – das war die Idee. Aber gab es auf dieser Welt einen Stoff, der den Abdruck des Reifens aufnahm – ohne dabei in Fetzen zu fliegen? Ben schaffte bergeweise Materialien heran und ein Auto für den Härtetest. Nicht irgendein Auto, sondern den schnellsten Seriensportwagen der Welt: den 1001 PS starken Bugatti Veyron. Dann, endlich, zwei Jahre später, hielt Ben ihn in den Händen: einen Stoff, der es mit der Kraft des Wagens aufnahm: „Er ist extrem robust und reißfest“, viel mehr will er über das Wundergewebe nicht verraten, alles streng geheim. Kein Geheimnis macht der studierte Marketing­experte dagegen aus der Technik, mit der heute jeder den „Daumenabdruck“ seines Wagens auf eine Tasche bringen kann. Bens Facebook-Seite ist angefüllt mit Videos, die dokumentieren, wie so ein „Burnout“ entsteht: Stoff mit Panzertape auf die Straße kleben, Auto oben drauf und dann: Vollgas, bis die Reifen quietschen.

Gut gezielt

Auf diese Weise entstand auch Bens „Ocean Drive 487“, eine mit blauem Rindsleder verzierte „Burn­Out-Bag“, die wie alle Taschen eigens designt und in einer Manufaktur von Hand gefertigt wurde. Auch die Stoffe für die „Bullet-Bags“ landen hier. Auf die hat Ben höchstpersönlich mit einer 44er Magnum geschossen. „Da hab’ ich einiges an ­Munition verballert, bis klar war, welche Kugeln die schönsten Einschusslöcher machen. Das darf ja nicht aussehen, als wäre man gerade irgendwo hängen geblieben.“ Hat man Gewehr und Gewebe erst einmal gefunden, kann eigentlich nicht mehr viel schief gehen. Jedes Werk hat seine spezielle Schönheit. „Bei einem Burnout verschmelzen manchmal die Steinchen von der Straße mit dem Stoff“, schwärmt der 36-Jährige.

Jede Tasche ein Unikat

Die Taschen lassen sich nicht fälschen wie Gucci oder Prada. So eine Reifenspur ist wie ein Wasserzeichen und jede Tasche ein persönliches Unikat; ein Unikat, das auch immer ein bisschen den Charakter des Fahrers widerspiegelt: Wie auch immer die Leidenschaft ausfällt: Im Grunde ist es egal, wie viel PS man unterm Hintern hat. „Ich mach da keine Vorschriften, obwohl ein Burnout mit hoch motorisierten Autos natürlich besser klappt als mit Allradantrieb. Aber es kann natürlich auch gern jemand mit seinen Peugeot vorbei kommen. Ich schicke keinen nach Hause.“ Wäre ja auch noch schöner, wo der gelernte Werbe­kaufmann inzwischen doch selbst einen bescheiden Golf 4 fährt. „Klar hätte ich auch nichts gegen einen McLaren, aber ich bin frisch gebackener Papa, und da muss selbst ein Verrückter wie ich mal die Füße still halten und das Geld vernünftig inves­tieren.“ Zum Beispiel in die Firma, denn mit der hat Ben Johl noch einiges vor. Neben seinem Schreibtisch hängt schon ein neuer Prototyp: eine Tasche mit integrierten LED-Scheinwerfern, die man je nach Belieben an- und ausschalten kann. Also keine Sorge: Wenn Sie beim nächsten Abendspaziergang ein Licht auf Hüfthöhe wahrnehmen. Vermutlich handelt es sich nur um einen Kunden von Johl, der voller Stolz seine neue Tasche spazieren trägt.(ch)

Neugierig? www.destroyvsbeauty.com

Fotos: Destroy versus Beauty