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Föhrever

geschrieben im März 2019

Ein ehemaliger Lüneburger über seine Heimat-Insel, die er nie mehr verlassen wird von Andreas Hansen

en Namen „Wyk“ kennt der Lüneburger in einer anderen Schreibweise aus „Bardowick“. Beides heißt „Bucht“ und beides ist durch eine Sturmflut entstanden.
Föhr ist die größte und bevölkerungsreichste deutsche Insel, die nicht mit dem Festland verbunden ist. Wenn die letzte Fähre weg ist, kann man nicht mal eben von der Insel runter. Zur Not gibt es das Wattentaxi – ein Schiff, das man chartern kann – oder eben den Rettungshubschrauber. Den meisten Insulanern gefällt es hier eh am besten. Aufs Festland oder nach Europa, wie man hier sagt, fährt man nur, wenn es unbedingt sein muss. Es ist schon anders hier: Es gibt auf der Insel keine Maulwürfe, Füchse oder auch Eichhörnchen – dafür jede Menge Fasane und Kaninchen. Es gibt kein McDonald’s, Burger King, Aldi oder Gosch. Oh nein, von Sylt möchte man nichts! Es ist besser, den Namen hier nicht auszusprechen. Bloß nicht so werden wie die!
Tja, und wenn man dann mal aufs Festland fahren muss, weil es beispielsweise keinen HNO-Arzt, Urologen oder auch Schuster auf der Insel gibt, erinnern die nebenbei ergatterten Einkäufe an eine Bescherung zu Weihnachten. Ich könnte eine lange Liste aufstellen, was es alles auf der Insel nicht zu kaufen gibt. Folglich muss der Insulaner auch viel im Internet einkaufen.
Die Insel zählt etwa 8.300 Einwohner, die Hälfte davon lebt im Hauptort Wyk. In Wyk wird übrigens plattdütsch gesprochen – dies liegt daran, dass Wyk von plattdeutsch sprechenden Halligbewohnern besiedelt wurde –, auf dem Rest der Insel hingegen spricht man Fering, einen friesischen Dialekt. Um sich von den Kurgästen – man sagt nicht Touristen – abzugrenzen und auch eine Verbundenheit untereinander zu zeigen, duzen sich Föhrer übrigens, egal wie alt und egal ob man sich kennt oder nicht.

Die 50-minütige Fähre bringt einen mit oder ohne Auto in eine andere Welt. In der Hauptsaison sind über 20.000 Kurgäste gleichzeitig auf der Insel. Durch die Kurabgabe in Höhe von 2,60 Euro pro Tag und Person in der Saison kommen Gelder in die Kassen, die genutzt werden, um den Strand schön zu halten – die Region nennt sich ja schließlich gern Friesische Karibik –, aber auch um u. a. ein abwechslungsreiches Programm auf die Beine zu stellen: ein Laser-Spektakel zu Ostern, das Bridge-Festival im Mai, Jazz Goes Föhr im Juli, das Hafenfest mit fantastischem „Föhr On Fire“-Feuerwerk Anfang August bis hin zur Festmeile zu Weihnachten und Silvester mit Neujahrsschwimmen in der Nordsee zu Jahresbeginn. Der Marathonlauf fällt 2019 leider aus – dafür wird im Juli aber mit „200 Jahre Seebad Wyk“ ein weiteres Highlight gefeiert. Und dann gibt es noch Events wie den Schweineball Mitte Januar und das Biike-Brennen am 21. Februar, wo Gäste auch gern einer langen Inseltradition beiwohnen können.
Vorsicht: Die Insel Föhr zieht einen schnell in ihren Bann! Die meisten Urlauber kommen Jahr für Jahr wieder auf die grüne Insel. Generell kann man die Besucher in vier Gruppen einteilen: Familien mit kleinen Kindern, wohl situierte, aber geldbewusste Paare im oder kurz vorm Rentenalter, Leute mit Hunden – insbesondere in der Nebensaison – und les­bische Paare; es gibt z. B. eine Pension, die nur an Frauen vermietet.

Tja, und einige mögen die Insel so sehr, dass sie sich irgendwann entschließen, ganz her zu ziehen. Aber Obacht: Das Integrieren in die Föhrer Gesellschaft ist schwierig – insbesondere wenn man nicht aus Schles­wig-Holstein oder Hamburg kommt und sich durch einen bestimmten Dialekt ständig „verrät“.
Die Kurgäste sind also oft „Wiederholungstäter“. Sie mieten in der Regel immer wieder „ihr“ Apartment oder Ferienhaus – schon ein Jahr im Voraus. Sie holen morgens ihre Brötchen bei Bäcker Hansen, mieten sich immer gleich ein Fahrrad und einen Strandkorb, kennen jedes Restaurant und was sie dort immer gern essen: die Spare Ribs im Glücklichen Matthias, die Scholle Finkenwerder Art bei Klatt‘s Gute Stuben, die Tagliatelle im La Rocca.
Punkt 20 Uhr ist dann aber Wyk oft wie leergefegt. Wo sind sie hin? Die Älteren sind es gewohnt, abends zu Hause auf der Couch zu sitzen und Tatort zu gucken. Die Familien mit kleinen Kindern stecken diese langsam ins Bettchen, wo sie vor Erschöpfung und der guten Seeluft wegen prima schlafen werden. Andere lassen den Abend bei einem guten Glas Wein in der Alten Druckerei oder dem Föhrer National­getränk „Manhattan“ (1/3 Scotch Whisky, je 1/3 roten und weißen Wermut) in der Seefahrerkneipe Glaube Liebe Hoffnung ausklingen. Ganz unruhige Geister können sich zu später Stunde auch noch in der Diskothek Olympic mit separatem Raucher- und Nichtraucherbereich vergnügen und anschließend vielleicht einen der atemberaubenden Sonnenaufgänge in Wyk beobachten.
Die mindestens ebenso beeindruckenden Sonnenuntergänge gibt’s auf der anderen Seite der Insel in

Der Autor
Andreas Hansen, Jahrgang 1963, war 20 Jahre lang Lüneburger. Vor knapp zwei Jahren zogen er und sein Border Collie Lilly nach Wyk auf Föhr. „Für immer“ sagt er, denn hier liegen seine Wurzeln. Sein Vater und seine Großeltern stammen aus der Wilhelmstraße in Wyk. Der Stammbaum großmütterlicherseits geht zurück bis ins frühe 17. Jahrhundert, als seine Ahnen hier drei Mühlen in und um Wyk be­saßen. Kein Wunder, dass er aufgenommen wurde wie ein zurückgekehrter Sohn: In der Seefahrerkneipe Glaube Liebe Hoffnung ist am Insulanertisch stets ein Platz für ihn frei, als Kassenwart der Schweinegilde führt er eine große Tradition fort – auch sein Großvater hatte dieses Amt in den 70er-Jahren inne.

Fotos: Andreas Hansen

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