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Lüneburg braucht Quadrat

geschrieben von Sebastian Balmaceda im März 2019

Oberbürgermeister Ulrich Mädge im Quadrat-Geburtstags-Interview

Herr Mädge:
Was haben Sie gedacht, als
vor zehn Jahren zum ersten Mal Quadrat
erschienen ist? Noch so ein Magazin…?

Mädge: Man ist ja neugierig. Wer macht es? Was
steht da drin? Wie lange bleibt es? Schon das Format
war ja etwas Besonderes – das Quadrat eben.
Es gab ja bereits andere Hefte, die schnell wieder
vom Markt waren.

Brauchte Lüneburg noch ein Stadtmagazin?
Ja, natürlich. Viele Dinge können ja in der täglichen
Zeitung, also der LZ, nicht mitgenommen werden –
gerade was die Themen Kultur, Gesellschaft und
Wirtschaft betrifft. Das kommt naturgemäß zu kurz
in der Landeszeitung. Und diese Lücke füllt das Quadrat-
Magazin.

Wie hat sich die Stadt in den vergangenen zehn
Jahren verändert?
Zuerst: Wir haben deutlich mehr Einwohner. 71.090
waren es 2009, heute sind es 77.440. Wir haben
neue Stadtquartiere geschaffen: in Häcklingen, an
der Wittenberger Bahn, das Speicherquartier, das
Hanseviertel. Die Kulturbäckerei ist dazugekommen,
neue Kulturschaffende sind in der Stadt. Dann ist
das Zentralgebäude der Uni fertig geworden. Man
muss ja bedenken, dass in jedem Jahr etwa 5000
bis 6000 „Neuzugänge“ nach Lüneburg kommen,
andere wieder wegziehen. Jede Stadt verändert
sich, das ist auch in unserer 1000-jährigen schichte nichts Außergewöhnliches. Es kommt insgesamt
auf die gute Mischung an: Einkaufen, nette
Menschen, Kultur, das historische Stadtbild, die
Möglichkeit, sehr viel zu Fuß zu erledigen, mit dem
Rad oder mit dem Bus – das ist reizvoll, für Menschen,
die hier leben oder herziehen wollen.


Was ist denn in diesen zehn Jahren nicht gelungen?
Das müssen andere beurteilen. Sicher guckt man
sich manche Quartiers-Entwicklung an und sagt: Nö,
so habe ich mir das nicht vorgestellt. Aber letztlich
kommt es darauf an, was die Menschen denken,
die da wohnen wollen. Sicher urteilt jemand, der im
Roten Feld wohnt, anders als derjenige, der an die
Wittenberger Bahn zieht. Ich denke, so, wie wir es
gemacht haben, ist es überwiegend gelungen.

Konkret: Wenn Sie durch das Hanseviertel gehen
– gefällt es Ihnen dort?
Ja. Ich komme ja selbst aus Kaltenmoor, da habe
ich einen anderen Kontrast. So werden wir nie mehr
bauen. Wenn ich mir das Hanseviertel anschaue
und wenn ich auswärtige Experten höre – dann sagen
die: Respekt, wie habt Ihr das hinbekommen?
So ein Viertel wird man erst richtig beurteilen
können,
wenn es sich zehn oder fünfzehn Jahre entwickelt
hat, vor allem, wenn das Grün durchdrückt.
Dann wird man erkennen, dass dieses Viertel gut
gelungen ist.

Und wenn Sie an den LSK-Platz denken. Dort gibt
es eine Ansammlung völlig verschiedener Häuser …
… das erstaunt mich auch. Da geht es um Bauvorschriften,
also die Frage: Wie baut jemand. Da gibt
es immer so eine Wellenbewegung. Mal schreibt
man ganz stringent vor, was gebaut werden darf.
Später heißt es: Jeder muss so bauen dürfen, wie er
will. Und das ist dann das Ergebnis.
Ich bin auch deshalb erstaunt, weil da ja eine Klientel
gebaut hat, die finanziell gut dabei ist – und wo
man erwartet hat, dass da etwas Qualitätsvolles
entsteht. Aber gut, Lüneburg ist 1000 Jahre alt …

