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„Hospitalis sancti Spiritus“

geschrieben von Irene Lange im September 2017

Das Lüneburger Heilig-Geist-Hospital Über 700 Jahre im Dienste des Menschen

Ein öffentliches Gesundheits- und Armenwesen war im Mittelalter noch nicht bekannt. Die Menschen waren bei aller Unbill des Lebens wie Unglücksfällen oder Krankheiten völlig unge­sichert. Andererseits galt es als Christenpflicht, in Not geratene Mitbürger zu unterstützen. Doch ganz so uneigennützig waren diese Ambitionen nicht, schließlich konnte man auf diese Weise auch etwas für sein eigenes Seelenheil tun.
War eine Kommune wohlhabend, wurde von ihr erwartet, dass sie sich beispielswese mit dem Errichten von Hospitälern um das Gemeinwohl sorgt. So kam es auch in Lüneburg, der damals reichen Salzstadt, zur Gründung des Hospitals zum Heiligen Geist, das damals noch bis in das 14. Jahrhundert St. Lamberti hieß. Erst im Laufe des gleichen Jahrhunderts setzte sich der Name „hospitalis sancti Spiritus“ durch. Wer die Stifter waren, ist nicht überliefert. Zu vermuten ist jedoch, dass es sich um Sülfmeis­ter handelte. Auch das genaue Gründungsjahr ist nicht bekannt, zumindest aber weiß man heute, dass Hospital bereits im Jahr 1277 bestand. Belegt ist dies durch einen Mordfall, der sich in jenem Jahr ereignete – verzeichnet ist dies in einem so genannten „Verfestungs­register“, einem Namensverzeichnis derer, die ­wegen eines kriminellen Vergehens flüchtig waren. Gesucht wurden Gerhard Duns, Johannes Wegemann, Konrad Stenboge, Heinrich Kruse und Dietrich Snellart wegen Mordes an Ludeko Cobico. Allerdings hatte die Fahndung wohl keinen Erfolg, doch ist heute immerhin der „Steckbrief“ ein Nachweis für die Existenz des Hospitals.
In der Regel entsprach ein Hospital im Mittelalter einem Krankenhaus, war aber gleichzeitig auch Alters- und Pflegeheim und diente als Pilgerherberge. Mit Ablässen trug man zur finanziellen Absicherung wie auch zum Ausbau des Spitals bei, doch schien dies auf Dauer nicht auszureichen. Folglich kam es zur Umwandlung des Armen- und Krankenhauses in eine Prövner- bzw. Pfründner­anstalt. Ab 1299 wurden nur noch Pfründner aufgenommen, Bürger also, die sich einen Platz im Hospital zum Heiligen Geist erkaufen konnten und damit eine Sicherung gegen Schicksalsschläge erwarben. Voraussetzung war eine einmalige Schenkung oder ein Leibrentenvertrag, wie er zum ersten Mal im Jahre 1309 belegt ist. Der Pfründner musste sich zudem verpflichten, seinen gesamten Nachlass dem Hospital zu vermachen. Der Betrieb von beträchtlicher Landwirtschaft in Form von drei Meierhöfen in Reppenstedt, in Lemgrabe bei Dahlenburg und in Vögelsen sicherte zusätzliche Einnahmen, ebenso wie umfangreicher Waldbesitz und die Anrechte auf den Teil der Ernte.

Erst im Laufe des 14. Jahrhunderts setzte sich der Name „hospitalis sancti Spiritus“ durch. vermutlich waren Sülfmeister die Stifter.

