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Harte Zeiten für Meister Lampe

geschrieben von Irene Lange im April 2019

Im Supermarkt stirbt der Osterhase niemals aus. Aber in freier Natur hat er es nicht leicht

chon seit Wochen sind sie wieder in allen Variationen in den Auslagen der Supermärkte im Angebot: die Schokoladen-­Osterhasen. Nicht nur Kinder verbinden mit der Symbolfigur zu Ostern ein freudiges Fest für die ganze Familie mit fröhlichem Eiersuchen.
Leider sieht man die Langohren in der freien Natur im Landkreis Lüneburg nicht mehr so häufig, auch ihnen machen die Verluste ihres Lebensraums und Veränderungen in unserer Kulturlandschaft durch Intensivierung der Landwirtschaft, Vermin­derung der Brachflächen, Krankheiten oder die Witterungs­verhältnisse stark zu schaffen. Zudem wird so mancher Hase Opfer des Straßenverkehrs. Wie Kreis­jägermeister Hans-Christoph Cohrs berichtet, ist auch im Landkreis Lüneburg der Hasenbesatz rückläufig. So konnte hier laut Landesjagdbericht 2016/
2017 lediglich eine Jagdstrecke von 425 Tieren vermeldet werden, was bedeutet, dass pro Revier nicht einmal ein Hase erlegt wurde. Von der genannten Zahl seien etwa einhundert Tiere ohnehin Verkehrsopfer. Hingegen sei die sogenannte Fallwildzahl, also tot aufgefundene Tiere, leicht zurückgegangen. Hauptgrund, so Cohrs, für die Reduzierung des Hasenbestandes seien jedoch die Prädatoren (Beutegreifer). Er sagt: „Wie ist es sonst zu erklären, dass die höchsten Hasenstrecken in den intensivsten Land­wirtschaftsgebieten Weser-Ems und um Hannover herum erzielt werden?“ Dort seien auch die höchsten Raubwildstrecken laut Jagdstatistik. Denn nach wie vor gelte: Wer das Raubzeug stark bejagt, hat auch viel Niederwild im Revier.
Um den Hasen (Lepus europaeus) ranken sich Fabeln wie „Meister Lampe“ oder Märchen wie „Hase und Igel“, „Hase und Fuchs“ sowie viele Redewendungen im Volksmund, zum Beispiel: „Wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen“, „Viele Hunde sind des Hasen Tod“, „Hasenpanier ergreifen“ oder auch „Angsthase“. Irgendwie geht es Meister Lampe dabei häufig an den Pelz. Er erweist sich als nicht besonders mutig, gilt sogar als feige. Auch im Plattdeutschen findet der Hase ein trauriges Ende in dem Gedicht „Lütt Matten de Has …“ Er wird vom Fuchs, alias Meister Reineke, überlistet, getötet und gefressen. Heidedichter Hermann Löns hat ihm in der Erzählung „Mümmelmann“ ein rührendes Denkmal geschaffen. Als Osterhase ist er bei Jung und Alt beliebt als ein Symbol der Fruchtbarkeit und neuen Lebens.
So ist der Hase also ein äußerst faszinierendes Tier mit erstaunlichen Eigenschaften und Fähigkeiten. 2001 wurde er als „Tier des Jahres“ auserwählt. Mit seinen langen Ohren, den Lauschern, verfügt er über ein ausgezeichnetes Gehör. Obwohl er eigentlich kurzsichtig ist, sieht er dennoch jede Bewegung, denn durch seine seitlich stehenden Augen, auch Seher genannt, hat er einen Rundum-Überblick

Er ist ein Meister der Tarnung. Nicht zuletzt ist er seiner Umgebung durch die Fellzeichnung angepasst. Im Sommer ist sie erdbraun, im Winter gräulich-­braun. Das Fell hat eine feine Unterwolle, das Deckhaar, die Grannen, ist besonders feuchtigkeits­abweisend und wärmend in der kalten Jahreszeit. Bauch und Schwanzunterseite, die Blume, sind weiß, ebenso wie die starken Barthaare, die als Tasthaare dienen.
Seine hoppelnde Gangart entsteht durch die extrem langen Hinterläufe. Das ermöglicht ihm jedoch das sogenannte Hakenschlagen, d. h. einen plötzlichen Richtungswechsel, mit dem er seine Verfolger nicht nur irritiert, sondern auch vielfach abschüttelt. Bei seinen schnellen Sprints kann er Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 80 km pro Stunde erreichen. Ihm gelingen Sprünge bis zu zwei Metern Höhe und drei Metern Weite. Doch bevor er sich aufscheuchen lässt, hockt er gut getarnt durch seine Fellfarbe regungslos in seinem Lager, der Sasse.
Hauptsächlich zählen Fuchs und Wildschwein zu seinen Fressfeinden. So lassen sich die scheuen Hasen als nachtaktive Einzelgänger tagsüber nur selten blicken und bleiben lieber in Deckung, wo sie so leicht nicht zu erwischen sind. Da sie keine Duftdrüsen an den Pfoten haben, ist ihre Spur ohnehin nicht leicht zu verfolgen. Ihrem Standort sind sie ein Leben lang treu.
Von Januar bis August dauert die Paarungszeit. In der Hasenwelt entscheidet die Häsin, wer bei ihr landen kann. Da legt sich der Rammler mächtig ins Zeug. Mut, Kraft und Ausdauer muss er beweisen, indem er sich entweder bei Wettläufen oder Boxkämpfen mit anderen Bewerbern hervortut. Dann aber geht alles sehr schnell. Innerhalb kürzester Zeit paart sich die Häsin gleich mehrmals, so dass es durchaus zu mehreren Vaterschaften und Würfen kommen kann, denn die Tragzeit ist relativ kurz. Sie beträgt rund 25 bis 50 Tage. Dann kommen im Durchschnitt zwei bis acht, manchmal aber auch bis zu 15 Junge zur Welt. Doch die meisten von ihnen werden das erste Jahr nicht überleben. Sie sind durch Raubwild, Krähen, Hunde oder Katzen ebenso gefährdet wie durch den Einsatz landwirtschaft­licher Maschinen.
Wie Hans-Christoph Cohrs anführt, wird in einigen niedersächsischen Revieren mit geringen Hasenbesätzen entweder ganz auf eine Bejagung verzichtet oder nur ab und zu ein „Küchenhase“ geschossen. Auch im Landkreis Lüneburg finden die früher üb­lichen Treibjagden auf Hasen schon seit geraumer Zeit nicht mehr statt.

Fotos: 123rf.com © creativenature

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