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LAS FLAMENCAS SALINERAS GANZ PRIVAT

geschrieben von Natascha Mester im Oktober 2011

Ihr Name ist Programm, ihr Tanz mehr als beeindruckend: „Las Flamencas Salineras“ waren vor 15 Jahren die Mitbegründerinnen der Lüneburger Flamenco-Szene. Heute zählen Cornelia Minte, Ines Utecht, Jessica Minhoff, Gabriele Gieseking und Ulrike Richter zum Urgestein und sind deshalb mit nicht weniger Euphorie bei der Sache als in den Anfangszeiten. Zeit für einen Rückblick.

Seit wann gibt es die „Flamencas Salineras“?

Jessica Minhoff: Es begann mit einer Kleinanzeige in der Landeszeitung, die einen Flamenco-Workshop in der Wilhelm-Raabe-Schule bewarb. Diese ist offensichtlich von vielen Frauen gelesen worden, denn zum ausgeschriebenen Termin standen etwa 30 Damen erwartungsvoll vor den großen Spiegeln des Gymnastikraumes. Die Lehrerin Solveig Rocksien kam extra aus Kiel angereist, initiiert durch eine der Teilnehmerinnen. Viele waren nach diesem Wochenende schwer begeistert – von diesem Tanz als auch von Frau Rocksien; „Solli“, wie sie genannt wird, kam dann zunächst tatsächlich wöchentlich aus der fernen Hansestadt nach Lüneburg, um zu unterrichten. Das ist im Oktober vor genau 15 Jahren gewesen. Seither kamen etliche Flamenco-Begeisterte hinzu, die Gruppe teilte sich aufgrund ihrer Größe und des unterschiedlichen Leistungsstandes, auch ein Lehrer und weitere Lehrerinnen wurde zwischenzeitlich gefunden, der den Unterricht temporär übernahmen.

Ihr vier zählt also noch zu den Gründerinnen?

Cornelia Minte: Wir vier gehören zum Urgestein, wie übrigens auch die fünfte im Bunde, Gabriele Gieseking, die heute leider nicht dabei sein kann.

Was hat Euch am Flamenco fasziniert?

Ines Utecht: Ich hatte schon damals an der Uni Lüneburg an einem Kurs teilgenommen, den zwei Austauschstudentinnen aus Andalusien anboten: Die beiden brachten natürlich unglaublich viel Authentitzität beim Tanzen mit. Ich kam also nicht nur mit dem Tanz, sondern auch mit einem Teil der spanischen Kultur und Mentalität in Kontakt – das faszinierte mich.

Cornelia Minte: Ich wollte eigentlich schon immer Flamenco tanzen, doch die nächste Möglichkeit dazu gab es in Hamburg. Als ich die Anzeige las, dachte ich bei mir: wunderbar, auf geht’s!

Jessica Minhoff: Das Tanzen begleitet mich schon seit meiner Kindheit. Als kleines Mädchen war es das Ballett, später der Jazztanz – und dann war da auch immer eine große Affi nität zu Spanien. Dort Flamenco nur als Zuschauer zu erleben, zu spüren, ist schon eine sehr imposante und ergreifende Erfahrung. Vermutlich war es aber schließlich der Film „Carmen“, der mich restlos überzeugte.

Ulrike Richter: Von diesem Film ging damals eine große Anziehungskraft aus, die auch vor mir nicht Halt machte. Der Tanz wurde extrem faszinierend dargestellt, die Persönlichkeiten, die diesen zeigten, waren unglaublich beeindruckend – Grund genug, daraus den Wunsch zu entwickeln, selbst tanzen zu wollen.

Welche Fähigkeiten, welche Vorlieben muss man mitbringen, um Flamenco tanzen zu können?

Cornelia Minte: Man muss dranbleiben, kontinuierlich. Dieser Tanz ist alles andere als einfach und nicht zu vergleichen mit „Bauch-Beine-Po“, wo man nach Lust und Laune teilnimmt. Was auf der Bühne so leicht aussehen mag, ist das Resultat jahrelanger Körperarbeit. Dieser Tanz ist eine Lebenseinstellung – wenn man ihn wirklich verstehen will, muss er Bestandteil des täglichen Lebens werden. Und sicherlich gehört auch ein Quäntchen Exhibitionismus dazu, sich so präsent zeigen zu wollen. Tanz ist auch immer etwas sehr Intimes, mit dem man einen Teil seines inneren Wesens preisgibt.

Mit dem Tanz wird immer auch eine Geschichte erzählt. Woher weiß man um den Inhalt?

