Lüneburger Grabsteingeschichten „Six feet under“III
geschrieben von Irene Lange im November 2016
Kriegsgräber, Gedenkstätten und Mahnmale in und um Lüneburg: Im Monat November wird der Volkstrauertag im stillen Monat November begangen, der Erinnerung und Mahnung zugleich ist
Wäre die Evolution der Hominiden nur etwas anders verlaufen! Hätten sich doch die friedfertigen Bonobos anstatt der aggressiveren Schimpansen durchgesetzt! Vielleicht könnte dann die Menschheit heute in Frieden miteinander leben. So aber ist von je her deren Geschichte von Gewaltausbrüchen geprägt. Besonders erfindungsreich war die Menschheit schon immer, wenn es darum ging, Waffen zu erfinden, um möglichst viele ihrer Artgenossen ins Jenseits zu befördern. Heute stehen wir wieder vor der immensen Herausforderung, gegen den Vernichtungswillen — vor allem im nahen Osten — anzugehen. Auch die Erinnerung an die Kriege in unserer Heimat Deutschland ist noch längst nicht verblasst. Die zahlreichen anonymen Kriegsgräber und Denkmäler in und rund um Lüneburg sind steinerne Zeugen, die diese Zeit nicht in Vergessenheit geraten lassen.
In der Antike setzte man ausschließlich den siegreichen Feldherren ein Denkmal für ihre Verdienste, erst ab 1813 änderte sich die Einstellung gegenüber der „Denkmalswürdigkeit des Bürgers“, als König Friedrich Wilhelm III. von Preußen das „Eiserne Kreuz“ als Orden für Soldaten aller Dienstgrade und als Ehrenzeichen für Gefallene stiftete. Zudem wurde angeordnet, Tafeln mit Namen von Gefallenen in jeder Kirche anzubringen.
Auch in der Stadt Lüneburg und in der Peripherie wurde mit Grab- und Gedenksteinen, der gefallenen Zivilisten und der Soldaten — namentlich oder anonym — erinnert. Auf der Steinker Höhe bei Nahrendorf etwa wurde am 7. Juli 1839 das Denkmal zur Erinnerung an die Göhrde-Schlacht vom 16. September 1813 in Form eines Obelisken errichtet. Es galt der Erinnerung zum Sieg über die Franzosen, den hier Engländer, Preußen, Hannoveraner, und Russen errungen hatten. Später entstand zudem eine Gedenkstätte für die etwa 900 Gefallenen beider Seiten im dahinterliegenden Wald.
Erst im Deutsch-Französischen Krieg, der in den Jahren 1870/71 ausgetragen wurde, war es wieder erlaubt, in den Gemeinden Denkmäler für die Gefallenen zu errichten, die fern der Heimat ihr Leben geopfert hatten. Im 19. Jahrhundert hatten diese meist die Gestalt von ist Obelisken, häufig gekrönt von Germania als Siegesgöttin, dem Reichsadler oder dem Eisernen Kreuz. Monumente dieser Art finden sich noch heute in Amelinghausen, Dahlenburg und Kirchgellersen.

Historische Filme zeigen, mit welcher Begeisterung die jungen Männer In den Ersten Weltkrieg zogen, überzeugt von der Richtigkeit ihrer Mission, nicht ahnend, dass auch der vermeintliche Heldentod nichts anderes als Teil des grausamen Massensterbens war. Als dieser Wahnsinn ein Ende hatte, wurde auch dieser Toten mit oft aufwändig gestalteten Denkmälern gedacht. 1919 gründete sich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der sich bis heute einer würdigen Bestattung der sterblichen Überreste Gefallener widmet. Auf dem Lüneburger Zentralfriedhof befinden sich mehrere Kriegsgräberanlagen, in denen Kriegstote fremder Herkunft neben Hamburger Bombenopfern und Toten aus dem Ersten Weltkrieg ruhen.
Im Dritten Reich wurde der Begriff „Volkstrauertag“ durch „Heldengedenktag“ ersetzt; den Gedanke an den toten Soldaten wollte man verdrängen, denn es galt, für den nächsten Krieg zu motivieren. Immerhin — die existierenden Denkmäler hatte man in diesem Zuge nicht beseitigt. Auch nach 1945 erfolgten im wesentlichen keine Beanstandungen durch die Besatzungsmacht, es sei denn, Insignien der Nazi-Zeit waren noch vorhanden. Seit vielen Jahren wird nun wieder der Volkstrauertag im stillen Monat November feierlich begangen, der Erinnerung und Mahnung zugleich ist.
Wie kein Krieg zuvor führte der Zweite Weltkrieg zu furchtbaren Verlusten unter der Zivilbevölkerung; die Ehrung der Kriegstoten gilt folglich nicht nur den Soldaten. Sie erstreckt sich auch auf andere Nationen, die in und um Lüneburg Opfer des Nazi-Regimes wurden.
Viele der Lüneburger Kriegsgräber, Gedenkstätten und Mahnmale sind erhalten – Mahnmale gegen das Vergessen, aber auch eine stille Aufforderung, unsere gemeinsame Zukunft auf diesem Planeten friedvoller und zum Wohle aller zu gestalten.(ilg)
Fotos: Enno Friedrich
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