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Neues Leben im alten Hafen

geschrieben von Cristiane Bleumer im Oktober 2011

DIE HANSETAGE WERFEN IHRE SCHATTEN VORAUS: DER ALA MÖCHTE HISTORISCHE GAFFELSEGLER NACH LÜNEBURG HOLEN

Sein großer Traum hat sich schon zum Teil erfüllt: Seit April liegen wieder zwei Schiffe am Stint, die ein echter Besuchermagnet sind und immer wieder gern fotografi ert werden. Doch Curt Pomp als Vorsitzender des Arbeitskreises Lüneburger Altstadt, kurz ALA, und seine zahlreichen Mitstreiter träumen weiter; schließlich könnte man aus dem alten Hansehafen Lüneburgs am Stintmarkt noch so viel mehr machen, sind sich alle Beteiligten sicher. „Die Nachbauten des historischen Ewers und eines Prahms sind ein guter Anfang, aber ich wünsche mir, dass der Hafen weiter belebt wird und irgendwann wieder Schiffe dort an- und ablegen können“, so Pomp. Zumindest einen ersten Vorgeschmack darauf gab es im Jahr 2004, als historische Gaffelsegler aus Hamburg die Salzstadt besuchten. „Leider mussten die Schiffe damals am Kai der Bezirksregierung festmachen“, erinnert er sich. Nur mit einem Beiboot konnte die Besatzung schließlich in den Binnenhafen einlaufen.

Dies soll sich spätestens zu den Hansetagen im Sommer 2012 ändern. Mindestens fünf prachtvolle historische Segler vom Hamburger Museumshafen sollen dann vor der traumhaften Kulisse des Stintmarktes anlegen. Curt Pomp hofft, dass mit den dafür notwendigen Arbeiten zur Ausbaggerung des Hafens bald begonnen werden kann. 15.000 Euro hat der ALA bei verschiedenen Veranstaltungen gesammelt, um die Aktion zu unterstützen. Pomp freut sich, wenn es endlich losgeht: „Am besten wäre es, wenn man auch den Alten Kran in diese Arbeiten einbeziehen könnte. Das könnte für Lüneburger und Touristen sicher ein echtes Highlight werden“. Weniger glücklich ist der Restaurator und Denkmalschützer mit einigen anderen Plänen, die Hansestadt Lüneburg zu verändern und neu zu bebauen; als Beispiel nennt er das Areal der Nordlandhalle. „Das hässliche Monstrum soll nun durch etwas ersetzt werden, was auch nicht besser ist“, empört er sich über den Entwurf des geplanten Neubaus. „Wahrscheinlich ist es für die Bewohner später sehr schön herauszugucken, zurückgucken sollte man aber besser nicht“.

Seit rund 40 Jahren setzt sich Curt Pomp inzwischen mit Lüneburg und seinen Baudenkmälern auseinander. Als „Retter der Altstadt“ wird er regelmäßig von den Stadtführern tituliert, die mit ihren Gästen vor seinem Haus in der Unteren Ohlingerstraße Halt machen und dort erläutern, dass Lüneburg ohne den Einsatz dieses Mannes eine völlig andere Entwicklung genommen hätte. Eigentlich sollte die gesamte Altstadt wegen der Senkungsschäden in den siebziger Jahren abgerissen werden.

MINDESTENS FÜNF PRACHTVOLLE HISTORISCHE SEGLER VOM HAMBURGER MUSEUMSHAFEN SOLLEN VOR DER TRAUMHAFTEN KULISSE DES STINTMARKTES ANLEGEN.

