Magazin über das Leben in Lüneburg
Themen
Alle Themen und Artikel

Klingendes Holz

geschrieben von Marietta Hülsmann im Dezember 2016

Die „Lüneburger Stadtpfeifferey“ lässt mit ihren nach alten Vorbildern gebauten Instrumenten den musikalischen Klang der Renaissance lebendig werden

Es gibt Instrumente, da fragt sich selbst der versierte Musikfreund, wie sie wohl klingen mögen, so auch beim Krummhorn, dem Dulcian oder der Schalmei. Oft ist nicht einmal die Instrumentengruppe, zu der sie gehören, bekannt. Doch zumindest jene Besucher, die das bunte Treiben auf dem Lüneburger Traditionsfest „Hand­werker­straße“ im Schatten der Michaeliskirche erlebt haben, ahnen vielleicht, worüber hier geschrieben wird.
In der Renaissance waren die genannten Holzblasinstrumente überaus populär und erleben heute ihre Wiedergeburt mit Ensembles wie der „Lüneburger Stadtpfeifferey“. Die musikalische Leiterin Britta Hinrichs selbst entdeckte ihre Liebe zur ­Alten Musik bereits in Teenagertagen. Damals lernte sie Blockflöte an der Musikschule in Lüneburg und spielte 1983 dort bereits in einem Ensemble für Alte Musik. Nur ein Jahr später wurde die „Stadtpfeifferey“ durch den Lüneburger Experten für Alte Musik, Reinhard Tüting, gegründet. Schon zu jenen Zeiten spielte Britta Hinrichs die Schalmei, wenn das historische Fest der „Handwerkerstraße“ Lüneburger und Besucher in die Altstadt lud. Nach ihrem Abitur studierte sie am Hamburger Konservatorium das Fach „Historische Blasinstrumente“ und schloss als Diplom-Musiklehrerin ab. Heute unterrichtet sie an der Städtischen Musikschule in erster Linie Blockflöte und findet auch immer wieder interessierte Talente für die „Stadtpfeifferey“. Es sind Schüler, aber auch Eltern und Großeltern, die von Alter Musik fasziniert sind. Der jüngste Spieler war neun Jahre alt, die älteste Spielerin 76.
„Die Renaissance war eine überaus experimentierfreudige Epoche. Nie gab es eine größere Vielzahl unterschiedlicher Instrumente“, berichtet die Musikexpertin. Vieles sei ausprobiert und auch wieder verworfen worden. Manch eines dieser verklungenen Instrumente ist heute in Museen zu finden. Doch auch durch die „Stadtpfeifferey“ bleibt der besondere Klang einiger Doppelrohrblatt-Instrumente heute noch lebendig. Die Schalmei beispiels­weise gehört zu den ältesten Blasinstrumenten, ihr Klang ist dem der Oboe ähnlich; allerdings ist die Schalmei technisch einfacher gebaut, sie besitzt keine Klappen. Das Krummhorn wiederum, das ein wenig „näselnd“ daherkommt, verfügt über Grifflöcher zum Spielen und erinnert an einen umgedrehten Spazierstock. Der Dulcian wiederum ist der Vorläufer des Barock-Fagotts.

Schalmei, Krummhorn, Dulcian: Die Renaissance war eine experimentierfreudige Epoche. Nie gab es eine größere Vielzahl unterschiedlicher Instrumente.

Britta Hinrichs besitzt über 60 Instrumente, nicht alle sind alt, einige von ihnen werden heute wieder gebaut. „Historische Instrumente, die tatsächlich in der Renaissance entstanden sind, wären zu kostbar und empfindlich, um sie auf Märkten wie der ‚Handwerkerstraße‘ zu spielen, erklärt die versierte Musikerin. Also kauft sie beispielsweise bei einem namhaften Flötenbauer in Celle. Das Schöne an dieser musikalischen Leidenschaft: Sie ist verhältnismäßig günstig, da es keine aufwändige Technik gibt, wie sie bei modernen Instrumenten verarbeitet wird.
Einen wichtigen Platz in der Renaissance- und Barockmusik nimmt auch die Blockflöte in ihren unterschiedlichen Stimmlagen ein. Auch sie wird von Britta Hinrichs Schülern gespielt und übernimmt eine wichtige Stimme in der „Stadtpfeif­ferey“. Alle zwei Wochen treffen sich die zehn Musikerinnen zur Probe. Interessierte sind herzlich willkommen, doch sollten gute Grundkenntnisse im Flötenspiel vorhanden sein. Wer eines der his­torischen so genannten Doppelrohrblatt-Instrumente erlernen möchte, muss noch eine beson­dere technische Hürde nehmen: „Meist ist der Ansatz nicht ganz einfach. Beherrscht man diesen nicht perfekt, klingen die Instrumente trotz richtiger Grifftechnik nicht schön“, erklärt Britta Hinrichs.
Bei den Auftritten in der Lüneburger Altstadt etwa oder in Lübeck bei den Hansetagen stoßen auch ehemalige Mitstudierende von Britta Hinrichs zum Ensemble, das dann zusätzlich von einer Dreh­leier unterstützt wird. „Der Klang dieses Instrumentes ist sehr charakteristisch und lockt viele Zuschauer“, berichtet sie. Doch längst wirkt nicht nur das schnarrende Saiteninstrument anziehend, ebenso leisten die historischen Kostüme ihren Beitrag als Publikumsmagnet. Die zeitgemäßen Kleider, Barette und Wämse erhält die „Stadtpfeifferey“ als Leihgabe vom „Arbeitskreis Lüneburger Altstadt“. Die Mitglieder des „Höfischen Tanzkreises Lüneburg“ nähen zudem selbst. Auch dieser wird bei seinen Auftritten regelmäßig von den Lüneburger Musikerinnen begleitet.
Wohlhabend werden die Musiker dieser besonderen Instrumente sicher nicht, meist reicht es gerade, um Fahrkosten zu decken oder neue Noten anzuschaffen. Doch beleben sie auf äußerst professionelle Weise das reiche kulturelle Erbe der Renaissance — so auch sicher bei der nächsten „Handwerkerstraße“ in Lüneburgs historischen Straßen rund um St. Michaelis. Wer Interesse am Spiel dieser außergewöhnlichen Instrumente hat oder die „Lüneburger Stadtpfeifferey“ buchen möchte, nimmt Kontakt unter der Nummer (04131) 53 5 83 auf.

Foto: Privat

Anzeige