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Logen-Leben in Lüneburg

geschrieben von Irene Lange im Dezember 2017

Es war der 16. Januar 1775, als sich 13 Freimaurer in der Gastwirtschaft „Auf dem Schütting“ trafen.An diesem Tag wurde die erste Freimaurerloge in Lüneburg gegründet

Auf eine lange Tradition kann die Freimaurerei in Europa zurückblicken. Ihren Ursprung hat sie in der mittelalterlichen Steinmetzbruder­schaft und deren Bauhütten, wobei es sich dabei um eine Gruppe technisch geschulter und hochgeachteter Bauleute handelte. Sie gründeten einen Bund freier Menschen, die die Überzeugung teilten, dass die stete Charakterbildung zu einem sozialeren Verhalten führe. Seit jeher zählten Toleranz, Humanität und Brüderlichkeit zu den Grundidealen der Freimaurer. Organisiert sind sie in so genannten Logen — für viele noch heute geheimnisumwobene Institutionen.
Es war der 16. Januar 1775, als sich 13 Freimaurer in der damaligen Gastwirtschaft „Auf dem Schütting“ am Markt, Ecke Bardowicker Straße, trafen. Neun von ihnen gehörten einem in der Stadt stationierten Regiment an. Die Versammlung markierte den Gründungstag der Freimaurerloge, die den Namen „Zur goldenen Traube“ erhielt.
Schon vor 1775 lebten Freimaurer in Lüneburg, sie gehörten jedoch Logen anderer Orte an. Im 18. Jahrhundert war Lüneburg eine Garnisonsstadt, immer wieder wurden dort Truppen aus anderen Ländern untergebracht. So war auch der Initiator der Logengründung — Adolph Freiherr von Spörcken — ein Oberst und bereits Mitglied einer Hamburger Loge. Der Adlige aus Lüdersburg war ehemaliger Schüler der Ritterakademie. Auf sein Bestreben hin wurden in den Jahren 1774 bis 1778 weitere Logen im damals noch bestehenden Kurfürstentum Hannover gegründet, u. a. „Zum Krokodil“ in Harburg, „Zum Schwarzen Bären“ in Hannover und eben auch „Zur Goldenen Traube“ in Lüneburg. Diese Logen haben sich den Reformideen angeschlossen, die sich gegen die Auflagen der sogenannten „Strikten Observanz“ richteten und waren der „Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland in Berlin“ angeschlossen.
In den ersten Jahren gehörten viele Offiziere aus dem kurhannoverschen „Regiment von Goldacker“ zu den Mitgliedern, die wiederum von einigen Mitbrüdern aus der Harburger Loge „Zum Krokodil“ unterstützt wurden. Der erste „Meister vom Stuhl“ war der Leutnant Georg Friedrich Jakob von Cronhelm. Das Logenleben verlief recht vielversprechend, neue Brüder wurden aufgenommen. Da viele der Logenbrüder Offiziere waren, versetzt wurden und Lüneburg verlassen mussten, sank ihre Zahl 1783 auf nur drei Mitglieder. Die Aktivität der Loge ruhte.
1803 bis 1805 dauerte die Zeit der französischen Besatzung. Kurzzeitig unterstand Lüneburg 1806 der preußischen Besatzung, im gleichen Jahr kam es zur zweiten französischen Besatzungsperiode. Erst ab 1813 gehörte Lüneburg wieder zum Kurfürs­tentum Hannover, das jedoch nach dem Wiener Kongress (1814–1815) inzwischen zum Königreich aufgewertet war.

Toleranz, Humanität und Brüderlichkeit zählen zu den Grundidealen der Freimaurer-L­oge, die stete Charakterbildung soll zu einem sozialeren Verhalten führen.

