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Im Gleichgewicht

geschrieben von André Pluskwa im Januar 2013

MIT HINGABE IN EIN NEUES LEBEN: DIE ERSTAUNLICHE GESCHICHTE DES MIKE-OLAF SARTISSOHN

Mike-Olaf Sartissohn, 43 Jahre alt, verheiratet, zwei Töchter, kann man ohne Vorbehalte als einen außergewöhnlichen Menschen bezeichnen. Zum einen manifestiert sich dies in seinem Wirken als Unternehmer, der vor 22 Jahren neben dem Wehrdienst seine Firma im Keller startete und diese von dort zu einem mittelständischen Unternehmen aufbaute, das sich erfolgreich am Markt etablieren konnte. Doch soll es hier nicht ums Geschäft gehen, sondern um den Menschen, auch, wenn das eine mit dem anderen untrennbar verbunden ist. Denn tatsächlich verhielt es sich so, dass Mike- Olaf Sartissohn mit der Firma „mitwuchs“, wenn man so will. Der Selfmade-Man ging, wie alle Macher, denen es gelingt, die eigenen Leidenschaften zum Berufe zu machen, völlig in seiner Arbeit auf. Er gehörte zu den Menschen, die man auf Neudeutsch wohl als „Workaholic“ bezeichnet, eine Begriffl ichkeit, die in manchen Kreisen als Kompliment, in anderen als Kontrollverlust verstanden wird. Von Montag bis Sonntag arbeitete er quasi rund um die Uhr, andere Lebensaspekte gerieten dabei zwangsläufi g ins Ungleichgewicht. Gegessen wurde zwischen Tür und Angel oder am Schreibtisch — auf dem Speiseplan stand Fast Food, die Hauptnahrungsquelle so manchen Machers, die dabei doch so konträr zum gesunden Geschäftssinn steht. Dazu der Wein und ein Lebens- bzw. Arbeits rhythmus, der früher oder später seinen Tribut fordern würde: Sartissohn, der als Kind niemals mit Übergewicht zu kämpfen hatte, wog irgendwann über 150 Kilo. Dabei handelte es sich nicht, man muss dies so deutlich herausstellen, um durch Völlerei und Trägheit verschuldeten Wohlstandsspeck, sondern um das genaue Gegenteil. Die Leidenschaftlichen, die Rastlosen, die Macher mit ihrer Gabe, sich auf ein Ziel fokussieren zu können, bis dieses erreicht ist, ist gleichzeitig ihre größte Crux. Nur wer sich selbst sehr genau kennt und schmerzlich ehrlich mit sich ist, kann die Fallstricke in die eigenen Abgründe erkennen. Sartissohn war diese Erkenntnis beschieden. Es waren zwar die Ärzte, die beim bösen Erwachen behilfl ich waren, doch wieder war er es, der den Lösungsweg aus der Schwere der Dunkelheit zum Lichte ersann und umsetzte — und wieder wuchs er dabei über sich hinaus.

NUR WER SICH SELBST KENNT UND SCHMERZLICH EHRLICH MIT SICH IST,KANN DIE FALLSTRICKE IN DIE EIGENEN ABGRÜNDE ERKENNEN.

Vor inzwischen anderthalb Jahren entschied er, abzunehmen und setzt diesen Beschluss seitdem mit der gleichen Hingabe in die Tat um, für die er in der Arbeitswelt bekannt ist. Inzwischen hat er über 50 kg abgenommen und befi ndet sich seit geraumer Zeit unter der 100-Kilo-Marke. Seine einzigen Hilfsmittel: Sport und bewusste Ernährung. Dazu ein wenig selbstgeschaffenen Druck via Öffentlichkeit, soziale Kontrolle über social media: Er postet Frühstück und Abendbrot inklusive Rezeptur, Kalorienangabe und vieles mehr täglich bei Facebook. Wer mag, kann sich dem immer größer werdenden Fan-Schwarm um ihn herum anschließen und mitverfolgen, wie mit jedem Tag die Balance ein Stück mehr hergestellt wird.

Nun könnte man Tugenden wie Fleiß und Disziplin zur Beschreibung seines Werdeganges ins Feld werfen, doch wird man ihm mit diesen starren Begriffen nicht gerecht. Er ist keineswegs zum genussfeindlichen Menschen geworden, der sich nun in neuer Radikalität jede Lebensfreude versagt, im Gegenteil: Nur hatte er endlich verstanden, dass er, wenn er die Firma, an der die Wirtschaftskrise ebenfalls nicht spurlos vorbei ging, auf Vordermann bringen will, dies nur gelingen kann, wenn er in der Lage ist, gleiches an sich selbst zu tun. Er hat sich verändert, natürlich. Heutzutage geht er drei Mal wöchentlich zum Sport, nimmt dort — kommunikativer Gruppenmensch, der er ist — an allen Kursen teil, die ihm zusagen und hat im Laufe der Zeit nicht wenige Menschen aus seinem Leben dazu inspiriert, es ihm gleichzutun. Sein Lebensund Körpergefühl scheint wie neugeboren, seine Ausstrahlung ist die eines glücklichen Menschen, der mit sich und seiner Umwelt im Einklang ist, weil das eigene Leben nicht mehr von der Arbeit dominiert wird. Es gab Zeiten, da war er als Vater nie präsent. Nun gibt es zwar mitunter Schelte: „Immer bist Du beim Sport!“, die anderen Tage aber ist er für die Familie da; wirklich da, zu Hause, mit Zeit und allen Sinnen, für die, die mit Recht stolz auf ihn sein und sich ihn zum Vorbild nehmen können, weil Papa ihnen gezeigt hat, wozu des Menschen Wille fähig ist. Man kann sogar zu einem neuen Menschen werden. So neu, dass die Leute es nicht glauben wollen. Auch ich habe ihn nicht erkannt, als ich ihn kürzlich bei der Arbeit traf. Ich sah nur das Logo und sagte: „Hey, ich kenne Ihren Chef!“. Da lächelte er mich an und sagte grinsend: „Der Chef? Das bin ich!“ und als er mir seine Geschichte erzählte, wuchs in mir ein tiefer Respekt, der selbst heute noch kräftig nachwirkt. Es gab bereits Momente, da nahm ich ihn mir als Beispiel. Und, bitte glauben Sie mir, Sie können das auch. Wenn Sie nur wirklich wollen! (ap) FOTOS: PRIVAT

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