Jessica Minhoff: Der Text ist schon nicht unwichtig – meist erzählt die Lehrerin oder der Lehrer kurz den Inhalt des Liedes. Es gibt zahlreiche verschiedene Genres – vom ernsten Gesang, dem Cante Jondo, bis zu den fröhlichen Tänzen, die dann „por fi esta“ gezeigt werden. Mimik und Gestik sind in beiden Genres sehr unterschiedlich – Ernsthaftigkeit oder eben Freude und Leichtigkeit müssen mit dem Gesichtsausdruck und der Körpersprache transportiert werden. Ines Utecht: Meist geht es um ganz traditionelle, simple Inhalte, beispielsweise um den Bauern, der vom Feld in seine kleine Casita heimkehrt; und natürlich spielt auch die Liebe immer eine große Rolle. Cornelia Minte: Vor allem geht es darum, dass sich Männlein und Weiblein nicht kriegen. quadrat 10 / 2011  lüneburg privat Ursprünglich war der Flamenco der tänzerische Ausdruck einer verfolgten Bevölkerungsgruppe, der Gitanos bzw. Zigeunern.

Jessica Minhoff: Richtig. Diese Bevölkerungsgruppe lebte nicht nur am Rande der Städte in eher ländlichen Gegenden sondern auch am Rande der Gesellschaft. Daher war die musikalische Umsetzung in ihrem Ursprung auch eher spartanisch – ein Rhythmus, vielleicht auf einem Amboss geschlagen, und der Gesang — mehr stand nicht zur Verfügung.

Wie sah denn die Ursprungsbesetzung aus?

Cornelia Minte: Wie gesagt gab es lediglich den Rhythmus, den Gesang und die so genannten „Palmeros“, die Männer und Frauen, die mit ihren Händen klatschend den Rhythmus begleiteten. Erst später kamen Tanz und Gitarre hinzu. Auch das Cajon, eine kastenförmige Trommel, die gleichzeitig als Sitz dient, ist erst sehr viel später zu einem Bestandteil dieser Musik geworden. Die Kastagnetten gehören übrigens, was viele nicht wissen, gar nicht zum Flamenco, sondern eher zur Folklore.

Gibt es eine feste Rollenverteilung in der musikalischen und tänzerischen Besetzung?

Cornelia Minte: Getanzt wird der Flamenco sowohl von Männern als auch von Frauen. Nur ist der gemeinsame Tanz eher selten. Den Paartanz gibt es vor allem in den opulenten „Sevillanas“, die aber eher zu den folkloristischen Tänzen gezählt werden.

Gab es eine Evolution, eine Entwicklung dieses Tanzes?

Jessica Minhoff: Absolut. Die „Sevillana“ beispielsweise wird heute in Spanien in Discos getanzt, und auch in der Schule wird Flamenco wieder gelehrt. Der Flamenco war immer präsent, hat sich im Laufe der Jahrhunderte weiter entwickelt. Neue Elemente sind hinzugekommen, aus denen sich wiederum neue Formen herausgebildet haben.

Cornelia Minte: Teilweise fi nden sich da sogar Jazz- oder auch Hip Hop-Elemente wieder und auch die Instrumentalisierung hat sich neuen Ein- fl üssen geöffnet – da sind heute dann schon einmal Querfl öte, Piano, Saxophon oder auch Geige zu hören.

Ines Utecht: Selbst in der Kleiderordnung wird diese Weiterentwicklung sichtbar: Wo früher ausschließlich in Kleidern und mit langem Arm getanzt werden durfte, tun dies heute viele auch in Hosen.

Welcher Stil wird von Euch getanzt?

Ines Utecht: Wir sind bei Solli durch eine eher traditionelle Schule gegangen, die uns durch den sehr weiblichen Stil begeisterte. Arme, Hüften, Oberkörper – das spielt alles eine große Rolle. Es gibt aber auch andere, modernere Stile, von denen wir verschiedene kennen lernen durften. Jeder Lehrer hat da seine eigene Präferenz. Kann man ein Grundprinzip dieses Tanzes benennen? Ines Utecht: Beinarbeit, Armarbeit, Handarbeit – die Arbeit der Füße nicht zu vergessen und natürlich die gesamte Körper- und Kopfhaltung: Im Grunde ist der Flamenco ein Tanz, in dem zu jeder Zeit jeder einzelne Bereich des Körpers beansprucht wird. Oft laufen Bewegungen vom Tempo her völlig konträr zueinander ab. Während die Füße einen schnellen Rhythmus schlagen, sind die begleitenden Bewegungen der Arme zum Beispiel eher langsam. Das Zusammenzubringen all dieser Elemente erfordert eine hohe Koordinationsfähigkeit. Bis diese wirklich in Fleisch und Blut übergegangen ist, braucht es viele Jahre.