Doch Pomp bewies nicht zuletzt an seinem eigenen Haus, dass es sich lohnt, die Architektur zu restaurieren. Trotz der Bemühungen des ALA wurden aber immer wieder alte Häuser ein Opfer der Abrissbirne. 75 Prozent dieser Gebäude hätte man ebenfalls retten können, ist sich Curt Pomp sicher – und er hat keine Zweifel, dass sich diese Mühe für die Stadt Lüneburg gelohnt hätte: „Ich bekomme immer wieder Anfragen von Kaufi nteressenten, die sich nach historischen Häusern erkundigen.“ Auch künftig stehen wieder verschiedene Projekte zur Sanierung und Belebung des Lüneburger Stadtbildes an, Projekte, die allesamt dazu führen, dass auch die Historie dieser Stadt eine lebendige bleibt. Am 22. September fand eine Benefi z-Veranstaltung in Zelten am St. Lambertiplatz zugunsten der ALA statt, zu der Goldschmied Holger Siebke und Friederike Döpkens von „MachArt“ einluden. Hier wurde über weitere Vorhaben des engagierten Vereins gesprochen, die gezielt aus den Spenden des Abends unterstützt werden sollen.

Die lange Zeit in Lüneburg und die Beschäftigung mit dem Denkmalschutz haben Curt Pomp so geprägt, dass den inzwischen 78-Jährigen das Gespür für erhaltenswerte Bausubstanz auch dann nicht im Stich lässt, wenn er zu Gast in anderen Städten ist. Und so hat vor rund sechs Jahren in einem kleinen Ort an der Elbe ein neues Kapitel für den engagierten Mann begonnen. Die kleinste Hansestadt der Welt heißt Werben und liegt in Sachsen-Anhalt, rund 130 Kilometer von Lüneburg entfernt. Curt Pomp hat sie auf einer seiner Postkutschenfahrten kennen gelernt, die er bis etwa 2005 organisierte. Was er hier entdeckte, hat ihn restlos begeistert: „Werben ist eine wunderschöne Biedermeierstadt mit sehr viel gut erhaltener Bausubstanz“, beschreibt Pomp seinen seit kurzem auch offi ziell zweiten Wohnsitz. Doch Werben war auch eine aussterbende Stadt. Wie in vielen ostdeutschen Orten gab es eine hohe Abwanderungsquote junger, gut ausgebildeter Leute. Viele historische Häuser standen leer und verfielen.

Mit seinem Tourismuskonzept gelang es Pomp schließlich, Werben nach und nach zu neuem Glanz zu verhelfen. Werbens Wiedergeburt gilt inzwischen sogar als Musterbeispiel für den Erfolg von Ini tiativen, die dem demographischen Wandel entgegenwirken. Auch hier sei es darum gegangen, bei den Einwohnern und Gästen einen Sinn dafür zu entwickeln, welche Schätze die alten Häuser darstellen, beschreibt Curt Pomp seine Überzeugungsarbeit vor Ort. Nun werden immer mehr Häuser in den Originalzustand des Biedermeier zurückversetzt, und so hat sich im Schatten der großen gotischen Kirche Werbens wieder neues Leben entwickelt. Wie in Lüneburg der ALA wurde ein Arbeitskreis Werbener Altstadt (AWA) gegründet, der unter anderem das Konzept der in Lüneburg erfolgreichen Handwerkerstraßen und Christmärkte in die Zeit des Biedermeier verlegte, nach Werben exportierte und die Veranstaltungen auch dort zu Besuchermagneten machte. Selbst einen stilechten Biedermeierlikör hat Curt Pomp kreiert. Weil es in der kleinen Elbestadt so schön ist, verbringt der Restaurator inzwischen viele Wochenenden in seinem dortigen Biedermeierhaus.

Und noch etwas Neues gibt es im Leben von Curt Pomp. Seit Juni ist er stolzer Vater der kleinen Florentine Mathilde. Die bringt nun junges Leben in das jahrhundertealte Haus in der Lüneburger Altstadt, in dem Pomp mit seiner Lebensgefährtin wohnt. Weitere Informationen zum Arbeitskreis Lüneburger Altstadt finden Sie unter http://www.alaev-lueneburg.de. (cb)

FOTOS: ENNO FRIEDRICH; CURT POMP/PRIVAT