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Die Handelsstrasse des Burgfleckens

geschrieben von Rosa Bartz im Juli 2011

LÜNEBURGS GRAPENGIESSERSTRASSE VERBAND EINST DEN SIEDLUNGSKERN KALKBERG UND DAS DORF MODESTORPE

Wer heute an die Grapengießerstraße denkt, sieht vor dem inneren Auge eine belebte Einkaufsstraße der Lüneburger Innenstadt, deren breite Fußgängerzone zum Flanieren und Shoppen einlädt. Ein Modegeschäft reiht sich an das nächste, dazwischen Bäcker, Drogerien, Buch- und Zeitschriftenhändler. Auch einige Ärzte haben sich hier niedergelassen. An Wochenenden und Feiertagen trifft man zahlreiche Spaziergänger, die bei einem Eis die Sonne genießen oder einfach nur zum Schaufensterbummel gekommen oder angereist sind.

Wenig erinnert daran, dass die Straße einst Handwerker bevölkerten – die Grapengießer. Sie gaben dem Verbindungsweg vom Platz „Am Sande“ zur Altstadt ihren Namen. Als Schmiede stellten sie metallene Kochtöpfe, die mittelalterlichen Grapen, her. Bereits seit dem 12. Jahrhundert wurden die Gefäße verwendet; anfangs bestanden sie noch aus Ton, ihr bauchiges Unterteil stand auf drei charakteristischen Füßen und konnte damit direkt in die Glut gestellt oder aber per Henkel über das offene Feuer gehängt werden.

Die Entstehung der Stadt Lüneburg wird häufig auf die lateinische Formel „Mons, Pons, Fons“ gebracht. Gemeint ist das Zusammenwachsen der drei Siedlungskerne um die Burg auf dem Kalkberg (Mons = Berg), das Dorf Modestorpe an der Brücke über der Ilmenau (Pons = Brücke) und die Saline mit ihrer Solequelle (Fons = Quelle). Die Handelsstraße des Burgfleckens führte vom Weg „Auf der Altstadt“ über die Grapengießerstraße und den Platz „Am Sande“ bis zur Ilmenau­brücke. Sie verband damit die Siedlungen Kalkberg und Modestorpe, die mit der Zeit zu einer Stadt wurden.
Ende des 14. Jahrhunderts wurden die Steuerpflichtigen der Stadt dann nach ihrem Wohnort in vier Stadtviertel eingeteilt: Markt-, Sand-, Sülz- und Wasserviertel. Die ersten drei entstanden aus den Ur-Siedlungen – das Hafenviertel zwischen Bardowicker Straße und Ilmenau bildete sich erst im Laufe des 13. Jahrhunderts. Durch ihre zentrale Lage grenzte die Grapengießerstraße an Markt-, Sand- sowie Sülzviertel und war erfüllt von mittelalterlichem Geschäftstrubel. Vom 15. Jahrhundert an befand sich das Zentrum der Lüneburger Braukunst rund um die parallel gelegene Heiligengeiststraße. Dort war mit der Kronen-Brauerei von 1484 die älteste bekannte Lüneburger Braustätte ansässig. Aber auch in der Grapengießerstraße selbst gab es Brauereien: Noch heute wird in der Nummer 11 „Zum alten Brauhaus“ in über 500-jähriger Tradition Bier ausgeschenkt. Die Brauer waren in den folgenden Jahrhunderten wohlhabend und in der Bürgerschaft durchaus einflussreich. Sie hatten in der Nummer 44 (Ecke Enge Straße) ein eigenes Gildehaus, das erst 1797 in Privatbesitz überging. Nur wenige Häuser weiter, in Nummer 38, ist ebenfalls ein altes Brauhaus versteckt. Im Gegensatz zur Nummer 11 sieht man ihm das nicht mehr auf den ersten Blick an – farblich ist die Fassade den Nachbarhäusern angepasst und im Erdgeschoss beherbergt es die Verkaufsflächen eines Modehauses. Erbaut wurde es aller Wahrscheinlichkeit nach 1467 von Lüneburgs Neubürger Godeke Molre, der es an den vormaligen Platz dreier kleinerer Bürgerhäuser setzte. Im 16. Jahrhundert besaß es der spätere Senator Helmeke Lampe; er erweiterte den Besitz bis zur Heiligengeiststraße, sodass auf beiden Seiten eine Ausfahrt vom Grundstück vorhanden war.

Als Folge des Siebenjährigen Krieges standen 1767 ein Drittel der Brauhäuser leer, und fünf Jahre später erwarben die Brüder Sarninghausen die Grapengießerstraße 38 aus einer Konkursmasse für nicht einmal die Hälfte des ehemaligen Werts. Sie bauten die alte Brauerei für 1.100 Taler zu einem Wohnhaus um und versahen es mit allerlei Schmuck­elementen, wie Stuckdecken mit allegorischen Gemälden. 1874 kaufte schließlich Justizrat Carl Gravenhorst das Haus – in Lüneburg auch gegenwärtig kein Unbekannter, wurde doch 1907 eine Straße im Stadtteil „Rotes Feld“ nach ihm benannt.

Die heutige Einkaufsmeile Grapengießerstraße mit ihren modernen Läden und dem geschäftigen Treiben birgt ein beachtliches Stück Lüneburger Geschichte. Es lohnt sich, neben dem Blick ins Schaufenster auch die Augen für historische Details offen zu halten. Vieles hat sich über die Jahrhunderte geändert und doch ist etwas geblieben: Ihr Name mag nun nicht mehr „Untere“ und „Obere Grapengießerstraße“ lauten – eine Straße des Handels ist sie nach wie vor.(rb)


Quellen: http://www.lueneburger-geschichte.de

Franz Krüger, Zur Geschichte des Hauses Grapengießerstr. 38, Lüneburger Museumsblätter Heft 4, 1907.


Fotos: Sammlung Hajo Boldt, Enno Friedrich

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