Grüne Wiesen, roter Rock
geschrieben von Victoria Manzke im Oktober 2013QUADRAT hat die Faszination Jagdreiten unter die Lupe genommen – der Versuch einer (Liebes-) Erklärung

Die Zusammenarbeit zwischen Tier und Mensch ist so alt wie die Menschheit selbst – wenn Pferd und Reiter eine Einheit bilden inmitten der schönsten Natur, muss auch einem Nichtreiter das Herz aufgehen. Kommt noch eine Meute fröhlicher braun-weißer Hunde dazu, befinden wir uns mitten drin in der jahrhundertealten Tradition des Jagdreitens. Die Jagd auf lebendes Wild, die sogenannte Parforce-Jagd, ist seit 1934 in Deutschland verboten. Geblieben sind die Strukturen, die Philosophie und auch ein gewisser Habitus. So sind Vorbereitung, Ablauf und Ausklingen einer Schleppjagd in den Satzungen der einzelnen Vereine/Meuten genau geregelt, ebenso wie eine Kleiderordnung je nach Anlass vorgegeben ist.
Falls Sie gerade über den Begriff „Schlepp“-jagd stolpern: Um den Hunden die Jagdstrecke vorzugeben, wird unmittelbar vor Beginn der Jagd von ein bis zwei erfahrenen Reitern eine künstliche Fährte gelegt, die zum Beispiel aus Pansenlauge oder Fuchslosung besteht. Während diese heute meist aus einem seitlich hinter dem Sattel befestigten Behälter tropft, wurde früher ein Schwamm getränkt, der anschließend auf dem Boden hinter dem Pferd „hergeschleppt“ wurde. Schon als Welpen werden die Hunde auf diesen „scent“, ihren Duftstoff, eingejagt, ebenso wie sie mit anderen Gerüchen — zum Beispiel von Wild — vertraut gemacht werden, damit sie diese später nicht für Jagdbeute halten. Auch lernen sie von Welpenbeinen an, mit dem Partner Pferd umzugehen, ebenso wie sich ein erfahrenes Jagdpferd durch seine Gelassenheit gegenüber der Meute auszeichnet.
Pferd „hergeschleppt“ wurde. So entstand der Begriff der Schleppjagd.
Und die Reiter? Sie haben auch ihren festen Platz innerhalb des Geschehens und das im wörtlichen Sinne, denn die wichtigste Regel beim Jagdreiten lautet: Halte den Platz, auf dem Du Dich eingereiht hast, ein! Schon so mancher Reiter hat die Galoppierfreude seines Pferdes im Pulk unterschätzt und zog mit wehenden Fahnen am Master vorbei. Das dabei entstehende Durcheinander kann allerdings Mensch und Tier gefährden, deshalb gibt es für die Einteilung der Reiter strenge Vorgaben. Bei den Mitgliedern eines Schleppjagdvereins unterscheidet man zwischen der Equipage und den Jagdreitern. Die Mitglieder der Equipage sind der Master und die Piköre. Sie führen und begleiten die Hunde während der Jagd. Der Master hat das oberste Amt inne, kümmert sich um die Belange der Mitglieder und teilt die Teilnehmer in Felder ein. Die Feldführer (Fieldmaster) führen und betreuen die einzelnen Reiterfelder, meist gibt es ein springendes und ein nichtspringendes Feld, mitunter wird auch ein Extrafeld für Ponies oder junge Pferde eingeteilt.