Während der französischen Besatzungszeit waren die deutschen Logenbrüder durch die Franzosen wohlgelitten, es wurden 18 Lüneburger Brüder als Mitglieder der französischen Loge „Les enfants de Mars“ aufgenommen. Durch diesen Einfluss wurden auch die Mitglieder der deutschen Loge „Zur goldenen Traube“ zu neuen Aktivitäten angeregt und 1809 feierlich „wiederbelebt“. Dies jedoch nur für kurze Zeit: Am 9. September des gleichen Jahres wurde sie für immer geschlossen.
Nach den wechselvollen Jahren der französischen Besatzungszeit und nicht zuletzt der Versetzung vieler militärischer Logenbrüder waren diejenigen, die zur Schließung der Loge „Zur Goldenen Traube“ beitrugen, nun intensiv bemüht, eine neue Loge zu gründen. Das gelang schließlich, als sie am 27. Dezember 1809 ein neues Konstitutionspatent vom Großmeister der Provinzialloge Hannover, Herzog Carl zu Mecklenburg, entgegennahmen. Die neue Loge entstand unter dem Namen „Selene zu den drey Thürmen“, benannt nach der Göttin Selene aus der griechischen Mythologie. In den folgenden 100 Jahren wuchs die Loge, viele verdiente ­Lüneburger wurden Mitglieder. Einer von ihnen war Friedrich Wilhelm Volger, Leiter des Realschul­zweiges des Johanneums, Wissenschaftler und Chronist Lüneburgs. Als Bürgervorsteher genoss er hohes Ansehen in der Stadt. Über 45 Jahre war er von 1828 bis 1873 „Meister vom Stuhl“. Zu der Zeit war die Loge bereits auf über 50 Mitglieder angewachsen. Ab 1868 gehörte sie bis zu ihrer erzwungenen Schließung 1935 durch die Nationalsozialisten der „Großen Loge von Preußen Royal York, genannt „Zur Freundschaft“ an.
Nachdem man sich in wechselnden Versammlungsräumen traf, reifte die Idee zu einem eigenen Logen­haus. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Pläne dazu konkret, nachdem die Mitglieder auch die finanziellen Mittel für einen Neubau aufbringen konnten. 1893 erwarb man das Grundstück in der Hindenburgstraße 22, mit der Errichtung des Logenhauses wurde der Lüneburger Baumeister Franz Krüger (1873–1936) beauftragt. Die feierliche Einweihung fand schließlich am 20. September 1908 statt. Heute steht das Logenhaus längst unter Denkmalschutz. Bis 1982 befand sich in der zweiten Etage eine Tanzschule. Das Erdgeschoss wird heute von einem Restaurant genutzt, während die Loge „Selene zu den drey Thürmen“ ihren Sitz in der ersten Etage hat.
Lange bevor die Nationalsozialisten die Zwangsschließung der Loge erwirkten, waren die Frei­maurer Verleumdungs- und Hetzkampagnen ausgesetzt, die Lüneburger Logenbrüder nicht ausgenommen. Sie waren gezwungen, das Logenhaus nach der Zwangsschließung 1935 für einen Spottpreis von 25.000 Reichsmark im Dezember 1936 an das „Museum für das Fürstentum Lüneburg“ zu verkaufen. Während dieser für die Logenbrüder „lichtlosen“ Zeit trafen sich einige weiterhin im privaten Kreis. Nach Kriegsende bemühten sie sich um die Wiederaufnahme ihrer Loge, was die britische Militärregierung am 21. August 1947 schließlich genehmigte.
Am 31. Oktober 1947 wurde die Loge „Selene zu den drey Thürmen“ feierlich wiedereröffnet — mit 53 Mitgliedern. Zum „Meister vom Stuhl“ wurde Alfred Bellmann gewählt. Seither arbeitet die Loge im Verbund der Großloge der „Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland“. Zurzeit gibt es 70 Brüder. „Meister vom Stuhl“ ist Günter Hauschildt; wie seine Vorgänger ist auch er demokratisch von den Mitbrüdern gewählt worden.
„Im Grunde kann jeder ab dem 25. Lebensjahr bei uns Mitglied werden“, berichtet er. Die Person müsse jedoch bereit sein, Verschwiegenheit zu bewahren. „Was hier gesprochen wird, dringt nicht nach außen“. Er müsse lernen zuzuhören, zu schweigen und andere Meinungen zu akzeptieren, wobei über parteipolitische und religionsspezifische Fragen nicht gestritten wird. Zudem müsse man bereit sein, zweimal im Monat an den Clubabenden teilzunehmen. Auch die Tempelarbeit im Logenhaus mit den festgelegten Ritualen sei Verpflichtung. Bis zur endgültigen Aufnahme in die Freimaurerloge sollte der Bewerber möglichst an allen Gäste­abenden teilnehmen. Danach beginnt er als Lehrling, wird dann Geselle und endet als Meister. Bis dahin soll er die Grundwerte der Freimaurerei verinnerlicht haben, nämlich einer Gemeinschaft von unabhängigen und freien Männern anzugehören, die Toleranz, Humanität und Brüderlichkeit auf ihre Fahnen geschrieben haben.(ilg)

— Quellen: Chronik der Freimaurerei,
Geschichte der Loge „Selene zu den drey
Thürmen“ von Arnold Grunwald.

Foto: Enno Friedrich

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