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Von der Küste in die Wüste

geschrieben von Christiane Sprinz im Juni 2013

Mit dem Wohnmobil durch den Südwesten der USA

Eine Fahrt mit dem Wohnmobil durch die USA war schon seit langem mein Traum, der jetzt wahr werden sollte. Unsere Reiseroute war im Groben klar: ab San Francisco den Highway 1 nach Süden bis San Diego, dann durch Arizona bis zum Grand Canyon, von dort ins Death Valley und über Yosemite zurück nach San Francisco – ein ambitioniertes Programm, das aber in drei Wochen gut zu schaffen ist und auch noch Zeit lässt, damit mein Liebster auf dem einen oder anderen Golfplatz eine Runde spielen kann.

Highway 1

er Highway 1 gilt als Traumstraße der Welt, aber das schönste Stück ist für mich die Strecke zwischen Carmel/Monterey und Santa Barbara. Kurvig windet sich die Straße entlang der Steilküste, der Pazifik schimmert in verschiedenen Blautönen, Wale zeigen sich leider nicht. In einem Seetangfeld treiben viele braune Fußbälle auf dem Wasser, die sich bei näherem Hinsehen als Otter entpuppen, die dort seelenruhig auf dem Rücken schwimmend ihre Muscheln knacken. Bei San Simenon stehen plötzlich unzählige Autos auf einem Parkplatz. Was ist hier los? See-Elefanten! Riesenkolosse, die ganz in der Nähe bestaunt werden können. Sie lagern bis Mai direkt am Strand, bekommen dort ihre Jungen und verschwinden dann bis November wieder im Meer.
Die grünen Wälder auf der Landseite des Highway 1 mit ihren beeindruckenden Redwoods verdanken ihre Existenz dem hartnäckigen Küstennebel, der sich durch das kalte Wasser des Pazifiks bildet und hoch über uns wabert, und gegen den die Sonne nicht immer anzukommen vermag. Doch es kommt wettermäßig noch überraschender: Hatten wir bislang der Titelzeile des Songs „It never rains in Southern California“ geglaubt, wurden wir in San Diego eines Besseren belehrt. Schließlich geht der Song ja auch weiter mit „But, girl, don’t they warn ya, it pours, man, it pours“. Trotzdem hatte auch San Diego einiges zu bieten, zum Beispiel das Gas­lampenviertel, dessen Kneipendichte der des Lüne­burger Stints in nichts nachsteht.

Wüstenlandschaft

Wir verlassen die Küste und überqueren das Küs­tengebirge mit seinen 1000 Meter hohen Pässen und viel Wind, da tut sich vor unseren Augen plötzlich eine fast endlos scheinende, gelblich-graue Ebene auf, meilenweit eine steppenartige Landschaft mit viel Sand, Geröll und wenigen halbhohen Büschen, überspannt von einem blassblauen Himmel ohne ein einziges Wölkchen. In der Ferne sieht man noch die Gebirgskette, die Mexiko von Kalifornien trennt. Neben der Straße, die parallel zur mexikanischen Grenze verläuft, gibt es einen breiten Sandstreifen, auf dem die Grenzpolizei Patrouille fährt. Im Abstand von etwa 500 m stehen halb in den Sand eingegrabene Fässer mit der Aufschrift „Water“, die durch eine blaurote Fahne an einer hohen Stange markiert sind. Diese werden von Hilfsorganisationen bestückt und sind für die illegalen Einwanderer gedacht, die bei Nacht und Hitze diese un­wirtliche Gegend durchqueren, um in Kalifornien Arbeit zu finden. Ein Viertel aller illegalen Einwanderer der gesamten USA lebt in Kalifornien, davon kommen allein 85 % aus Mexiko, insgesamt etwa 2,3 Millionen Menschen. Ohne sie könnte die Obst- und Gemüseindustrie in Kalifornien nicht existieren.

