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Ein Schlafzimmer auf Rädern

geschrieben von Emilia Püschel im September 2017

Hartmut Schupp aus Ochtmissen erfüllte sich mit einem selbstgebauten Rad-Anhänger einen Traum

Das Reisen hat schon immer eine große Rolle gespielt im Leben von Hartmut Schupp. Bevor der Ochtmisser in Rente ging, hatte er als Lokführer gearbeitet. Vor zwölf Jahren tauschte er dann das Führerhaus endgültig gegen den Platz auf dem Fahrradsattel. Die Elbe, die Küsten an Nord- und Ostsee, die norddeutschen Seen – „das ist mein Revier“, sagt er. Sein „Schlafzimmer“ hat der naturbegeisterte 72-Jährige auf Reisen immer dabei: den Fahrradanhänger, den Hartmut Schupp selbst konstruierte und baute und den er mit wenigen Handgriffen zum Zelt auf Stelzen umfunk­tionieren kann. Ein Gefährt wie seines wird man in Deutschland kein zweites Mal finden. „Viele Menschen haben Schlafanhänger für ihr Fahrrad“, weiß Schupp, „doch meistens sind das schwere Modelle, die sich nicht zusammenbauen lassen. Meines wiegt nur rund 60 Kilo, und ich kann es in Sekundenschnelle abbauen und weiter transpor­tieren.“
Die Idee, sich einen Schlafanhänger fürs Rad zu basteln, hatte der Ochtmisser vor drei Jahren. Schon länger war Hartmut Schupp auf der Suche nach einer günstigen Übernachtungsmöglichkeit für seine Fahrradausflüge gewesen. „In meinem Alter mag man nicht gern zelten – und erst recht nicht zwischen Maulwurfshügeln“, erklärt er augenzwinkernd. Eine Lösung musste her, „bei der ich nicht auf dem Boden liegen müsste und jederzeit Schutz vor Wind und Wetter hätte“. Der Ruhe­ständler wälzte Bücher und sah sich bei Outdoor-­Händlern um. Als er auf ein Feldbett mit Dach stieß, wusste er, in welche Richtung das Ganze gehen sollte. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, nahm den Bleistift zur Hand, fertigte die ersten Skizzen. Dann legte er los. Nach nur einem Sommer eifrigen Tüftelns im Keller seines Hauses war das Gefährt gebaut.
Die Basis bildet ein Brett auf Rädern, auf dem eine 80 Zentimeter lange und 60 Zentimeter breite Aluminiumkiste fixiert ist, die sich mithilfe eines Mittelstücks ganz einfach zur rund 1,95 Meter langen Liegefläche aufklappen lässt. Fiberglasstangen und LKW-Plane lassen auf dieser Ebene im Handumdrehen einen stabilen Zeltaufbau mit Eingangstür, Fenster und Moskitonetz entstehen.

Die Räder werden anschließend abmontiert, bei Bedarf kann ein Vordach angebracht werden. Klein und kompakt sieht der Schlafwagen von außen aus, doch beim Blick ins Innere werden überraschend viele Details sichtbar: Für bequemes Liegen sorgt eine Silber-Alu-Matte mit 10-Kammer-Luftmatratze darauf, ein guter Schlafsack und mehrere Kissen machen den Schlafkomfort perfekt. Seitlich an der Zeltwand befinden sich Klapptisch und -stuhl, von der Decke baumeln ein Kulturbeutel, eine Verstaumöglichkeit für Schrauben und Zubehör, eine Rolle Toilettenpapier – und ein kleiner Gaskocher samt Kaffeetasse, der einzige Luxus, den sich Hartmut Schupp auf Reisen gönnt.
„Verpflegung mitzunehmen ist Quatsch“, sagt er, „das ist alles nur Ballast“. Die Nächte verbringt der Ochtmisser ohnehin auf Campingplätzen. Überkommt ihn tagsüber der Hunger oder erspäht er eine besonders schöne Stelle, hält er einfach an. Nicht selten klappt er dann Tisch und Stuhl auf, brüht sich einen Kaffee und beobachtet. Dorthin zu fahren, wonach ihm der Sinn steht, „die schönsten Ecken zu erreichen, wo kein Mensch sonst hinkommt“, das macht für Hartmut Schupp den Reiz des Radreisens aus; „dort mit dem Anhänger zu verweilen, das ist das Nonplusultra“, schwärmt er.
Als begeisterter Wanderer ist Schupp auch oft zu Fuß unterwegs, sein steter Begleiter ist sein Fernglas, „aber mit dem Fahrrad ist man noch beweglicher“. Zu den Traumzielen des 72-Jährigen gehören die Inselstadt Havelberg in Sachsen-Anhalt und die Steilküste der Ostsee, weiter weg zieht es ihn gar nicht. Wenn die Sonne über dem Deich untergeht, der Seeadler seine Kreise zieht oder die Silhouette einer Elbstadt am Horizont auftaucht, ist Hartmut Schupp glücklich. „Was du unterwegs siehst, ist unglaublich“, sagt er, „nur wer reist, hat auch den Überblick.“
Der Ochtmisser hat sich mit seinem Anhänger einen persönlichen Traum erfüllt. Für ihn sind die Ausflüge mit seinem fahrenden Schlafzimmer kleine Fluchten aus dem Alltag und ein Stück Freiheit. „Männer brauchen das halt“, erklärt er und lacht, „danach kommen sie nach Hause und mähen auch mal den Rasen oder helfen im Garten – Dinge, die sie sonst nicht so gerne tun.“(ep)

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