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Hätte, hätte …Vergessen Sie es!

geschrieben von Caren Hodel im Mai 2019

Allgemeine Besonderheiten von Caren Hodel

Natürlich sind sie ärgerlich, die Momente, in denen man nur ganz knapp an einem guten Ausgang vorbeischrammt. Manchmal ist es ja nur eine Sache von Sekunden, und eine Kette unglücklicher Umstände beginnt.
Das hatte ich neulich: Ich konnte, wie so oft, meinen Autoschlüssel nicht finden und kam deshalb zehn Minuten zu spät in den Kindergarten, um meinen Sohn abzuholen. In eben diesen zehn Minuten verschwand die Putzfrau auf die Toilette, ließ versehentlich die sonst verschlossene Küchentür auf und mein anderer Sohn riss beim Versuch, an die Strohhalme zu gelangen, einen Topf Erbsensuppe vom Herd. Bis wir die Sauerei beseitigt hatten, war es so spät, dass ich meinen Friseurtermin verpasste – und mit dem Vogelnest auf dem Kopf konnte ich abends nicht ins Theater gehen.
Hätte ich meinen Schlüssel wie sonst auf dem Schrank platziert und nicht in Kinderreichweite auf dem Tisch, wäre ich pünktlich zum Kindergarten gekommen, der Friseur hätte meine Haare gerichtet und ich hätte mit meiner Freundin ins Theater gehen können. Andererseits war es sehr glatt an diesem Abend. Wer weiß, vielleicht wäre ich auf dem Weg mit dem Auto ins Schleudern geraten und in den Graben gerutscht. Oder jemand hätte mir in der Tiefgarage meine Handtasche geklaut.
Diese Was-wäre-wenn-Gedankenspielereien kennt vermutlich jeder. Solche Vermutungen anzustellen, macht manchmal auch einfach Spaß. Falls Sie Männer in Ihrem Leben haben oder selbst fußballbegeistert sind, dann kennen Sie diese Sätze: Hätte der Idiot den gebracht, statt den. Und warum steht der im Tor und nicht der. Ich musste mir sehr oft anhören, was alles schief gelaufen war: „Hätte Löw doch …“ – dann hätte Deutschland vielleicht früher das Anschlusstor gemacht, und dann wären wir nicht ausgeschieden.
Aber nicht nur mein Mann ist Meister im „Was-wäre-wenn-Roulette“. Auch meine Nachbarin Pia: Sie klagt seit Jahren mit Leidenschaft darüber, dass sie glück­licher, verliebter und reicher sein könnte, wenn sie sich damals nur anders entschieden hätte. „Hätte ich doch nur mehr Geduld gehabt und abgewartet“, zermartert sie sich regelmäßig den Kopf. Die Vor­geschichte: Sie hatte ihrer Jugendliebe vor exakt fünf­zehn Jahren den Laufpass gegeben, weil ein „arbeits­loser Künstler-Chaot“ nicht in ihr Konzept passte. Sie wollte Kinder und ein Haus auf dem Land und entschied sich deshalb für einen anderen Mann. Doch der Auserwählte konnte keine Kinder zeugen und die Ehe ging schließlich in die Brüche. Und das Schlimmste: Aus dem Künstler von damals ist ein erfolgreicher, obendrein noch sehr gut aussehender Galerist geworden, der eine Villa in Spanien besitzt und zwei bezaubernde Kinder hat.
„Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist“ heißt es in einer Operette von Johann Strauß – wie wahr! Wir sollten Konjunktivsätze aus unserem Leben streichen. Bis auf den: Es hätte schlimmer kommen können …

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