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Kennen Sie das Kloster Heiligenthal?

geschrieben im Februar 2019

Der Prämonstratenser-Orden fand auf einem ritterlichen Gut in Siebelingsborstel, das in Hilgendale umbenannt wurde, ein Zuhause

Norbert von Xanten war einer der im 12. Jahrhundert umherziehenden Wanderprediger. Er und seine Anhänger – Männer wie Frauen – zogen besitzlos umher und ahmten damit den Lebensstil Jesu nach. Im Jahr 1120 gründete von Xanten im Tal von Prémontré bei Laon eine Gemeinschaft, die sich wiederum an dem Ideal der christlichen Urkirche orientierte.
Daraus entwickelte sich bald ein klösterlicher Orden, die Prämonstratenser (lat. Ordo Praemons­tratensis). Ihre Klöster waren so genannte Doppel­klös­ter, in denen Frauen und Männer, zwar getrennt in zwei Konventen, aber dennoch zusammen lebten. Später wurde die Unterbringung streng nach Geschlechtern getrennt. Es galten nicht die strengen Regeln des Heiligen Benedikt, sondern die Augustinusregel. Diese gab keine strenge Observanz, also kein konsequentes Einhalten der klös­terlichen Regeln vor. Man war den weltlichen Themen durchaus zugewandt, verband das klösterliche Leben mit der Seelsorge und öffnete die Kirchen. Vielen Klerikern war dies ein Dorn im Auge.
Norbert von Xanten war für die Gründung zahlreicher Klöster verantwortlich.

Man war den weltlichen Themen durchaus zugewandt, verband das klösterliche Leben mit der Seelsorge und öffnete die Kirchen.

Er gab sein ent­behrungs­reiches und unabhängiges Leben später jedoch auf und wurde Erzbischof von Magdeburg. Von diesem Sinneswandel waren seine Anhänger wenig erbaut. Von Xanten legte daraufhin sein Amt als alleiniger Führer der Bewegung auf, sodass fortan jeder Konvent seine eigenen Oberen wählen konnte. Der alte Weggefährte Norberts, Hugo von Fosses, wurde der erste Abt von Prémontre. Durch dessen Wirken fes­tigte sich die Ordensgemeinschaft.
Auch in der Umgebung von Lüneburg existierte einst ein Kloster der Prämonstratenser, das sich 1314 im „Santa Vallis“ (Heiliges Tal) gründete. Ermöglicht wurde es durch die Schenkung von zwei Häusern und einem Hof des Ritters Lippoldus, genannt von Dhoren. So entstand die erste Nieder­lassung der Prämonstratenser im damaligen niedersächsischen römisch-katholischen Bistum Verden, dem auch Lüneburg angehörte. Doch die Lage des Klosters in einem sumpfigen Bachtal bei Ghelderdessen (Kirchgellersen) erwies sich bald als äußerst ungünstig. Schon ab 1317 dachte der damalige Propst Albert an eine Umsiedlung nach Verden oder Uelzen. Doch wurde schließlich ein bestehendes ritterliches Gut in Siebelingsborstel westlich von Lüne­burg zum neuen Standort auserkoren. Bald schon wur­de der Ort in Hilgendale (Heiligenthal) umbenannt.
Der Ursprungsgedanke, das Kloster in die sichere Ummauerung der Stadt Lüneburg zu verlegen, kam zur Zeit der um 1370 ausgebrochenen Lüneburger Erbfolgekriege erneut auf den Plan. Dieser fand bei einigen einflussreichen Lüneburger Ratsherren Unterstützung – und ebenso bei Herzog Albrecht, der damals mit den Braunschweiger Herzögen im Fürs­tentum Lüneburg regierte. Man einigte sich – allerdings nicht ohne die Zahlung eines kräftigen Obolus’. Der Umzug aber verzögerte sich, die Pest war ausgebrochen!
Das Vorhaben musste bis 1382/83 warten, bis das Klostergebäude samt der Andreaskirche am neuen Standort inmitten von Bürgerhäusern Am Berge errichtet werden konnte. Gleich dahinter lag der Friedhof. Als die Prämonstratenser auch noch ein weltliches Gymnasium betrieben, löste dies Missstimmung aus. Insbesondere mit den Benediktinern kam es immer wieder zu Streitigkeiten, die sogar bis vor den Papst getragen wurden.
Der Niedergang des Klosters begann mit der sukzessiven Veräußerung der Klostergüter durch Propst Otto. Die Zahl der Konventualen und Konventualinnen verringerte sich deutlich. Dennoch – schlecht gelebt wurde im Kloster nicht. Noch heute erinnern alte Rechnungsbücher daran, dass reichlich Fleisch, ebenso Fisch sowie Gemüse und Kornfrüchte auf den Tisch kamen. An den Wochentagen wurde selbstgebrautes Bier getrunken, an den Festtagen gab es Wein. Das Vermögen des Klosters stammte aus unterschiedlichen Quellen. Zu denen gehörten die Sülz- und Landgüter in der Umgebung Lüneburg und im Alten Land, es stammte aus Hausrenten, Zöllen oder kam aus der Stadtkämmerei.
Nach der Reformation 1530 wurde das Kloster aufgelöst, die Besitztümer fielen der Stadt Lüneburg zu. Das abgetragene Baumaterial des Klos­ters verwendete man zur Verstärkung der Stadtmauern. Die Andreaskirche diente während des 30-jährigen Krieges als Kornspeicher. 1715 verlor sie ihren hohen Dachreiter, 1901 erfolgte schließlich ihr Abriss.
Viel ist vom ehemaligen Prämonstratenser-Kloster Heiligenthal nicht geblieben. Lediglich zwei gotische Bögen am Brömsehaus sind von dem eins­tigen Bauwerk noch vorhanden. In der Nikolai­kirche erinnert ein Ausschnitt des Heiligenthaler Altars im Chorumgang an die Zeit der Prämonstratenser in Lüneburg.(ilg)

Fotos: Sammlung Hajo Boldt, Enno Friedrich

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