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Keine Hochzeit Ohne Arthur

geschrieben von Ina Freiwald (if) im Juli 2018

Fotograf Arthur Creutz dokumentierte Liebe im Wandel der Zeit. Zu sehen sind seine bildgewordenen Erinnerungen bis Ende Oktober im Museum Hitzacker

Auf Hochzeitsfeiern war Arthur Creutz mit seiner Glasplattenkamera ein gern gesehener Gast. Denn nur er konnte gewährleisten, dass der wichtigste und hoffentlich auch schönste Tag eines Paares verewigt wurde. Anders als heute mussten die Protagonisten damals minutenlang still verharren, jede Regung hätte die Qualität verdorben. Dieser an sich unbequeme Aspekt gibt den Fotos aus der Pionierzeit eine Tiefe, an die kein „Schnappschuss“ heutiger Fotografen heranreicht.
„Glasplattenfotografien haben eine unglaublich gute Qualität“, sagt Klaus Lehmann, Leiter des Museums Hitzacker. In seiner aktuellen Ausstellung präsentiert er die Werke des frühen Fotografen in Großformaten. „In der Ausstellung werden sie zu regelrechten Kunstwerken und spiegeln ein künstlerisch relevantes Stück Zeitkolorit wider.“ Die rund 3.000 Glasplatten wurden zufällig auf einem Dachboden in Hitzacker gefunden. Anhand der spannenden Aufnahmen aus der Zeit von 1932 bis 1954 baut die Ausstellung eine Brücke zwischen Vor- und Nachkriegszeit, zwischen der Romantik sich verbindender Paare und politischer Einflussnahme. So zeigen viele Fotografien Bräutigame mit Hakenkreuzbinde. Für Museumsleiter Lehmann ist dieser Faktor ein relevantes Element der Bilder. „Hier wird erst wirklich verdeutlicht, welchen Einfluss die NS-Diktatur auf Familien hatte.“
Die Ausstellung hebt ausgewählte Momente heraus: Zur Hochzeitsfeier traf sich oft der gesamte Ort. „Anders als heute feierte ganz Hitzacker eine Vermählung. Daher sind die Personen auf dem Foto relevante Repräsentanten der damaligen Zeit.“
Obwohl sich die gezeigten Aufnahmen auf Brautpaare aus Hitzacker beschränken, stammt Arthur Creutz aus Uelzen.

1882 geboren, wurde er von 1896 bis 1899 zum Fotografen ausgebildet. Nach dem Militärdienst machte er sich 1905 mit einem eigenen Atelier selbstständig und konnte seinen Erfolg von Jahr zu Jahr etablieren und ausbauen. Anfang der 30er-Jahre siedelte Creutz nach Hitz­acker um, wo er ebenfalls ein Atelier unterhielt und bei zahlreichen Familienfeiern und anderen Anlässen in Hitzacker und den umliegenden Dörfern fotografierte. In den 50ern, als Glasplattenkameras zu aufwändig wurden und die Zeit des Rollfilms begann, feierte Creutz ein halbes Jahrhundert Foto­grafie nach der alten, bewährten Technik. 1961 verstarb er.
Die einzige Zeitzeugin Sigrid Meyer-Nehls kann sich noch heute gut an die Hochzeit ihrer Schwes­ter 1939 kurz vor Kriegsbeginn erinnern – sie war damals elf Jahre alt. „Meine Schwester Waltraud heiratete mit 18 Jahren den Ingenieur Heinrich Groesonk. Ich trug ein rosa Kleid aus zartem Stoff und war unglaublich stolz darauf, dass ich bei so einem tollen Fest dabei sein konnte.“ Auf dem Foto waren zahlreiche Familienmitglieder abge­bildet. „Mein Vater hatte zwei Brüder, die wohnten rechts und links von unserem Elternhaus und betrieben dort kleine Unternehmen. Ich saß auf dem Schoß meiner Mutter.“ Wie damals üblich, wurde vor der Trauung ein Brautzug durch den Ort vorgenommen, die Herren trugen Zylinder und die Damen lange Kleider. Den Fotografen Arthur Creutz kannte Sigrid Meyer-Nehls gut: „Mein Vater kegelte mit ihm im Kegelclub Pro­metheus.“ An sich ein ruhiger Mann, zeigte er sich an den für ihn be­sonders wichtigen Hochzeitstagen eher etwas unruhig und aufgeregt. „Er musste ja jedes Mal so viel organisieren.“ Bis ein gutes Foto im Kasten war, konnte auch gerne mal eine Viertelstunde vergehen. Die damals Elfjährige weiß noch: „Wir durften uns ungefähr zwei Minuten nicht bewegen. Und wenn auch nur einer mal gewackelt hat, ging alles wieder von vorne los.“
Fotoplatten aus Glas waren die ersten verfügbaren Trägermaterialien für Fotoemulsionen. Typisch für Plattenkameras waren Formate von 5 x 7 cm bis etwa 24 x 30 cm, für besondere Zwecke auch größer. Die Vorteile der Fotoplatte sind eine hohe Form­stabilität, Ebenheit und Widerstandsfähigkeit gegen Umwelteinflüsse. Dies ist auch der Grund dafür, dass die Creutz-Originale die vielen Jahrzehnte unbeschadet überstehen konnten.
Das Haus des Fotografen und Dorfchronisten in Hitzacker wurde inzwischen an die Familie Kleinhans, Inhaber des Hotels „Zur Linde“, verkauft, die im Keller noch weitere Glasplatten entdeckte. Sybille Meyer-Nehls kann sich gut vorstellen, dass dort noch wahre Schätze ruhen. „Das Material muss untersucht und ausgewertet werden.“(if)

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