Heia Safari Teil 2
geschrieben von Rüdiger Albert im Juni 2013
Beutemachen: Der Safari-Look verheißt die Befriedigung einer genetischen Disposition,die immer noch tief im Manne schlummert: Der Jagdtrieb rührt sich und ruft

Vor dem sandbraunen Zelt baumelt die verchromte Petroleumlampe und wirft ihren schummrigen Schein auf zwei beinharte Kerle in staubigen Stiefeln; in der Ferne jaulen Hyänen. Beide Männer fläzen sich nonchalant auf Klappstühlen, bespannt mit sandfarbener Baumwolle. Während der eine seinen Hut lässig aus der Stirn in den Nacken schiebt, fingert der andere der beiden Abenteurer eine Zigarette aus der aufgesetzten Tasche seiner khakifarbenen Baumwolljacke und dreht mit der anderen Hand geschickt einen Schraubverschluss von einer Flasche mit brauner Flüssigkeit, aus der er sich einen großzügigen Schluck in einen Tumbler mit Eiswürfeln einschenkt, die er wer weiß woher hat. Um die Hüte der beiden schlingt sich je ein Streifen Leopardenfell als Hutband.
Wenn der Horizont, auf dem die Sonne glühendrot untergeht, nicht von einem begabten Kulissenmaler auf Pappe gepinselt wäre, vor den beiden nicht das hektische Kamerateam hantierte und der Schein der Petroleumlampe nicht von einer Studioleuchte unterstützt würde – tja, dann säßen hier nicht zwei Schauspieler, die gerade einen imaginären Whisky-Werbespot abdrehen, sondern zwei Großwildjäger auf Safari.
Dass die beiden sich nicht in einem schwer durchdesignten Loft zuprosten, ist zu verstehen. Warum der Erfolg einer großen Zigarettenmarke auf kernigen, von Wetter und Wind gegerbten Kerlen beruht und nicht auf anämischen Büromenschen, ist ebenfalls begreifbar. Auch die Campingkocher-Produzenten und die Schlafsack-Hersteller können sich auf eines verlassen: auf den unstillbaren Fluchttrieb des stressgeplagten Stadtmenschen. Die Freiheit, die er meint, findet in der freien Natur statt, und die ist so richtig frei erst dort, wo Elefanten trompeten, Löwen brüllen und noch niemand etwas von einer Hausratversicherung gehört hat:

in der Wildnis Afrikas. Anders ist kaum zu erklären, dass ein Großteil der Abenteuer, die sich Hollywood für den geplagten Alltagsmenschen hat einfallen lassen, auf dem Schwarzen Erdteil spielen, dort, wo Männer angesichts wilder Bestien noch Männer sein können. Der „Schnee am Kilimandscharo“ ist durch den Schnee am Watzmann eben nicht zu ersetzen. Auch der Erfolg eines Schmachtlichtspiels wie „Jenseits von Afrika“ ist, so darf vermutet werden, zu einem guten Teil nicht nur dem melodramatischen Plot der Tania Blixen zu verdanken, sondern auch der Tatsache, dass verwegene Großwildjäger in Khaki-Kleidung nun einmal interessantere Menschen sind als Finanzbeamte, ein Robert Redford mit verknautschtem Tropenhut und Savannensand zwischen den Zähnen mehr Sex-Appeal auf Frauen ausstrahlt als alle beschlipsten Wall-Street-Broker zusammen, und sei ihr Konto noch so dick – Mike Douglas ausgenommen.
Auch Orson Welles hinterlässt in John Houstons Streifen „The Roots of Heaven“ in der kolonialen Afrika-Uniform einen erfolgreicheren Eindruck als Citizen Kane. Selbst Grace Kelly, die ihre Reize geschickt genug einsetzte, um immerhin Hollywood-Star zu werden, muss am Safari-Look etwas durchaus Vorteilhaftes für ihre Erscheinung gefunden haben. Sonst hätte sie sich nicht kurz vor ihrer Hochzeit mit dem Nachkommen eines alten Piratengeschlechtes in Khakianzug und festen Stiefeln anstatt in Abendkleid und Pumps ablichten lassen. Sie dürfte der gleichen Verlockung erlegen sein, der auch Männer sich nicht entziehen können, wenn sie von einer Safari durch die Wildnis träumen. Denn was verspricht eine solche Unternehmung nicht alles! Abgesehen davon, dass dieses arabische Wort „Safari“ schlicht und ergreifend auf Deutsch nur Reise heißt, verheißt sie lauschige Abende unterm Sternenzelt und schwüle Nächte unterm Moskitonetz.>

Die Gedanken reisen in eine Ferne, in der es noch erlaubt ist, sich irgendwie landsknechthaft aufzuführen und mit der Waffe in der Hand allen möglichen Gefahren zu trotzen. Kein Camping, kein Picknick und auch keine Tour mit dem Wohnmobil, die ja auch Freiluftveranstaltungen im engeren Sinne sind, können da mithalten. Zum Camping gehört zwar ein Zelt, aber es erinnert auch an Typen in Unterhemd, Trainingshosen und Sandalen. Schaurig. Beim Picknick besteht die Gefahr allein darin, dass es ins Wasser fällt oder der Korkenzieher zu Hause vergessen wird, und das Wohnmobil ist bloß das fortgeschrittene Steilwandzelt, gewissermaßen eine motorisierte Kleingartenlaube.
Der Safari-Look jedoch muss als eine kultivierte Form des Räuberzivils gewertet werden, das zwar fern jeder Steckdose und allen sonstigen Komforts zu Hause ist, aber doch auch mit derjenigen Eleganz assoziiert wird, die man bei den britischen Kolonialoffizieren von anno dazumal in Indien vermutet. Autochthon freilich ist der Safari-Look allein in Afrika, denn gerade dort verheißt er die Befriedigung einer genetischen Disposition, die immer noch tief in den Männern drinsitzt: Der Jagdtrieb rührt sich und ruft.
Auf Safari gehen heißt Beute machen. Das dachte sich auch Hemingway seinerzeit: Der Erfolgsschriftsteller ließ seinem Jagdtrieb freie Wildbahn und schoss sich in Afrika Trophäen für sein Wohnzimmer und die Terrasse – und ließ eine stolze Strecke erlegter Tiere und geleerter Whiskyflaschen zurück.
Von Hemingway mal abgesehen ist die Zeit eigentlich reif, um den Safai-Look wieder mal zu einer Mode werden zu lassen. Muss ja nicht gleich für eine Wanderung durch die Lüneburger Heide sein. Wenn aber allradgetriebene Jeeps mit grobstolligen Reifen über die Boulevards Richtung Theater, Rathausbibliothek, Krone und Mälzer rollen, dann ist kaum zu begreifen, warum nicht Tropenhelme demnächst den Panamahut, Breeches die Freizeithosen aus Cord und eine baumwollene Safari-Jacke nicht das knitterige Leinensakko ersetzen können – für ein, zwei Saisons natürlich nur, bis zum nächsten Trend. Probleme kann es eigentlich nur bei der Beschaffung des originalen Großwildjägerhutes geben, denn das Hutband aus Leopardenfell wird wohl oder übel aus Synthetik-Material sein müssen, dem Artenschutz zuliebe.(ra)
Foto: fotolia.com © jorgophotography
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