Cornelia Minte: Hinzu kommt, dass sämtliche Bewegungen erst einmal völlig fremd erscheinen – sie haben nichts mit den Bewegungsabläufen zu tun, die wir aus dem Alltag kennen. Zum Beispiel hängt es von der Körperhaltung ab, wie schnell die Füße werden können. Man muss sich in eine Art Plié-Position begeben, wie sie aus dem Ballett bekannt ist — dies allerdings, ohne seine Oberschenkel zu sehr zu belasten, denn dies würde man über einen längeren Zeitraum gar nicht durchhalten; schon gar nicht, wenn sich das Tempo weiterhin steigert, was gern mal der Fall ist.

Jessica Minhoff: Oft geht der Gesang, die Gitarre über den Rhythmus hinweg oder es gibt Kunstpausen, in denen der Tanz aber weiter geht. Dadurch fehlt jegliche rhythmische Orientierung. Diese kann man schließlich nur in sich selbst, in seinem eigenen inneren Rhythmus finden.

Wer gibt im Flamenco den Rhythmus vor?

Ines Utecht: Das sind tatsächlich die Tänzer. Ihnen müssen die Musiker und Sänger folgen. Dies geschieht über einen nonverbalen Dialog zwischen allen Beteiligten, was wiederum deutlich macht, dass der Flamenco kein durchchoreografierter Tanz ist, sondern von seiner Spontaneität und Improvisation lebt.

Ulrike Richter: Da kann es dann auch schon einmal passieren, dass der Sänger eine Strophe länger singt als üblich.

Was hat die Kleidung für eine Bedeutung?

Ines Utecht: Für manche scheint sie keine große Bedeutung mehr zu haben, wie wir beim Besuch einiger Flamencoaufführungen festgestellt haben. Wir allerdings haben noch gelernt, dass schöne Kleidung ein Bestandteil des Tanzes ist, mit der man Stimmungen transportieren kann – und sie kann ein echter Blickfang sein.

Jessica Minhoff: Das Kleid oder auch der Rock ist ein wichtiges Attribut, das die Weiblichkeit unterstreicht. Es braucht eine ganze Weile, bis man das elegante Greifen und Schwingen beherrscht. In einigen Stücken hat der Rock eine weitere Symbolik: Er verkörpert die Capa, das rote Tuch, das beim Stierkampf eingesetzt wird.

Gab es schon Gelegenheit, in Spanien zu tanzen?

Jessica Minhoff: Achtung – wir geraten gleich allesamt ins Schwärmen. Wir hatten tatsächlich häufig Gelegenheit, waren in Südspanien und wurden von einem andalusischen Lehrer unterrichtet. Wir organisieren regelmäßig Workshops im VFL Lüneburg mit spanischen Lehrern.

Cornelia Minte: Wenn man sich dort in einer Flamenco- Schule aufhält, in der unterschiedlichste Altersgruppen von den Professionellen bis zur Hausfrau oder den Dreijährigen unterrichtet werden — wenn man diese einzigartige Atmosphäre erlebt, dann ist das einfach nicht zu toppen.

Diesem Hobby seid Ihr nun seit über 15 Jahre treu.

Ines Utecht: Es ist die Faszination dafür, die ungebrochen ist, die Liebe zu der wunderschönen Musik und diesem Tanz, der sich in punkto Emotionalität und Ausdruck von allen anderen Tanzformen unterscheidet.

Jessica Minhoff: Sicherlich nimmt man auch einiges in seinen Alltag mit – das Körper- und Selbstbewusstsein, das vielen Spanierinnen und vor allem dem Flamenco zueigen sind, die stolze Haltung – all dies sind schließlich stärkende Eigenschaften, die nicht ohne positive Folgen bleiben. Nach wie vor treffen wir uns mindesten einmal in die Woche in den Räumen des VFL, wo wir auch Mitglieder sind, um zu üben und die Tänze zu erarbeiten, die wir aus den Workshops mitgebracht haben. Gerade bereiten wir uns auf unseren Auftritt im Kulturforum am 11. November vor, wo wir einen Querschnitt durch die verschiedenen Tänze des Flamencos zeigen. (nm)

Veranstaltungstipp: Am Freitag, 11. November werden die „Las Flamencas Salineras“ um 20.30 Uhr im Kulturforum zu erleben sein.

FOTOS: ANDREAS SCHLITZKUS, FOTOGRAFIERT IN ANNA’S CAFÉ