Ende des 15. Jahrhunderts jedoch war es mit dem Pfründnerwesen vorbei. Es wurde durch Ratsbeschluss abgeschafft und das Hospital wieder seinen ursprünglichen Aufgaben zugeführt: den Armen und Kranken Obdach zu gewähren. Dennoch gab es gewisse Kriterien, die zu erfüllen waren. Neben der Bedürftigkeit musste man sich würdig zeigen, der Obrigkeit genehm sein und obendrein ein tadel­loses, christliches Leben führen. Bevorzugt aber wurden Sülzknechte oder einfache Salinenarbeiter aufgenommen, denen sechs Freistellen zustanden. Klösterliche Vorschriften gab es im Heilig-­Geist-Hospital wohl nicht. Allerdings wurde auf Einhaltung kirchlicher Vorschriften geachtet, die den Besuch der Früh- und Abendmesse vorgaben.
Die Verwaltung des Hospitals unterlag, so wird vermutet, den Sülfmeistern; seit dem 14. Jahrhundert trug ein Gesamtrat die Verantwortung. Ihm oblagen die finanziellen Transaktionen, die Verleihung der Pfründe und die Festsetzung einer strengen Haus­ordnung. Das Hospital selbst wurde von einem Gastmeister geleitet, meist ein wohlhabender Bürger, der zudem noch hoch bezahlt wurde und an den Festen der Sülfmeister teilnehmen durfte. Der sogenannten Gastmeisterschen, die nicht mit dem Leiter verheiratet war, oblag die Krankenpflege. Rund 40 weitere Mitarbeiter waren hier zudem beschäftigt, darunter Köche, Bäcker, Brauer, Korbträger, Torwächter, ein Organist, ein Küster und Gesinde der angeschlossenen Landwirtschaft.
Sichere Einkünfte sprudelten aus allen Siede­häusern in Form je einer Schaufel Salz, was einen beachtlichen Wert darstellte. Das Spital verfügte so über ein beträchtliches jährliches Einkommen, aus dem sich sogar der Rat bedienen konnte. Lange Zeit war es der reichste Konvent der Stadt neben dem Kloster St. Michaelis. Es überstand Not- und Kriegszeiten und blickt heute auf über 700 Jahre Engagement für die Bürger der Stadt Lüneburg zurück.

Es ließ sich gut leben im mittelalterlichen Hos­pital. Niemand musste Hunger leiden. Die einfachen Pfründner aßen in ihren Bettkammern, während die Herrenpfründner (jene mit dem größeren Vermögen) mit dem Gastmeister speisen durften. Der Speiseplan war reichhaltig mit Gemüse, Fleisch, Fisch, Käse und Butter bestückt. Dazu gab es dünnes Bier aus der hauseigenen Brauerei. Auch für Kleidung, Schuhe und Bettzeug war gesorgt. Eine ärztliche Betreuung gab es erst ab dem 15. Jahrhundert, als allmählich ausgebildete Wundärzte und später akademisch ausgebildete Ärzte kamen.
Den einfachen Pfründnern oblagen gewisse Verpflichtungen, indem sie zur Krankenpflege oder Erntearbeit herangezogen wurden. Bei Einbruch der Dunkelheit hatte jeder das Haus aufzusuchen, und beim Klang der Wächterglocke hieß es: Nachtruhe und alle Lichter löschen! Um die 100 Bewohner zählte das Hospital im 16. und 17. Jahrhundert. Anfang des 20. Jahrhunderts befanden sich nur gut 30 alte Menschen und Hilfsbedürftige im Hospital.
Die Reformation hatte einen grundlegenden Wandel auf dem Sektor des Armen- und Krankenwesens bewirkt. Die Aufgaben des Hospitalwesens übernahmen nun die Kommunen, doch blieb in Lüneburg die enge Verbindung des Hospitals mit der Saline über die Jahrhunderte erhalten. Erst im Jahre 1814 erlosch der Anspruch der sechs Freistellen für bedürftige Sülzarbeiter durch Zahlung eines Ruhegeldes.
In der Zeit der Napoleonischen Kriege requirierten die Franzosen 1803 das Hospital und richteten dort eine Kaserne ein. Später, nach dem Ende der Befreiungskriege, errichtete die Stadt 1816 im oberen Stockwerk des Hospitals die erste Bürger- und Freischule. Die Einrichtungen existieren noch heute. Heute leben noch 22 Frauen im Heilig-Geist-Hospital. Sie zahlen im Verhältnis zu anderen Einrichtungen eine eher symbolische Monatsmiete. Auf diese Weise ist die jahrhundertelange Tradition im Dienste und zum Wohl der Bürger der Stadt immer noch gewährleistet.(ilg)

— Quellen: Stadtarchiv Lüneburg, Arbeitskreis Lüneburg Altstadt e.V., Dr. Uta Reinhardt.

Fotos: Sammlung Hajo Boldt, Enno Friedrich

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