Arizona und Gran Canyon

aguaro ist der in Arizona wachsende Säulen­kaktus, der von nun an unseren Weg begleitet. Die bis zu 20 Meter hohen Kakteen können bis zu 200 Jahre alt werden und bilden ihre „Arme“ erst in einem Alter aus, in dem Menschen sich zur Ruhe setzen. Vögel picken Höhlen in die Pflanzen, manchmal wohnen mehrere Vogelfamilien in einer Pflanze. Sie wächst nur bis zu einer Höhe von 1.400 Metern, so dass wir sie auf dem langsamen Anstieg zum gut 2.000 Meter hohen Plateau des Grand Canyon langsam aus den Augen verlieren. Vor dem Südrand der Schlucht liegt im Osten der Cameron Trading Post, ein von Navajo-Indianer geführtes Hotel mit Res­taurant, das mit holzvertäfelten Wänden, handgewebten Teppichen, einer Silbermetalldecke mit Zise­lierungen und leckerem Essen (Achtung: Riesen­portionen!) beeindruckt.
Beim ersten Blick in den Grand Canyon fühle ich mich wie in einem großen Bilderbuch: Die Wände der teilweise 1,8 Kilometer tiefen Schlucht scheinen genauso überwältigend rot und braun gemalt, wie es viele Abbildungen zeigen, insbesondere, wenn man, wie wir, zum Zeitpunkt des Sonnenuntergangs ankommt. Leider kann man den Colorado in der Tiefe nicht ausmachen. Der begrüßt uns erst am nächs­ten Tag, als wir mit dem kostenlosen Shuttlebus den Canyonrand entlang nach Westen fahren. Privat­wagen sind auf dieser Straße nicht erlaubt. Die Campgrounds in Grand Canyon Village sind stark frequentiert. Wir haben noch einen Platz bekommen, den wir uns gerne mit Erdhörnchen und einige Elchkühen teilen.

Death Valley

Das Death Valley ist der trockenste Nationalpark der USA und kann bis Ende April / Mitte Mai problemlos bereist werden. Es liegt umschlossen von mehreren Gebirgen, die bis zu 3.000 Meter aufragen und für die Farbenpracht im Tal des Todes sorgen. Die vielfältigen, völlig kahlen Gesteinsformationen schimmern in erstaunlichen Farben, von gelb und braun über verschiedene Orange- und Rottöne bis hin zu grün und sogar türkis. Der Boden im Death Valley ist eher graubraun und häufig mit einer weißen Salzschicht überzogen, es gibt nur einige wenige Sand­dünen. Eigentlich hatte ich mehr erwartet.
Der tiefste Punkt Nordamerikas, Badwater, liegt 85 Meter unter dem Meeresspiegel. An einem Felsen, der die Senke umschließt, ist hoch oben ein Schild angebracht „sea level“. Ich kann es kaum erkennen. Und es ist heiß! Mitte April erreichen die Temperaturen tagsüber knapp 40°C. Zum Glück kühlt es nachts etwas ab, aber die Klimaanlage im Wohnmobil muss sich trotzdem ordentlich anstrengen.
Furnace Creek ist eine winzige Ansammlung von Häusern und zugleich ein Ferienresort mit Stellplatz für Wohnmobile. Seine Lage verdankt dieser Ort einer warmen (nicht salzhaltigen) Quelle, die so reichlich sprudelt, dass damit sogar der tiefste Golfplatz der Welt (ca. 70 Meter unter dem Meeresspiegel) bewässert wird. Es gibt aber auch im Death Valley noch einen „natürlichen“ Golfplatz. Der Boden des „Devil’s Golf Course“ besteht aus unwirtlichen, zerklüfteten und spitzen Salzbrocken. Dieser Ort verdankt seinen Namen der Vermutung, hier könne niemand anderer als der Teufel Golf spielen. Wohl wahr.

Yosemite

Nach vielen Tagen in zwar warmer, aber auch sehr trockener Luft, mit grau-braunen Böden und Pflanzen, die sich nur graugrün, aber nie maigrün zeigten, lechzen wir nach Frische. Der Weg aus dem Death Valley führt über mehrere Gebirgsketten, wobei sich die dazwischen liegenden Täler immer üppiger zeigen, bis wir schließlich das Central Valley mit seinen unendlich scheinenden Obstplantagen erreichen. Die Kirschen sind schon fast reif.
Der Yosemite-Nationalpark tut unseren Augen gut: Frisches Grün, weißrauschende Wasserfälle, die hunderte von Metern tief herabstürzen; die granitgrauen Felsen tragen teilweise noch kleine Schneemützchen – welch ein Kontrastprogramm! Hinter unserem Stellplatz murmelt ein kühler Bach, morgens wecken uns Vögel mit ihrem Gezwitscher; und es gibt beeindruckende Riesenmammutbäume, allen voran der Grizzly Giant, ein Redwoodbaum, der bereits um die 2.000 Jahre auf dem hölzernen Buckel hat. Und so schließt sich der Kreis unserer 2.800 Meilen langen Reise – von den Redwoods entlang des High­way 1 zu den Redwoods in Yosemite, dazwischen die Kakteen, die Wüsten, die Schluchten des Colorados. Eine spannende und abwechslungsreiche Route.

Fotos: Christiane Sprinz