Vor Beginn der tatsächlichen Jagd werden die Pferde im Schritt warm geritten, während sich nach und nach alle Reiter versammeln. Nach Ansprache und Einteilung geht es los in Richtung Jagdstrecke. Erst wenn die Hunde mit lautem Geläut (Gebell) und freudigem Loslaufen den Start markieren und der Master mit dem Signal seines Huntinghorns die Hunde sicher auf der Fährte hat, fallen die Pferde in Galopp. Man wünscht sich eine „gute Jagd“, verkürzt die Zügel, geht in den leichten Sitz und während Wiesen und Bäume vorbeifliegen, bietet sich das dynamische Bild der Hunde bei ihrer Arbeit. Idealerweise jagen sie dicht beieinander, das Beisammenbleiben haben sie viele Male morgens bei der sogenannten Hundearbeit geübt. Falls aber doch einmal einzelne Hunde den Anschluss verlieren oder die Meute weit auseinandergezogen jagt, kommen die Mitglieder der Equipage zum Einsatz. Ihnen obliegt es, die Hunde beieinander zu halten. Während die Außenstehenden nur ein Gewusel braun-weißer Vierbeiner sehen, hört man die Piköre, die Namen der Hunde rufen – sie kennen ihre Schlawiner in der Meute ganz genau!
Übrigens laufen die Hunde nicht die gesamte Jagdstrecke durch, denn diese wird in „Lines“ oder „Runs“ eingeteilt, einzelne Abschnitte, die von Pausen für Pferd, Hund und Reiter gekennzeichnet sind. Auch diese Stopps sind im Vorfeld geplant. So fährt das Team des „Huntsmans“, des eigentlichen Herrn über die Hunde, mit großen Wasserbottichen zu den Stoppstellen, um die Hunde zwischendurch zu tränken.
Auch die Zuschauer werden zu diesen Stellen gelotst, denn dort bietet sich ihnen das bunte Bild der ankommenden Jagdgesellschaft; in manchen der rund 25 Meuten Deutschlands ist es zudem üblich, den Reitern am Stopp ein Getränk zu reichen.
Doch auch in der Verschnaufpause gilt es einiges zu beachten: Die Reiter ebenso wie die Zuschauer halten Abstand zur Hundemeute, es sei denn, die Reiter werden aufgefordert, im Schritt die Hunde zu umkreisen, damit sie ein wenig abgeschirmt bleiben vom Publikumsgeschehen und auch nicht unbeabsichtigt eine Fährte aufnehmen.

Sitz und lässt Wiesen und Bäume an sich vorbeifliegen.
Auf ein Hornsignal hin geht es weiter, die nächsten Wiesen und Sprünge warten. Am Ende der letzten Line reiten die Teilnehmer im Schritt zum Halali-Platz, wo das Curée auf die Hunde und die Brüche auf die Reiter warten. Das oder die Curée (frz. für „Beute“) belohnt die Hunde nach einem langen Jagdtag, währenddessen die Reiter mit einem lauten „Halali, Halali“ die Jagd beenden. Gemäß alter Sitte steigen sie vom Pferd und ziehen den rechten Handschuh aus, ein Überbleibsel aus der Zeit, als das Wild nach dem Stellen durch die Hunde noch erlegt werden musste. Nach dem Absitzen erhält jeder Reiter den Bruch aus den Händen der Gastgeberin, einen häufig mit Band geschmückten Zweig aus Eiche oder Tanne zum Zeichen der erfolgreich beendeten Jagd. Jagdhornbläser begleiten die Schlussszenen eines Jagdtages, und wenn die Pferde versorgt sind, wartet das „Schüsseltreiben“ mit Getränken und Stärkungen auf Reiter und Freunde. Da lebt so manche aufregende Szene des Jagdtages noch einmal auf und man meint, auch die Pferde würden da ihre Ohren spitzen …
Übrigens: Jagden zu Pferd gibt es natürlich auch ohne Hunde, die sogenannten Reitjagden. Viele dieser Veranstaltungen werden traditionell am 3. November, dem Hubertustag, durchgeführt. Dieser Tag ist dem heiligen Hubertus von Lüttich, dem Schutzpatron der Jagd, gewidmet und wird mit Schlepp- und Reitjagden sowie mit Gottesdiensten, die häufig auf dem Feld stattfinden, begangen.
Sind Sie neugierig geworden auf das Thema Schleppjagd? Im Internet finden Sie auf der Seite www.meutejagd.de vi el Wissenswertes rund um das Thema sowie Links zu den einzelnen Meuten Deutschlands. Sie nehmen lieber ein Buch in die Hand? Das „Handbuch Jagdreiten“ aus dem FN Verlag beschreibt ausführlich die beiden in Deutschland üblichen Reitjagdarten.(vm)
Fotos: Thomas Ix
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