Da wir gerade beim LSK-Platz sind: Ein Vorwurf,
den man Ihnen macht, lautet: Mädge ist kein
Freund des Sports, zumindest nicht des Leistungssports.
Und deshalb sind Sie auch froh, dass das
neue Stadion nicht in Lüneburg, sondern im Raum
Barendorf, Vastorf gebaut wird.
Das ist falsch. Ich habe eine Priorität – das ist der
Breitensport. Ich denke zuerst an Kinder und Jugendliche
und an Menschen, die sich normal bewegen
wollen. Für die brauchen wir Plätze und Anlagen.
Darüber hinaus braucht hat man etwas im Premium-Bereich.
Nicht 1. oder 2. Liga, aber 3. oder 4. Liga.
Dafür brauche ich Vereine mit seriösen Vorständen,
mit denen man das organisieren kann. Ein Beispiel
dafür sind ja die Volleyballer. Und einer der Treiber
der Arena war ich selbst, weil ich überzeugt bin,
dass wir die Arena für den Sport brauchen, aber natürlich
auch als Veranstaltungsraum.
Übrigens: Wenn es nach uns gegangen wäre, also allein
der Stadt Lüneburg, dann würde die Arena
schon stehen – für weniger Geld.

Zum LSK: Es gab fast zwanzig Jahre lang niemanden,
der eine klare Linie hatte wie jetzt Herr Becker,
der neue Präsident – jemand, der sich sicher zwischen
sportlichem Ehrgeiz und finanziellen Möglichkeiten
hanseatisch positioniert.
Darum ja auch unser Angebot, die Sülzwiesen auszubauen,
mit einem viertligatauglichen Stadion für
1.500 bis 2.000 Zuschauer – was völlig ausreichen
würde. Wir waren bereit, dafür 1,5 Millionen Euro zu
investieren. Das Ganze ist ja nicht an der Stadt gescheitert,
sondern an den beiden Vereinen LSK und
VfL. Das ist symptomatisch für die gesamte Fußball-
Szene in Lüneburg – jeder denkt nur an sich.

Herr Oberbürgermeister, haben Sie sich in diesen
zehn Jahren verändert?
Erstmal bin ich älter geworden, das ist unstrittig,
auch grauer und ich glaube auch etwas gelassener.
Aber die Aufgaben motivieren mich immer noch. Ich
bin immer noch neugierig und lerne dazu. Ich gehe
immer noch gerne in Bürgerversammlungen und erkläre,
warum wir beispielsweise Asylbewerber so
oder so unterbringen müssen, oder warum wir am
Stadtrand Richtung Reppenstedt Wohnungen und
den Digital-Campus bauen und damit zugleich den
Grüngürtel sichern wollen.
Ich bin vielleicht etwas direkter geworden, weil in
der Zeit von Facebook und Twitter alles schnell verschwurbelt,
vereinfacht wird. Ich sage dann: So ist
das! Manch einer empfindet das als zu direkt. Dem
sage ich: Man muss offen und klar reden.

Kritiker und hartnäckige Gegner sagen: Mädge ist
ein Aktenfresser, ein Arbeitstier und jähzornig.
Böse gefragt: Was stimmt davon?
Beim letzten Punkt müssen Sie meine Mitarbeiter
fragen. Also, ich arbeite gerne. Akten sind gar nicht
so mein Thema. Ich bin zielorientiert, natürlich. Und
das auch mit Nachdruck. Das ist mein Markenzeichen,
das ich nicht aufgebe.

Sie bestreiten Ihre letzte Amtszeit, eine Wiederwahl
lässt das Gesetz nicht zu und Sie würden auch
nicht noch einmal antreten wollen. Was machen
Sie, wenn Sie nicht mehr Oberbürgermeister sind?
Gar nichts?
Natürlich. Ich werde erstmal ein halbes Jahr auf
dem Jakobsweg laufen, um Abstand zu gewinnen.
Wissen Sie, ich habe lang genug gearbeitet und
sage mir immer: Im Zweifelsfall werde ich Küster in
meiner St. Stephanus-Gemeinde oder Zeitungsausträger
bei der Landeszeitung. Dann habe ich genug
Bewegung und geregelte Zeiten.

Herr Mädge, vielen Dank und alles Gute für den
Rest Ihrer Amtszeit. Vielleicht haben Sie ja Lust,
später als Kolumnist für Quadrat zu schreiben.
Vielen Dank für das Angebot – man kann über alles
sprechen …



Fotos: Enno Friedrich

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